JazzBaltica 2003:

Seicht ins kleine Schwarze

Katja Riemann und ihr Oktett gaben sich weltschmerzend.

Im „kleinen Schwarzen“ tritt sie fast schüchtern auf die Bühne, verletzliches Aschenputtel auf nackten Füßen statt resoluter Jazzlady. Katja Riemann singt im triphoppigen Downbeat, den ihr Oktett schicksalsmelodisch vorträgt, von „Schattenringen“, in denen die Seele teufelskreist. Wittrig sind die Metaphern zwischen Regen und Sonne, Gewitter sind selten, das meiste verharrt in der Seichtheit ambitionierter Weltschmerzlyrik. Von einer „Reise, die vom Nirgendwo ins Nirgendwo geht“, ist die Rede, von jemandem, der „jemand liebt und der heißt niemand“. Das könnte Motto sein für dieses Nirgendwo irgendwo zwischen tempomäßig extrem tiefergelegten Jazz-Standards wie „My funny Valentine“ und einem zeitgeistigen Volltreffer ins kleine Schwarze, das globalisierte Bürger zuweilen drohend über sich aufziehen sehen, die Schönheit des Scheiterns inbegriffen.

Katja Riemann ist angekündigt als die „nicht nur singende Schauspielerin“, aber genau das ist sie, eine singende Schauspielerin. Was mehr ist als zu wenig, denn mit der Stimme gestisch umzugehen, das versteht sie. Sie weiß genau, wo Diven laut werden, wo Bluesdamen in den Hauch verschwinden, nur ist sie beides nicht, sondern erspürt, wie man sie darstellt. Romy Schneider zitiert sie französisch balladesk – eindeutig eine Liga zu hoch gezielt. Gleichwohl ist ihr Auftritt mehr als übliches Gepose. Dass echtes Bedürfnis dahinter steckt, adelt sie ebenso wie ein einfühlsames Oktett aus Hoffnungsträgern der jungen Jazzszene, das ihr den roten Teppich ausrollt, der der Filmfrau Riemann zu schmal, der Jazzsängerin aber um einiges zu breit ist – noch … (jm)

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