Einen modernen Blick auf die historische Person Thomas Mann liefert André Schäfers „Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann“. Der Film zeichnet dokumentarisch die komplexe Beziehung zwischen Thomas Mann und der von ihm geschaffenen Figur Felix Krull nach, die den Autor mehr als fünfzig Jahre beschäftigt hat. Alle handlungsführenden Akteure – mit Ausnahme des Malers Friedel Anderson – werden von Sebastian Schneider verkörpert, der hier eine herausragende Performanz abliefert. Zusätzlich kommt Archivmaterial zum Einsatz, in dem sowohl Thomas Mann und seine Familie als auch bedeutende Personen der Zeitgeschichte in den historischen Kontext einbezogen werden.
Thomas Manns Tagebuchaufzeichnungen dienten dem Werk als Orientierung für den Handlungsverlauf. Den bekannten und bedeutenden Autor dabei von Beginn an als eine Person zu inszenieren, die offen zu ihrer nicht heteronormen Sexualität steht, ist mutig. Über den Verlauf des Films wird jedoch deutlich, warum dies geschieht. Selbst Menschen, die den Film ohne viel Hintergrundwissen ansehen, werden verstehen, wie diese Inszenierung eine visuelle Externalisierung der inneren Zerrissenheit von Thomas Mann abbildet. „Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann“ ist auch deswegen ein überaus relevantes Werk. Ferner wird jedoch auch die Reflexion eigener Bedürfnisse und Wünsche des Autors in seinem Werk zum Thema, was das Publikum tief in Thomas Manns Gedankenwelt eintauchen lässt. Die Kostüme von Sebastian Schneider in einer Vielzahl von Charakteren reichen von schillernd bis exzentrisch, wirken dabei jedoch nicht störend, sondern vielmehr harmonisch.
„Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann“ feierte seine Weltpremiere vor ausverkauftem Haus am Eröffnungsabend der 66. Nordischen Filmtage in Lübeck. Das Publikum war begeistert und so brachen bereits während des Abspanns erste Jubelstürme los, die sich minutenlang ausweiteten, als Regisseur André Schäfers, Sebastian Schneider und viele weitere Mitwirkende an dem Werk die Bühne betraten. Das Publikum in Lübeck liebt diesen Film über ihren Ehrenbürger.
Handwerklich und inszenatorisch ist „Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann“ ein Hochgenuss. Die Formung des Werkes dürfte den Autor auch für eine jüngere Generation interessant machen. Besonders die queeren Kontexte seiner Werke laden zu einer ausgiebigen Reflexion ein und hinterlassen einen starken Nachhall. Ein ganz besonderes Lob soll Sebastian Schneider ausgesprochen werden, der diesen Film trägt und in seiner Performanz eine emotionale und empathische Authentizität vermittelt, die ansteckt. (Thomas Heuer)
Trailer
Filmografische Daten
„Bekenntnisse des Hochstaplers Thomas Mann“
D 2024, 90 Minuten
Regie: André Schäfer
Drehbuch: Jascha Hannover, Hartmut Kasper
Besetzung: Sebastian Schneider, Friedel Anderson, Nils Rovira-Munoz
Produzent: André Schäfer
Verleih: Mindjazz Pictures
Kinostart: 7. November 2024