Kreativ in der Krise

19 Kurzfilme im Finale des Wettbewerbs „Nur 48 Stunden“

Die Corona-Krise hat manches zum Erliegen gebracht, die Kreativität schleswig-holsteinischer Filmschaffender hingegen hat sie beflügelt. In der 14. Ausgabe des vom Studentenwerk, Landesverband Jugend & Film und dem Offenen Kanal ausgerichteten Kurzfilmwettbewerbs „Nur 48 Stunden“ gab es mit 46 am Drehwochenende Anfang Mai fertiggestellten Filmen die höchste Beteiligung seit Bestehen des Wettbewerbs. 19 Filme schafften es ins Finale, das am 20.5. nicht wie sonst üblich im Metro-Kino gezeigt wurde, sondern als Live-Stream mit Videokonferenz.
Die Beschränkung der Mittel, hier vor allem das Abstandsgebot und dass nur Zweierteams am jeweiligen Drehort anwesend sein durften, erwies sich als ausgesprochener Motor für die Kreativität. Viele Filme beschäftigten sich auch thematisch mit Corona, das geradezu als Lupe auf ohnehin „virulente“ Probleme wirkte: Einsamkeit, Vereinzelung und Reduktion menschlicher Kontakte auf mediale, die von Künstlicher Intelligenz, Cyber-Dating oder digitalen Traumwelten bestimmt sind.
In „Vance World“ vom Kieler „Dream-Team“ Oliver Ott und Torben Sachert werden die Produktionsbedingungen, wenn nicht sogar das Hollywood-Action-Kino an sich persifliert. Ein Filmemacher möchte „was mit Liebe und mit dem Segelboot in den Sonnenuntergang fahren“ machen. Digital verselbstständigtes Ergebnis ist allerdings keine Romanze, sondern ein Miami-Vice-mäßiger Krimi mit Verfolgungsjagd und martialischen Avataren in Hochglanz-3D. Die Fachjury (Martina Harand, FH Kiel, Tom Keller, Schauspieler, Till Dietsche, Cinemare Festival) verlieh dafür den 3. Platz des Jürgen-Prediger-Filmpreises.
Action-Held am Schnittplatz: Torben Sachert in „Vance World“ (Filmstill: Olli Ott)
Den 2. Preis und auch eine Hälfte des per E-Voting ermittelten Publikumspreises (gleichauf mit „Der einsame Segler“ von Jannis Lippisch) gewann Björn Möller mit einem Film, der sowohl zum 75. Jahrestag des Kriegsendes als auch zur aktuellen Situation von Geflüchteten passt. Der Titel „487513“ bezieht sich auf die Nummer eines KZ-Häftlings, der im April 1945 auf einem der Todesmärsche durch Neumünster getrieben wurde und dem die Flucht gelingt. Seine Verzweiflung und Angst im Versteck immaginiert der Film in ebenso berührenden wie bedrückenden Bildern.
Auf der Flucht vor den SS-Schergen: Häftling „487513“ (Filmstill: Björn Möller)
Ebenfalls Gewinner des Publikumspreises: „Der einsame Segler“ (Filmstill: Jannis Lippisch)
Bedrückend, zuweilen sogar der reine Horror ist auch das Setting im Siegerfilm „Schachmatt“ (Youtube) von Thies John und Carola Bornschein. John macht die Not zur Tugend und filmt sich selbst im One-Take als letzten Überlebenden in einem Corona-Bunker. Seine tote Freundin taucht als niesender Zombie wieder auf und infiziert auch ihn … Eine nicht humorlose Parabel auf Prepper und Verschwörungstheoretiker im Lockdown.
Selfie des letzten Überlebenden, seit 16 Monaten im Corona-Bunker: Thies John und Carola Bornschein gewannen mit „Schachmatt“ den 1. Preis (Filmstill: Thies John)
Nachwuchspreis für „Polaroid“ (Filmstill: Maria Guk)
Weiterhin verlieh die Jury den Nachwuchspreis für „Polaroid“ von Maria Guk und Magdalena Treumann und eine lobende Erwähnung an „Shake, rattle and roll“ von Jannik Schröder. Alle 46 Filme und die Preisverleihung sind am 6. Juni, 18.15 Uhr im Offenen Kanal zu sehen und schon ab dem 22.5. in der Mediathek des OKK. (jm)
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