Zur Gründung der MSH in den Filmbriefen der Kulturellen Filmförderung Schleswig-Holstein Nr. 14, 16, 17, 22

Unsere Retro-Reihe über die Filmbriefe der Kulturellen Filmförderung Schleswig-Holstein beschäftigt sich dieses Mal mit der langwierigen Gründungsphase der „Gesellschaft zur Förderung audiovisueller Werke in Schleswig-Holstein – MSH“, meist nur kurz „MSH“ genannt, was für „Medienstiftung Schleswig-Holstein“ steht. Das Ringen um diese Förderungsinstitution, das die Mediendiskussion in Schleswig-Holstein zu Beginn der 1990er Jahre kurz nach dem Start der Kulturellen Filmförderung eineinhalb Jahre bestimmte, fand natürlich auch seinen Niederschlag in einer Anzahl von Artikeln in den verschiedenen Filmbrief-Ausgaben.

Deshalb erscheint es hier angebracht, auf die diesbezüglichen Ausgaben des Filmbriefs zu verweisen, die entsprechenden Artikel herauszugreifen, sie zu dokumentieren und zu erläutern, um so den gesamten Vorgang im Zusammenhang darstellen zu können. Natürlich werden die einzelnen Filmbriefe noch in Gänze in den späteren Folgen dokumentiert und besprochen.

Was sich Anfang der 1990er Jahre in Schleswig-Holstein zur Möglichkeit einer hiesigen wirtschaftlichen Filmförderung hätte entwickeln können, entpuppte sich mehr oder weniger als Selbstbedienungsladen des NDR. Mit der Novellierung des Landesrundfunkgesetzes bestand die Chance, neben der Kulturellen Filmförderung Schleswig-Holstein eine zweite regionale Förderinstitution zu installieren, die den Aufbau einer unabhängigen Filmwirtschaft im Kleinen strukturell hätte unterstützen können.

Doch neben dem NDR hatte auch die Kieler Staatskanzlei wohl einen anderen Plan. Unter dem Konstrukt einer gemeinnützigen Medienstiftung wurde eine zu großen Teilen NDR-gefällige Förderung etabliert. Materielle Basis für alle Finanzierungen und Verteilungsvorhaben dieser Stiftung war die 2-prozentige Abgabe aus den Rundfunkgebühren an die Aufsichts- und Genehmigungsbehörde der privaten Rundfunkveranstalter im Lande, die Unabhängige Landesanstalt für Rundfunk und neue Medien (ULR).

Diese Abgabe wird „ab 1992 nicht mehr im vollen Umfang benötigt (…). Denn mit der Erhöhung der Radio- und Fernsehgebühren steigt der ULR-Anteil auf ca. 6 Millionen DM, und finanzielle Hilfen der ULR an die ‚Privaten’ (vornehmlich RSH) zur Verbesserung ihrer terrestrischen Sendemöglichkeiten sind nicht mehr von Nöten.“

Der NDR war natürlich der Meinung, dass diese 20 Prozent der ULR-Abgabe ihm zustünden, denn sie stammten ja ursprünglich aus der monatlichen Rundfunkabgabe der Zuschauer und Zuhörer des NDR. Doch so einfach wollten Politik und ULR die Sache nicht regeln. Denn es bestand die Chance, etwas für die Aufbau einer freien, wenn auch überschaubaren regionalen Filmwirtschaft zu tun, ohne dass man dafür auf Steuermittel des Landes hätte zurückgreifen müssen. Freilich hätte dieses Unterfangen von Anfang an auf wackeligen Beinen gestanden, hätte man sich nicht mit dem NDR auf einen Kompromiss geeinigt. Denn der Sender hätte sein Anrecht auf das Geld gerichtlich einklagen können – mit ungewissem Ausgang.

