Am 7. September 2024 fand die Premiere von „Personal Reset“ im ausverkauften Kino in der Pumpe in Kiel statt. Über mehr als zwei Jahre hat die Kieler Filmgruppe Blueberry an ihrem ersten abendfüllenden Spielfilm gearbeitet.
Synopsis
Nachdem Liv bei einem Autounfall ihr Gedächtnis verloren hat, unterstützt sie das medizinische Team der Firma VaughnTec dabei, dieses wiederherzustellen. Konfrontiert mit einer Welt, die ihr fremd geworden ist, und den Entscheidungen ihrer Vergangenheit muss Liv sich die Frage stellen, wie sie mit dieser zweiten Chance umgehen soll. Doch die Zeit rennt, denn nicht nur sie ist an der Wiederherstellung ihrer Erinnerungen interessiert. (Quelle: Blueberry Media)
Die Premiere und Sci-Fi als No-Budget-Produktion
Während des Produktionsprozess sah sich das Team mit vielen Herausforderungen konfrontiert, von ausfallenden Darsteller*innen bis hin zu kurzfristigen Störungen im Betriebsablauf. Die wohl größte Herausforderung war allerdings, einen Science-Fiction-Film ohne nennenswertes Budget zu realisieren. Dabei ist das Team äußerst kreativ vorgegangen. Die Ausstattung sorgt subtil für eine bedrohliche Grundstimmung, beispielsweise durch das Fehlen von Fenstern in dem Raum, in dem Liv erwacht, was ebenso merkwürdig erscheint, wie ein großer Wandspiegel. Durch diese Elemente wirkt die scheinbar häusliche Umgebung fremdartig. Verstärkt wird dieser Effekt durch die Kameraarbeit, da die gewählte Perspektive einen Blick durch den Spiegel hindurch in Livs privaten Bereich offenbart. Diese voyeuristische Situation verursacht Unbehagen. Die Kleidung der Figuren wirkt durch ihre Verzierungen und weitere Details so, als ob diese nicht in unsere Zeit passt. und trägt dadurch zu dem Gefühl bei, einer Geschichte in einer nicht allzu weit entfernten Zukunft beizuwohnen. In puncto Ausstattung und Kostüme liegt folglich eine der großen Stärken von „Personal Reset“. Gleiches gilt auch für den von Martin Platte komponierten Soundtrack. Die größte Stärke ist allerdings das Drehbuch – das hier nicht gespoilt werden soll – und dabei besonders die Form, in der sich die Geschichte nach und nach entfaltet.
Das Premierenpublikum reagierte begeistert auf den Film und durfte – anschließend an mehrminütige Ovationen – einem von Eckard Pabst moderierten Q&A mit Filmcrew und Hauptdarsteller*innen beiwohnen. Für Kritik blieb in dieser Stimmung wenig Raum und jede*r Filmschaffende weiß, diese Momente geben viel Kraft und Bestätigung dafür, weiterzumachen. Gemessen an den Produktionsbedingungen und der Komplexität des Projektes muss man einfach den Hut vor der Filmgruppe Blueberry ziehen und auch vor „Personal Reset“ als Langfilm mit einer wichtigen Botschaft.
Kritik und Qualität (enthält Spoiler)
Es gibt aber auch einige Probleme, die vornehmlich auf den Produktionsprozess ohne nennenswertes Budget (900 € Crowdfunding über Startnext) und die Zersplitterung des Drehs über einen langen Zeitraum zurückzuführen sein dürften – oder kurz gesagt darauf, dass der Film von Enthusiast*innen mit viel Herzblut realisiert wurde und keine finanziell motivierte Produktion gewesen ist. Daher: Bei allem, was im nächsten Absatz folgt, muss bedacht werden, dass der Film überwiegend von Menschen gemacht wurde, die nicht professionell in diesem Bereich tätig sind. Ferner soll darauf hingewiesen werden, dass der nachfolgende Text Spoiler enthält, die den Filmgenuss deutlich einschränken können.
Dem Cast ist anzumerken, dass dieser sich mit den Figuren intensiv beschäftigt hat und dass die Darsteller*innen ihre Rollen versuchen glaubhaft und empathisch authentisch zu repräsentieren, doch leider wirken einige der Dialoge aufgesetzt oder in manchen Momenten trotz gezeigter Nähe distanziert. Vielleicht ist das gewollt, es wirkt zeitweise leider nicht so. Möglicherweise liegt dies auch an der stark schwankenden Qualität der Sprachaufnahmen, die passagenweise deutlich in der Lautstärke schwanken. Trotz dieser kleinen Probleme wirken die drei Hauptfiguren authentisch und wie glaubwürdige Charaktere mit einer eigenen Agenda in einer Geschichte, die sich glaubwürdig wendungsreich entwickelt. Wie Ilay Weyers die unterschiedlichen Persönlichkeitsphasen von Kind über Teenager, junge Erwachsene bis hin zu ihrem alten Ich durchläuft ist beeindruckend. Die Darstellerin performt hierbei quasi in vier unterschiedlichen Charakterformen ihrer Rolle – die in Rückblenden auch von anderen Personen verkörpert werden – und überzeugt hierbei. Das Drehbuch läuft dabei auf ein ethisch-moralisches Dilemma zu, bei dem Liv sich zwischen persönlicher Integrität oder angstmotiviertem Kapitalismus entscheiden muss. Letzteres bedeutet ein Leben in ständiger Angst oder auf einen Deal einzugehen, der gegen die eigene ethische Überzeugung verstößt. Im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Charakterentwicklungen ist das Ende des Werkes besonders gelungen. Dabei ist das Thema des Films in gewisser Weise eine Spielart davon, was geschehen kann, wenn die Menschheit den Tod überwinden kann.
Fazit
Das Drehbuch von „Personal Reset“ besitzt großes Potenzial. Wenn der Film als eine Art Demo für Marketing bei Filmproduktionsfirmen Verwendung findet oder es auf das ein oder andere Filmfestival schafft, könnte es in einigen Jahren ein Remake des Werkes geben – ein solches dann hoffentlich mit dem Budget, welches das Drehbuch verdient hätte, aber hoffentlich ohne tiefgreifende kommerziell motivierte Eingriffe, insbesondere, was das Ende anbelangt. So oder so wird es interessant zu verfolgen, was aus Blueberry noch werden wird. (Thomas Heuer)
Trailer
Filmografische Daten
„Personal Reset“
D 2024, 81 Minuten
Regie: Nele Riepshoff, Hannes Ströh
Regieassistenz: Annika Detering, Martin Platte
Drehbuch: Hannes Ströh, Benedict Mende, Ilay Weyers
Kamera: Samuel Pörksen
Musik: Martin Platte
Besetzung: Ilay Weyers, Michelle Grube, Hannes Ströh, Ceyda Fici, Jannika Richter, Jannika Richter, Marie Hoppe, Thies John, Hanno Granke, S. T. Kühl, Robert Karcher, Joshua Peters, Anton Schütze, Cornelia Ströh, Volker Ströh
Produzent: Benedict Mende
Verleih: Kontakt: info@blueberry-kiel.de
Filmstills: Samuel Pörksen
Plakat: Blueberry GbR