„Regina Blues“ bei der Kieler Woche der Kinos

Im Rahmen der Kieler Woche der Kinos (8. – 15.10.2017) läuft am So, 8.10.2017, 17 Uhr im Kieler Metro-Kino im Schloßhof in der Rubrik „Kiel- und Kinohistorisches“ erneut Helmut Schulzecks Doku „Regina Blues – Der Kampf um ein Kino“.
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Anlässlich der Wiederaufführung des Dokumentarfilms „Regina Blues – Der Kampf um ein Kino“ am 8.10.2017 im Metro-Kino in Kiel dokumentieren wir hier noch einmal einen Aufsatz von Helmut Schulzeck zu seinem Film aus dem Jahr 1995.

„Regina Blues“ – Eine Einordnung in die Zusammenhänge

Der 60-minütige Film „Regina Blues – Der Kampf um ein Kino“ erzählt engagiert und humorvoll die wichtigsten Stationen aus 34 Jahren eines Kinolebens nach. Die Biografie eines Kieler Lichtspielhauses (1956-1990) vom ersten Filmkunsttheater bis zum ersten Programmkino Kiels wird durch Typisches erhellt. Dabei steht dieses Kino stellvertretend für viele andere, die in der BRD in den 50er Jahren entstanden und in den 80ern starben.
Der Besonderheit dieses Kinolebens wird nachgespürt, indem die Menschen, die in diesem speziellen Arbeitsraum ihren Lebensunterhalt verdienten, als Zeitzeugen zu Wort kommen. Darüber hinaus erzählen Menschen aus der Kieler Kinoszene, vom Kinobesitzer bis zum Filmkritiker der lokalen Tageszeitung, aus ihren Erinnerungen und kommentieren das Vergangene. Auch ehemalige REGINA-Kinogänger vermitteln rückschauend, was sie besonderes mit diesem Kino und seinen Filmen verband.
Bezeichnend für das Wirken dieses Kinos war der ständige Drahtseilakt zwischen anspruchsvollen Filmen und dem so genannten „Kommerzfilm“. Mit Filmkunst glaubte es auf der einen Seite eine Marktlücke gefunden zu haben. Dennoch musste man sich andererseits auch um „Massenware“ bemühen, um die finanzielle Existenz des Hauses zu sichern. Das REGINA konnte sich in seiner Programmgestaltung also nicht nur auf anspruchsvolle Filme einlassen, die es naturgemäß häufig schwerer haben, den Kinobesuchern nahe gebracht zu werden.
Der Kampf um das REGINA spielte sich freilich auch noch auf einer anderen Ebene ab. 1956 von eher kleinen Kinounternehmern eröffnet, musste sich das relativ kleine Lichtspieltheater (nur 186 Plätze) sogleich gegen die immer mächtiger werdende Konkurrenz eines lokalen „Kinokönigs“ behaupten. Anfangs gelang das mit gutem Erfolg. Doch das Kinosterben Ende der 50er Jahre in der BRD ging auch an der Kieler Szene nicht vorbei. Anfang der 60er (das immer stärker werdende Fernsehen forderte seinen Tribut) wurde das REGINA schließlich vom angehenden örtlichen Monopolisten, den Filmtheaterbetrieben Scepanik, übernommen („zur Abrundung unseres Theaterparks“, wie es Klaus Scepanik passend im Film formuliert).
In den 60er Jahren versuchte man, mit dem Kino teilweise eine Nische abzudecken. Einem überwiegend studentischen Publikum wurden in „intimer Atmosphäre“, in einem für damalige Verhältnisse noch sehr kleinen Theater, anspruchsvolle Filme gezeigt. (Heinz Riech hatte die BRD noch nicht mit seinen Schachtelkinos „beglückt“, welche bald beliebt in der Branche, weil zu ihrem Überleben notwendig, doch berüchtigt bei den Filmfreunden wurden.)
Doch das REGINA war damals zumeist fast hoffnungslos verstrickt zwischen Weiterspiel (Prolongation) von Erfolgsfilmen aus anderen Scepanik-Kinos und den Kultvorstellungen der Eddie-Constantine-Filme. Letztere veranlassten allwochenendlich ein begeistertes Publikum zu Selbstinszenierungen, die eher an Stimmung und Atmosphäre in einem Fußballstadion oder auf einer Jahrmarkt denken ließen als an den Kinoalltag.
In den 70er Jahren wurde der Besitzer aller Kieler Kinos, Klaus Scepanik, Präsident des Hauptverbandes Deutscher Filmtheater sowie auch Vorstandsvorsitzender der SPIO (Spitzenorganisation der Deutschen Filmwirtschaft). Er hatte in diesen Funktionen maßgeblichen Anteil an der Ausgestaltung eines Filmförderungsgesetzes und an der Installierung der FFA (Filmförderungsanstalt der BRD in Berlin). Mit einem Satz: Klaus Scepanik war damals eine repräsentative, aber zumeist eher hinter den Kulissen wirkende, mitbestimmende Persönlichkeit der westdeutschen Kino- und damit auch Filmlandschaft.