Ironischerweise konterkarierte der Kompromiss die ursprüngliche Absicht, die Infrastruktur für eine eigenständige Film- und Medienlandschaft zu befördern. Die Einigung, die letztlich weitgehende Zugeständnisse dem NDR gegenüber beinhaltete, schlug sich in der Novellierung des Landesrundfunkgesetzes vom 12.12.1991 nieder. Demnach wurden vorweg „zukünftig 20 Prozent d(ies)er ULR-Abgabe (…) abgezweigt (und nachträglich nicht in Anspruch genommene Mittel der ULR). Diese Gelder wurden gemäß des Rundfunkstaatsvertrags dem NDR zugeführt. Weiter heißt es im §58 Abs. 2:

‚Er verwendet sie im Rahmen seiner Aufgaben ausschließlich zur Förderungen von Auftrags- und Koproduktionen in den Bereichen Film, Fernsehen und Hörfunk, die von schleswig-holsteinischen Produzenten und von anderen Produzenten in Schleswig-Holstein durchgeführt werden. Zu diesem Zweck gründet er eine Förderungseinrichtung privaten Rechts, an der sich die ULR mit eigenen finanziellen Mitteln aus der Rundfunkabgabe beteiligt.’“
Vorgesehen war die Gründung einer so genannten „Medienstiftung“ – in Form einer gemeinnützigen GmbH fürs 1. Quartal 1992.

Sämtliche Beratungen zu dieser „wirtschaftlichen“ Filmförderung waren bis dato trotz mehrfacher Bitten um Gehör und Beteiligung an der Kulturellen Filmförderung SH vorbei gelaufen. Schon im Vorfeld der Gesetzesverabschiedung hatte diese unter der Überschrift „Nicht den Bock zum Gärtner machen“ vor einer „falschen Weichenstellung in der Medienpolitik“ gewarnt.

Das Geld würde dem NDR ohne ausreichende Zweckbestimmung zufließen. Es sei nicht gesichert, dass das Geld im Lande bliebe und zu Entwicklung einer eigenständigen Film- und Medienlandschaft beitrüge. Schon bis dahin sei das Land zumeist von auswärtigen Produktionen nur als Kulisse genutzt worden, ohne dass hiesige Filme mit kultureller Identität zum Zug gekommen wären. Diese und andere Einwände und Bedenken wandten sich gegen die im Raum stehende Absicht, „dem NDR (…) die alleinige Entscheidungskompetenz über die regionale Medienförderung zu übertragen“.

Die Befürchtung der Kulturellen Filmförderung SH, deren jährliches Förderbudget mit 300.000 DM im Vergleich zu dem der MSH wesentlich geringer ausfiel, waren nicht unbegründet. Im bis dahin vorliegenden Geschäftsentwurf für die zu gründende Stiftung fiel auf, dass die Geschäftsführung das Sagen haben sollte und dem geplanten Beirat eher eine Alibifunktion zukam. Dementsprechend sahen die Lösungen für folgende essentielle Fragen aus:

  1. Wer bestellt die Geschäftsführung? Welche Rechte und Kompetenzen hat sie?
  2. Wer sitzt im vorgeschlagenen Beirat und welche Entscheidungsbefugnisse hat er?
  3. Was sagen die Förderrichtlinien? Was kann wie, mit wie viel Geld gefördert werden?

[„Die vom NDR vorgeschlagenen Lösungen bzw. Antworten auf diese Fragen finden sich im als PDF beigefügten Artikel „Neue Medienstiftung in Schleswig-Holstein: Wer sitzt in der ersten Reihe?“, Filmbrief Nr. 14 Dez. 1991, Seite 1-2, wie auch alle bisherigen Zitate, sowie auch weitere Kritikpunkte und Einwände gegen eine MSH in der beabsichtigten und letztlich auch durchgesetzten Ausgestaltung.]

