Einst galt die (Pfeifen-)Orgel ob ihres unerschöpflichen Klangreichtums als „Königin der Instrumente“. Ein weiterer „König“ ist gewiss der modulare Synthesizer, den Robert Moog in den späten 1960er Jahren entwickelte. Der hatte noch Schrankgröße, seine diversen Oszillatoren und Filter musste man mit einem Spaghetti-Gewirr aus Kabeln verbinden. Mit dem Minimoog legte „Bob“ Moog 1970 den ersten tragbaren Synthesizer vor und schuf damit eine Klanglegende. Mit dem Minimoog, der auch live verwendbar war, revolutionierten Bands wie Sun Ra oder Pink Floyd den avantgardistischen Pop, Rock und Jazz. In der elektronischen Kunstmusik fand das neue Instrument aber zunächst weniger Beachtung. Gut 50 Jahre nach dem Erscheinen des Synthesizers, der als Klang-Referenz für alle folgenden analogen und auch digitalen Synthesizer gelten kann, ist „The Minimoog Project“ des Neue-Musik-Komponisten Sebastian Berweck eine Hommage an und eine Wiedererweckung des legendären elektronischen Klangerzeugers. Berweck hat für sein Projekt zeitgenössische Komponist*innen angeregt, für den Minimoog zu komponieren. Das Ergebnis performte er – als spielfreudiger Maestro an den Knöpfen – im Rahmen des Frequenz_ Festivals im Kieler KulturForum.

Maestro an den Knöpfen: Sebastian Berweck präsentierte beim Frequenz_ Festival sein Minimoog Project (Foto: Jörg Meyer)

 

Das Konzert eröffnet mit Svetlana Maraš’ „Scherzo per oscillatori“. Sie setzt ganz auf den Klang von Geräuschartigem, das an perlendes Wasser in einem Wildbach wie an Vogelzwitschern erinnert. Doch das Klang-Idyll hält nicht lang, wenn metallene Industrial-Geräusche grollend hereinbrechen. Knacken und Beben folgen, wenn die als „Handlungsanweisung“ für den Dreher an den Knöpfen der Filter notierte Partitur die Oszillatoren in chaotische Wechselwirkungen bringt. Der Minimoog „exaltiert“, wenn man seine klanglichen Grenzbereiche auslotet, wenn sich die Klangereignisse überschlagen. Wie oft in Neuer Musik sind es die Grenzbereiche, wo es besonders interessant, wo der Klang unbändig, eigensinnig wird.

Ausschnitt aus Svetlana Maraš: „Scherzo per oscillatori“, performt von Sebastian Berweck (Video: Jörg Meyer)

 

Humorvoller, verspielter lässt es Annesley Black schon vom Titel her in „Hurry up the machine, I have struck a big bonanza“ angehen: Ein Jahrmarktspanoptikum clownesker Klänge, wozu ein Zuhörer ruft: „Komisch, mein Tinnitus ist weg!“ Kein Wunder, denn Sinus-Oszillatoren in Schwebung haben durch das Organische des Klangs etwas ungemein das Hören Beschwichtigendes. Und doch dies koboldhafte Spiel mit Klängen, die wir von funny Videospielen kennen. Und fast wie an einem halben Dutzend Joysticks wirkt auch Sebastian Berweck, wenn er uns all das aus den Drehknöpfen jongliert.

Folgt ein Fabelwesen: „Wolpertinger“ betitelt Georgia Koumará ihre Komposition für den Minimoog, der eigentlich monophon ist, hier aber per ergänzender Elektronik mehrstimmig in Akkorde münden kann. Viele Glissandi, dann aber auch mal ein virtuoser Lauf, wie wir ihn vom Klavier kennen, geben dem Tierchen, dessen Atem an- und abschwillt, die Sporen.

Misha Cvijović umschreibt in „Iktsuarpok“ für Minimoog und Tape klanglich ein Gefühl, das die Inuit als „Iktsuarpok“ bezeichnen: ungeduldiges Warten auf die Ankunft eines Erwarteten. Der Komponist fügt dem monophonen, von Sebastian Berweck gespielten Minimoog drei weitere Stimmen aus dem Computer hinzu, ebenfalls vom Minimoog eingespielt. Schwebungen entstehen, ein (Mit-)Schwingen, sich kreuzende Bewegungen durch alle Oktaven. Eine Verwilderung, Dramatisierung des Klangs, der am Ende in die atmende Ruhe des Anfangs zurückführt. Eben kein vergebliches Warten … (jm)

Links (JSB on Moog):

Eine Pionierin der Verbindung von Klassischer und Elektronischer Musik ist Walter/Wendy Carlos mit ihrem Album „Switched On Bach“ von 1968, auf dem sie Stücke von Johann Sebastian Bach elektronisch auf dem Moog Synthesizer realisierte. Hier dazu einige Links:

 

Titelfoto: Legendärer Synthesizer: der Minimoog im Original (rechts) und als Weiterentwicklung (Foto: Jörg Meyer)

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