Bildrechte im Internet: Im Zweifel haftet der Nutzer
Interview mit dem Medienrechtsanwalt RA Christian Füllgraf
Ob Blog, Twitter, Facebook oder die gute alte Webseite: Das Netz ist übervoll mit Informationen in Schrift, Bild und Ton. Die Zahl der Nutzer steigt stetig, insbesondere bei den leicht zu bedienenden „Sozialen Medien“. Eine Frage, die sich viele stellen dürften oder sollten, ist die der Urheberrechte bei der Nutzung von fremderstellten Inhalten für die eigenen Veröffentlichungen in digitalen Online-Medien. Im Grunde stellt sich diese Frage natürlich in allen Medien, ob Print, digital oder audio-visuell. Wir beschränken uns in diesem Interview auf Online-Medien, denn hier scheint die Hemmschwelle für Nutzer besonders niedrig. Die einfache, scheinbar freie und Verfügbarkeit von kostenlosen Inhalten kann sich als folgenschwerer Trugschluss herausstellen.
Während beim als Zitat gekennzeichneten, erneuten Einstellen von Inhalten (z.B. durch Re-posten oder Verlinken) der Urheber eindeutig ist (nämlich der vorherige Versender oder Verantwortliche einer Webseite), ist beim Posten von Kurzberichten plus Bild oftmals die Herkunft bzw. die Urheberschaft nicht sichtbar.
Wir haben unser ehemaliges, langjähriges Vorstandsmitglied und Rechtsanwalt Christian Füllgraf zur Rechtslage insbesondere durch das Urheberrechtsgesetz (UrhG) befragt. Christian Füllgraf ist Rechtsanwalt in Hamburg. Er ist einer der Vertragsanwälte der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm (AG DOK), lehrt Filmrecht und Musikrecht in Köln und Hamburg und hält regelmäßig Seminare und Vorträge zum Thema.
Das Interview führten Daniel Krönke und Felix Arnold.
Infomedia-sh:
Als Rechtsanwalt setzten Sie sich regelmäßig mit Fragen zum Medienrecht auseinander. Können Sie uns etwas zu Ihren Spezialgebieten und typischen Rechtsfällen sagen? In welchen Fachbereichen praktizieren Sie vorwiegend?
Christian Füllgraf:
Mein hauptsächlicher Schwerpunkt ist seit über 15 Jahren Filmrecht. Aufgrund meiner kaufmännischen und juristischen Ausbildung verstehe mich aber auch als Unternehmensberater, der einem Produktionsunternehmen bei vielen Fragen der Filmproduktion beratend zur Seite steht und hilft, einen vertraglichen Rahmen für eine Produktion zu bauen. Mir geht es dabei vor allem darum, rechtliche Probleme und mögliche Konflikte bereits frühzeitig zu erkennen, um später kostspielige rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Infomedia-sh:
Darf man, ob als eingetragener Verein (z.B. die Kulturelle Filmförderung e.V mit infomedia-sh.org) oder als nicht-kommerzielle Initiative (z.B. Filmszene-SH.de) oder als privater Blogger fremderstelltes Bildmaterial für Onlineveröffentlichung wie z.B. Filmkritiken oder Kurzberichte verwenden?
Christian Füllgraf:
Zunächst einmal sollte man festhalten, dass es kein Sonderrecht für Vereine, nichtkommerzielle Initiativen oder private Blogger gibt. Bei Veröffentlichungen mit Fremdmaterial ist immer zunächst das deutsche Urheberrechtsgesetz zu berücksichtigen. Bei Veröffentlichungen, die auch außerhalb Deutschlands wahrnehmbar sind, können ggf. auch noch ausländische Urheberrechtsgesetze Anwendung finden.
Infomedia-sh:
Online-Medien sind im Allgemeinen über die nationalen und sprachlichen Grenzen hinaus im Ausland sichtbar. Gilt aber eine Veröffentlichung mit Text in deutscher Sprache plus Bild (z.B. Filmstill) rechtlich gesehen als im Ausland wahrnehmbar? Eigentlich sollte die Sprache doch eindeutig belegen, dass diese Veröffentlichung nur für den deutschen Sprachraum gedacht ist.
Christian Füllgraf:
Diese Frage ist schwierig zu beantworten, da es dazu bisher keine konkrete höchstrichterliche Entscheidung gibt. Im Urheberrecht gilt allerdings das sogenannte „Schutzlandprinzip“, wonach das Recht desjenigen Staates anzuwenden ist, für dessen Gebiet der Schutz beansprucht wird. Wenn also z.B. eine deutsche Webseite mit vielen Fotos auch in den USA abrufbar ist, kann dies eine Verletzung von Rechten im Territorium der USA bedeuten.