Die Diskussionen um die zu gründende Medienstiftung zogen sich letztlich doch wesentlich länger hin als es sich die Staatskanzlei in Kiel erhofft hatte. Die ULR neigte eher den Gedanken einer tatsächlichern Reginalförderung zu. Die Verhandlungen zwischen NDR und ULR verliefen allem Vernehmen nach doch recht zäh. „Nachdem man bei den ersten Entwürfen zu Gesellschaftsvertrag und Förderbestimmungen eher schlecht als recht aus den gültigen Texten der Filmstiftung Nordrhein-Westfalen abgeschrieben hatte, wie nicht nur kundige Polemiker meinen, darf nun dennoch auf eine für Land und FilmemacherInnen dienliche Ausgestaltung der Bestimmungen gehofft werden. Die Kulturelle Filmförderung SH soll nun endlich von der ULR als sachdienliche Beraterin hinzugezogen werden.“ [Filmbrief Nr. 16, April 1992, Seite 1-2, „Eine schwierige Geburt: Die Medienstiftung“]

Die Sache zog sich weiter hin. Meinungen und Spekulationen füllten das Sommerloch. [siehe Filmbrief Nr. 17, Juni 1992, Seite 1-2, „Neues von der Medienstiftung“] Im April 1993 wurde schließlich vermeldet: „Die schleswig-holsteinische Medienstiftung soll endlich aus der Taufe gehoben werden. [Filmbrief Nr. 22 , April 1993, Seite 3-4, „Medienstiftung Schleswig-Holstein: Fernsehförderung statt wirtschaftlicher Filmförderung?]

Zu den Verhandlungen im Dezember 1991 hatte es im Filmbrief Nr. 14 noch zuversichtlich geklungen „Höchste Zeit (…), dass endlich die „Kulturelle Filmförderung“ von den Vertragspartnern NDR und ULR eingeladen wird, an den Beratungen zur Stiftung teilzunehmen, um ihre Kompetenz und ihren Sachverstand mit einzubringen. Denn eins scheint jedenfalls klar: Als Feigenblatt für eine unausgegorene wirtschaftliche Filmförderung, bei der einzig der NDR in der ersten Reihe säße, wird sich der Verein nicht hergeben.“

16 Monate später musste derselbe Autor doch feststellen, dass unbedingter Anlass zur Freude nicht gegeben war. NDR und ULR schienen „tatsächlich das ursprüngliche Ziel der Stiftung aus den Augen verloren zu haben.“ [Filmbrief Nr. 22] Alles sah jetzt eher nach einer Fernsehförderung aus – und war es auch – als nach regionaler Entwicklungshilfe für den Film.

Was bleibt, ist ein Lehrstück von öffentlicher Medienpolitik, das zeigt, wer hier am längeren Hebbel sitzt. Denn, „was die hiesigen Filmschaffenden wünsch(t)en, ist eine Sache, was jedoch der NDR (unter tatkräftiger Mitwirkung der Staatskanzlei?) auch gegen die ULR durchgesetzt hat, eine andere.“ [Filmbrief Nr. 14] Jedenfalls ist eine regional-wirtschaftliche Förderung ausgerichtet auf hiesige Belange auf der Strecke geblieben.

Dass es unter diesen engen Bedingungen schließlich dennoch zu einer in Teilen relativ ausgewogenen, liberalen Förderpraxis kam, lag an der Kompetenz der beiden ersten Geschäftsführer der MSH, Andrea Kunsemüller und Roland Schmidt, sowie an Verhandlungstüchtigkeit und Kompromissfähigkeit des Beirats. Doch das ist ein geringer Trost, wenn man bedenkt, was eine echte regionale wirtschaftliche Filmförderung hätte bewirken können, und steht auf einem anderen Blatt.

Am 1. März 2007 fusionierte die MSH mit der Kulturellen Filmförderung Schleswig-Holstein und der Hamburger Filmförderung zur Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein (FFHSH) und die Unabhängige Landesanstalt für Rundfunk und neue Medien (ULR) mit der Hamburgischen Anstalt für neue Medien (HAM) zur Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA HSH).

Foto: Logo der MSH (2004)
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