18. Filmfest Schleswig-Holstein 2014

Selbstmord als einziger Ausweg

„Killing Seeds“ (Uwe H. Martin, D 2012)

Eine „Feuerbestattung“ unter freiem Himmel. Dunkelrot-orange lodern die Flammen, die Trauergemeinde steht betroffen dabei. Die Film-Inserts informieren. Der Bauer hat einen Kanister Pestzid getrunken. Er hinterlässt seiner Witwe 50.000 Rupien Schulden. Wir befinden uns in Vidarbha, einer Provinz mitten im indischen Baumwollgürtel. Jeden Tag begehen dort durchschnittlich 4 Bauern Selbstmord. Im Begleittext zum Film findet sich die erschütternde Information, dass seit Indiens Beitritt zur Welthandelsorganisation 1995 die Agrarkrise mehr als 270.000 Bauern in den Suizid getrieben haben soll.
„Feuerbestattung“ unter freiem Himmel (aus: „Killing Seeds“, Foto: Uwe H. Martin)
Uwe H. Martins Kurzfilm „Killing Seeds“ ist ein Kapitel aus dem Multimedia-Projekt „White Gold“, in dem sich der Fotograph und Multimedia-Macher in zehn Filmen mit den sozialen und ökologischen Auswirkungen der globalen Baumwollproduktion auseinandersetzt. In etwas mehr als achteinhalb Minuten wird der Film schlaglichtartig das Drama um Bauwollanbau in Indien erzählen, das nach China mit ca. 20 Produzent Marktanteil der zweitgrößte Baumwollproduzent der Welt noch vor den USA ist.
Der US-Konzern Monsanto hat mit einem monopolistischen Verkaufsmodell für sein genetisch verändertes Hybrid-Saatgut die Landbevölkerung Vidarbhas in eine fatale, scheinbar unüberwindbare Schuldenfalle „gelockt“, der sich die restlos überschuldeten Bauern nur noch durch ihren Freitod entziehen glauben zu können. Der Vervielfachung der Produktkosten für Baumwolle steht eine eklatante Reduzierung der Erlöse gegenüber. Statt wie früher billiges Saatgut zu haben, müssen die Bauern jetzt jedes Jahr teure Samen der Gen-Baumwolle kaufen, die entgegen aller Versprechen schädlingsanfälliger ist, mehr Dünger und Wasser braucht. Die schmerzlichen Aspekte einer daraus erwachsenden sozialen Katastrophe werden in diesen Eröffnungskurzfilm des Multimedia-Projektes vor Augen geführt. Das Thema wird drastisch aufgespannt. In den folgenden Kapiteln wird die bedrohliche Entwicklung der Baumwollproduktion für Mensch und Umwelt eine weitergehende Erörterung erfahren.
Uwe H. Martin versucht, sein Thema multimedial umzusetzen, spricht vom „neuen Erzählen“ durch von ihm sogenanntes „Multimedia Storytelling“, setzt auf ein auch journalistisches Format, „das an der Schnittstelle zwischen Fotografie, Radio, Text, Grafik und Dokumentarfilm spielt“. „Killing Seeds“ in „White Gold“ gibt dafür ein Beispiel. Formal kennzeichnend für den Film ist die eindrucksvoll harmonierende Montage von Filmbildern, Fotos und Text. Neben Aussagen der Betroffenen und Informationsinserts, sehen wir authentische Filmbilder einer Katastrophe und plakative Fotos – Martin zeigt seine Qualitäten als Fotograf -, die als besonderes Stilmittel die Situation illustrieren und beleuchten. Martin will in aller Deutlichkeit aufklären. Und das gelingt. (Helmut Schulzeck)
„Killing Seeds“ , Deutschland 2012, 8:42 Min., Farbe. Produktion, Buch, Kamera und Regie: Uwe H. Martin, Schnitt: Uwe H. Martin und Frauke Huber, Musik: Chill Purpose
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