Für die Bestimmung des Inlandsbezugs ist die verwendete Sprache nur ein Kriterium, im Einzelfall kann ein solcher Inlandsbezug auch anders begründet sein. Zudem wäre der Inlandsbezug auch wieder nach der Rechtsordnung des Landes zu bestimmen, in dem der Verletzte seine Ansprüche geltend machen möchte.
Infomedia-sh:
Muss man in jedem Fall die Nutzungsrechte für Bildveröffentlichungen einholen?
Christian Füllgraf:
Eine Onlineveröffentlichung von fremd erstelltem (noch geschütztem) Bildmaterial berührt die Verwertungsrechte des Fotografen (Vervielfältigungsrecht Paragraph 16 UrhG, Recht der öffentlichen Zugänglichmachung Paragraph 19a UrhG), unabhängig davon, ob die Bilder als Lichtbildwerke (gestaltete Fotos) oder einfache Lichtbilder (ungestaltete Fotos) angesehen werden.
Eine Nutzung ist nur zulässig, wenn man die dafür erforderlichen Nutzungsrechte erworben hat oder wenn eine der gesetzlichen Schranken des Urheberrechts greift. Schranken des Urheberrechts sind bei Online-Veröffentlichungen insbesondere die tagesaktuelle Berichterstattung (Paragraph 50 UrhG) und das Zitatrecht (Paragraph 51 UrhG). Ob eine dieser Schranken vorliegt, muss man jedes Mal im Einzelfall entscheiden.
Infomedia-sh.de:
Können sie typische Beispiele nennen für die Ausnahmen in der Tagesberichterstattung und insbesondere beim Zitieren?
Christian Füllgraf:
Unter die Berichterstattung über Tagesereignisse können z.B. Berichte über eine Filmpremiere, ein Konzert oder eine Ausstellungseröffnung fallen. Wenn die Aktualität dann später weggefallen ist, müssen auch die Bilder wieder gelöscht werden. Diese Schranke soll eine Berichterstattung über aktuelle Ereignisse erleichtern, wenn eine Rechteklärung aus zeitlichen Gründen nicht möglich ist.
Unter die Berichterstattung über Tagesereignisse können z.B. Berichte über eine Filmpremiere, ein Konzert oder eine Ausstellungseröffnung fallen. Wenn die Aktualität dann später weggefallen ist, müssen auch die Bilder wieder gelöscht werden. Diese Schranke soll eine Berichterstattung über aktuelle Ereignisse erleichtern, wenn eine Rechteklärung aus zeitlichen Gründen nicht möglich ist.
Zitate nach deutschem Recht sind dann zulässig, wenn sie einen bestimmten Zitatzweck (z.B. Nutzung als Beleg, Stützung oder Erörterungsgrundlage für eigene Ausführungen) erfüllen. Ein Zitat darf nicht ohne inhaltliche Auseinandersetzung mit dem zitierten Werk verwendet werden oder nur deshalb benutzt werden, um eigene Ausführungen zu ersetzen oder den eigenen Beitrag „aufzuhübschen“.
Infomedia-sh.de:
Muss man bei Bildveröffentlichung z.B. für eine Filmbesprechung unterscheiden zwischen Pressefotos und Filmstills, die aus DVDs extrahiert werden können?
Christian Füllgraf:
Bei Pressefotos kann der Rechteinhaber bestimmen, für welche Zwecke, für welchen Zeitraum und unter welchen Voraussetzungen die Pressefotos genutzt sowie ob die Fotos bearbeitet werden dürfen. Eine allgemeingültige Definition, welchen Rechteumfang die Benutzung von Pressefotos umfasst, gibt es nicht. Es kommt daher darauf an, welche Nutzungen der Rechteinhaber in jedem Einzelfall zulässt. Ein Beispiel dafür findet sich auf der Website des NABU (www.nabu.de/presse/pressebilder).
Die Rechtseinräumung gilt dabei immer nur so weit, wie sich zweifelsfrei ein zulässiger Zweck ermitteln lässt. Bei Zweifeln über den Zweck verbleiben Nutzungsrechte immer bei dem Urheber bzw. bei dem Rechteinhaber. Daher sollte der Rechteinhaber immer angefragt werden, wenn Zweifel an dem Umfang der Erlaubnis besteht.
Solange Filmstills nicht bereits selbst Urheberrechtsschutz genießen, sind sie als sogenannte „Lichtbilder“ den einfachen Fotografien gleichgestellt und daher ebenfalls geschützt. Inhaber dieses Leistungsschutzrechts ist der Filmhersteller, der dieses Recht aber ggf. auf Verwerter wie Filmverleihe oder -vertriebe übertragen hat.
