Nordische Filmtage Lübeck: Premiere für Martina Flucks und Tim Eckhorsts Film „Hugo Hercules & the Wild West“

von Ruth Bender (KN)

„Just as easy“: Mit diesem selbstbewussten Wahlspruch stemmte Hugo Hercules Elefanten, rang mit Bären oder liftete, ganz der Lebenshelfer, einen verliebten Mann samt Auto zum Fensterln der Liebsten entgegen. „Einfach so“ eben.

Ein knappes halbes Jahr lang unterhielt die Comic-Figur mit dem Ringerkörper von September 1902 bis Februar 1903 das Publikum der Sonntagszeitung „Chicago Sunday Tribune“. Quasi der erste Superheld des amerikanischen Comics. Mit Wurzeln in Dithmarschen. Von dort, aus dem Dörfchen Lunden bei Tönning, stammt der Erfinder und Zeichner von Hugo Hercules, Wilhelm Heinrich Detlev Körner (1878-1938).

„Hugo Hercules“ wurde zu einem Vorläufer von Batman (Foto: YUCCA FIlmproduktion)

Keine Frage für Filmemacherin Martina Fluck, selbst aus Heide, dass der Zeichner einen Film wert war, als ihr Tim Eckhorst davon erzählte. Der Comic-Zeichner aus Kiel, in Dithmarschen groß geworden, begeisterte sich für den genauen Strich Körners.

Außerdem hatten Fluck und Eckhorst gemeinsam schon im Film „Katzenjammer Kauderwelsch“ (2020) die Geschichte der aus Heide ausgewanderten Comic-Pioniere Rudolph und Gus Dirks erkundet. Jetzt stellten sie mit ihrem Film „Hugo Hercules & The Wild West“ bei den Nordischen Filmtagen in Lübeck einen weiteren Dithmarscher Auswanderer und Zeichner vor. Wie der Vorgänger eine ganz persönlich assoziative Annäherung, in der sich dokumentarisches Material, Reisebilder, Interviews und die rasanten Zeichnungen von Tim Eckhorst mischen.

„Am Anfang kannten wir von Körner nur die Hugo-Hercules-Episode“, sagt Fluck. „Aber bei der weiteren Recherche habe ich eine ganz andere Geschichte entdeckt. Richtig bekannt geworden ist Körner ja mit seinen Westernbildern.“ Ein Aspekt, der sich erst auf der Reise auf Körners Spuren von Chicago bis in den Mittleren Westen so richtig entfaltete.

„Körner und die Dirks sind die gleiche Generation“, so Fluck. „Sie nahmen aber ganz unterschiedliche Wege.“ Während die Heider als junge Erwachsene in Manhattan landeten, kam Körner schon mit drei Jahren mit der Familie in die USA. Allerdings nicht in das quirlige New York, sondern nach Clinton, Iowa, wo die halbe Stadt heute noch Schmitt, Hansen, Jensen oder – wie der örtliche Klempner – Voss heißen.

„Dort sind so viele Schleswig-Holsteiner wie sonst nirgends gelandet“, sagt der Stadthistoriker in Clinton. Und vermutlich hatten die Körners am Mississippi, wo sich das flache Land in endlose Felder weitet, einen ähnlich endlosen Blick wie in der Nordseemarsch, mutmaßt Tim Eckhorst. Er ist im Film als Flucks Medium unterwegs. Mit Skizzenblock, Tuschestift und wacher Neugier einer, der in den Gesprächen vor Ort jedes neue Detail begierig aufsaugt, darin seine eigene Geschichte findet. Und die von Körner spiegelt.

In der Spurensuche zwischen Lunden, Clinton und dem Buffallo Bill Center in Wyoming, erweist sich die Hugo-Hercules-Reihe nur als kurze Episode in Körners Schaffen, das sich bald dem Siedleralltag im Wilden Westen zuwandte. Er illustrierte koloniale Westernromane mit Szenen von Trecks, Pionieren, Cowboys – darunter auch den Klassiker „Unsere kleine Farm“ („Little House on the Prairie“). Mal idyllisch, mal heroisch, und in ihrem konsequenten Realismus sehr lebendig.

Körner tauchte ab in den amerikanischen Mythos, reiste zum Malen immer wieder nach Wyoming und hortete in seinem Studio Hüte, Sättel und Requisiten der Ureinwohner. So wurde der Junge von der Nordsee prägend als „Dokumentar des amerikanischen Westens“ und bis heute populärer „Prärie-Maler“. US-Präsident George W. Bush gehörte ebenso zu seinen Fans wie Western-Star John Wayne.

„Superheld und Wildwest“, sagt Martina Fluck, immer noch staunend. „Das ist wirklich verrückt, dass ein Dithmarscher Auswanderer gleich zwei uramerikanische Themen prägt.“ Eine „Heldengeschichte“ wollte sie im Film aber nicht abfahren, sondern den Maler in einen heutigen Kontext bringen. Und Olli, bekennender Crow und Ureinwohner, kann die europäische Diskussion über kulturelle Aneignung belächeln, Körners präzisen Blick auf das Leben seiner Leute schätzen – und trotzdem Distanz halten zu dem kolonialen Blick.

(Quelle: Kieler Nachrichten vom 03.11.2023, Seite 18, mit freundlicher Genehmigung der Autorin)

 

Titelfoto: Ein „Prärie-Maler“ aus Dithmarschen: Wilhelm Heinrich Detlev Körner in seinem mit Entwürfen, Bildern und Wildwest-Devotionalien gut ausgestatteten Atelier. (Foto: YUCCA FIlmproduktion)
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