Infomedia-sh:
Gibt es generelle Anforderungen an den Blogger, die er zu erfüllen hat, um Pressefotos nutzen zu dürfen?
Christian Füllgraf:
Der Begriff „Presse“ ist nicht einheitlich definiert. Nicht jedes Blog ist daher ein „Presse-Erzeugnis“ im eigentlichen Sinne. Ob ein Blog ein „Presse-Erzeugnis“ ist, muss man dann wieder in jedem Einzelfall klären.
Es gibt auch keinen sogenannten „gutgläubigen Erwerb“ von Nutzungsrechten. Der Nutzer eines geschützten Werks trägt immer das Risiko einer Rechtsverletzung. Er ist verpflichtet, sich vor der Nutzung zu vergewissern, ob und in welchem Umfang er das fremde Werk benutzen darf. Daher ist es bei Fotos immer empfehlenswert zu recherchieren, ob das Foto nicht vielleicht doch von einer der großen Bildagenturen wie Getty Images, Corbis etc. stammt. Die Bildagenturen suchen regelmäßig das Internet nach unerlaubt genutzten Fotos ab und verschicken konsequent Abmahnungen an Blogger und andere Nutzer. Im Streitfall muss der Nutzer beweisen, dass er über die erforderlichen Nutzungsrechte verfügte. Zweifel daran gehen – wie schon erwähnt – zu Lasten des Nutzers.
Jeder Urheber hat zudem ein Recht auf Namensnennung. Nach deutschem Recht reicht es, den Fotografen zu nennen. Oftmals wird aber auch noch die Bildagentur genannt, die den Fotografen vertritt. Jede Bearbeitung bedarf der vorherigen Zustimmung des Urhebers bzw. des Rechteinhabers. Eine Bearbeitung wäre dabei z.B. schon das Beschneiden eines Fotos.
Infomedia-sh.de:
Aus eigener Erfahrung können wir sagen, dass uns Bildmaterial oft ohne konkrete Einschränkung zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt wird. Sind dann die Veröffentlichungsrechte unbegrenzt? Was passiert, wenn z.B. nach einer negativen Filmbesprechung der Urheber der Filmstills seine Rechte an der Veröffentlichung geltend macht und die Bilder zurückzieht? Wer ist in der Nachweispflicht, dass die Pressefotos zur Veröffentlichung freigegeben wurden?
Christian Füllgraf:
Wenn das Bildmaterial für eine konkrete Nutzung (z.B. für ein Blog) zur Verfügung gestellt wurde und keine näheren Regelungen über die Nutzungsrechte getroffen wurden, kommt es auf den Zweck der Nutzung an. Die Nutzungsrechte werden dann in dem Umfang übertragen, der für die Erreichung des Zwecks erforderlich ist.
Eine negative Berichterstattung berechtigt danach nicht zu einem Rückruf der Nutzungsrechte. Anders könnte dies jedoch im Fall einer Schmähkritik sein, da diese außerhalb des Zwecks liegen würde. Beweispflichtig für die Nutzungserlaubnis und deren Umfang ist immer der Nutzer der Pressefotos.
Infomedia-sh.de:
Manchmal ist es schwierig, vielleicht sogar unmöglich, den Urheber zu identifizieren bzw. zu kontaktieren. Reicht z.B. eine genaue Quellenangabe, um sich vor dem Vorwurf der Urheberrechtsverletzung zu schützen?
Christian Füllgraf:
Falls der Urheber nicht zu ermitteln ist, sollte man das fremde Werk besser nicht benutzen. Zumindest sollte man sich bei einer Nutzung darüber im Klaren sein, dass der Urheber bzw. Rechteinhaber später immer Beseitigungs-, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geltend machen kann. Hinzu kommt ein Kostenerstattungsanspruch, wenn der Rechteinhaber zur Durchsetzung seiner Ansprüche einen Rechtsanwalt beauftragt hat oder ggf. gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen kann.
Wenn es sich doch um ein Zitat handelt, ist eine Quellenangabe Pflicht (siehe Paragraph 63 UrhG). Nur eine bloße Quellenangabe macht eine rechtswidrige Nutzung eines Fotos aber nicht zu einer rechtmäßigen Nutzung.
Infomedia-sh:
Gibt es ein wissenschaftliches Zitatrecht und ist es für Filmbesprechungen/ -analysen von Relevanz?
Christian Füllgraf:
Paragraph 51 UrhG unterscheidet zwischen dem sog. „Großzitat“ und dem „Kleinzitat“. Bei einem Großzitat darf man dem Wortlaut des Gesetzestextes nach einzelne Werke nach der Veröffentlichung in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufnehmen. Ein „Großzitat“ kommt z.B. bei Gedichten oder bei Bildern vor. Viel häufiger wird es aber darum gehen, ob es sich um ein „Kleinzitat“ handelt. Dafür gelten – etwas verkürzt – folgende Voraussetzungen: Bei dem zitierten Werk muss es sich um ein veröffentlichtes Werk handeln, das unverändert übernommen und mit einer Quellenangabe kenntlich gemacht wird. Das Zitat muss einen bestimmten Zweck erfüllen (z.B. Erläuterung des Inhalts, kritische Auseinandersetzung, Beleg für eigene Ausführungen etc.). Der zulässige Umfang eines Zitats richtet sich dann nach dem Zweck.
Ein Zitat im rechtlichen Sinne muss also immer der geistigen Auseinandersetzung mit dem zitierten Werk dienen. Es muss einen inneren Zusammenhang zwischen dem zitierenden und dem zitierten Werk geben. Unzulässig ist eine Nutzung eines fremden Werks, wenn man sich nur eigene Ausführungen ersparen oder das eigene Werk ausschmücken will.
Infomedia-sh.de:
Wie verhält es sich mit (evtl. selbst abfotografierten) DVD-Covern und Filmplakaten?
Christian Füllgraf:
Christian Füllgraf:
Jede Veröffentlichung einer Fotografie eines (noch) urheberrechtlich geschützten Werkes wie z.B. eines DVD-Covers oder eine Filmplakats stellt zunächst eine Vervielfältigungs- und Verbreitungshandlung dar, die nur mit Zustimmung des Rechteinhabers oder bei Vorliegen einer der urheberrechtlichen Schranken (z.B. Zitat, Berichterstattung über Tagesereignisse etc.) erlaubt ist. Nur dadurch, dass man etwas abfotografiert, kann man nicht den Schutz des ursprünglichen Rechteinhabers umgehen.
Infomedia-sh:
Welche sind aus Ihrer Erfahrung typische Urheberrechtsfälle, die in diesem Feld der Online-Berichterstattung (insbesondere der Kulturberichterstattung) auftreten? Uns scheint es, dass es bezüglich der „privaten“, nicht-kommerziellen Veröffentlichungen eine Menge(unbeabsichtigter) Rechtsverletzungen gibt, die aber frei nach dem Motto „wo kein Kläger, da kein Beklagter“ nicht verfolgt werden. Möglicherweise auch aus dem Grund, dass letztlich diese privaten oder nicht-kommerziellen Veröffentlichung meist doch gutes Marketing für Filme, Serien etc. sind. Oder ist das eine falsche Einschätzung?
Christian Füllgraf:
Sehr häufig wird gegen eine unzulässige Nutzung von Bildmaterial vorgegangen. Als sehr abmahnfreudig gelten insbesondere große Fotoagenturen wie z.B. GettyImages. Auf die Frage, warum Rechteinhaber es oft dulden, wenn ihre geschützten Werke im privaten oder nicht-kommerziellen Kontext genutzt werden, kann und möchte ich keine Antwort geben. Dies wäre rein spekulativ und absolut nicht hilfreich für den Leser.
Auch gibt es in Deutschland keine Präzedenzfälle wie im amerikanischen Rechtssystem. In Deutschland steht die Anwendung des jeweiligen Gesetzes im Vordergrund. Gegebenenfalls existierende Grundsatzentscheidungen des Bundesgerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs dienen dabei als Auslegungshilfe für die gesetzliche Regelung. Ob dann der konkrete Einzelfall von einer Grundsatzentscheidung profitiert, müsste man wieder in jedem Einzelfall entscheiden.
Infomedia-sh:
Christian Füllgraf, wir haben eine Menge dazugelernt und bedanken uns für das kompetente Gespräch.
Weiterführende Bücher und Artikel zum Thema:
- Literaturtipp: „Social Media Marketing und Recht“ von RA Thomas Schwenke
- Zum Inlandsbezug einer Rechtsverletzung
- Zur Berechnung des Schadensersatzes, insbesondere im Wege der Lizenzanalogie: anwalt-im-netz.de/urheberrecht/schadensersatz-urheberrecht.html, www.mediafon.net/meldung_volltext.php3?id=43146fe782e92 (MFM-Liste)
- Entscheidung des Europäischen Gerichtshof vom September 2016 zur Verlinkung auf urheberrechtlich geschützte Werke