Der Film vermittelt indirekt, doch nicht minder deutlich, Scepaniks Position zur damaligen Situation der deutschen Kinolandschaft – durch seine Ansichten zu seinem Monopol in Kiel, zum Autorenfilm und zum Kampf und die Gründung des Kommunalen Kinos in Kiel (1979). Dies war die Zeit, in der „Opas Kino“ sich nach Edgar-Wallace- und Karl-May-Filmen nun mit Sexstreifen (so genannten „Reports“) austobte. Die Autorenfilmer des Jungen Deutschen Films versuchten lange Zeit vergeblich, ein zahlenmäßig großes Publikum zu erreichen. Auf der anderen Seite gierte ein immer größeres, in erster Linie studentisches Publikum nach ästhetisch anspruchsvolleren und sozialkritischen Filmen. Diese gab es ja alle auf dem internationalen Filmmarkt. Sie wurden aber nicht nur in Kiel, sondern auch in vielen anderen mittelgroßen Städten, ja sogar Großstädten, von den traditionellen Kinobesitzern kaum gezeigt. Somit hatten diese Filme auch bei den größeren Verleihern weniger Chancen, ins Programm genommen zu werden.
Es kam die Zeit der Programm- und Kommunalen Kinos, die nicht nur diesen Bedarf an aktueller Filmkunst zu decken suchten. Eine zweite Aufgabe dieser Kinos: Es bestand auch ein immenser Nachholbedarf an Filmgeschichte, welcher sich in der meist einseitig am kommerziell erfolgreichen Unterhaltungsfilm orientierten herkömmlichen Kinostruktur aufgebaut hatte. Die große Zeit der Filmclub-Bewegung, die zuvor nicht nur in Kiel ein alternatives Angebot an Filmen ihren Mitgliedern gezeigt hatte, mündete vielerorts in die Kommunalen Kinos.
„Regina Blues“ erzählt, dass der kommerzielle Kinobetreiber Scepanik (der sich selbst wohl immer als „Kinokaufmann“ verstand) als Reaktion darauf sein REGINA in seiner Programmstruktur und seinen Inhalten zu einem Programmkino umgestaltete. Wenige Monate später verabschiedete sich Scepanik im Herbst 1980 aus dem immer schwieriger werdenden Kinogeschäft. Er verkaufte seine Kinos – man könnte meinen, fast folgerichtig – an Deutschlands Kinokönig Heinz Riech und seine UFA Filmtheater AG, die inzwischen mit ihren Töchter- und Nebengesellschaften über 500 Kinos in der Republik besaß.
Das REGINA blieb in der 80ern lange Zeit nicht nur das einzige Programmkino in der Landeshauptstadt Kiel, die sich bisher nicht nur in Sachen Kino des öfteren als provinziell gebärdete. Es war auch das einzige kommerzielle Kino am Ort, dessen Filmprogramm noch in Kiel zusammengestellt wurde und nicht in Hamburg bei der norddeutschen Zentraldisposition der UFA, wie die Programme aller anderen Riech-Kinos im Norden.
In den 80er Jahren erlebte das REGINA noch einmal eine Blüte. Es wurde zu einem der beliebtesten Kinos der Stadt. Sein Publikum schätzte besonders die persönliche Atmosphäre, die ein locker eingestelltes Personal in die leicht beengten aber gemütlichen Räumlichkeiten brachte.
Der Film versucht in der episodenhaften Schilderung dieser Zeit die besondere Beziehung zwischen Publikum und Personal deutlich werden zu lassen, wobei er hier besonderen Wert auf die Sicht der Angestellten auf den Arbeitsalltag im Kino legt.
Ende 1990 musste das REGINA geschlossen werden, weil eine Verlängerung des Pachtvertrags nicht möglich war. Es handelt sich wiederum um ein typisches Phänomen: Gu laufene Kinos (meist Einzelkinos) werden aus unseren Innenstädten verdrängt, weil die vom Kino zu erbringende Pacht den Vermietern als zu wenig profitabel erscheint. Neue Pächterin der Räumlichkeiten wurde nach Total-Um- und Neubau eine Bank.
Und so träumt Christel Thomsen, die als „Star-Eisverkäuferin“ des REGINA mit ihren Entertainer-Qualitäten eine stadtbekannte Popularität erlangte, gegen Schluss des Films in den Bankräumen Zeiten hinterher, die für immer verloren zu sein scheinen.
Der Film „Regina Blues“ vermittelt, was einmal auch durch Kinos wie das REGINA an Kinokultur da war. Und wenn das auch nur ausschnittsweise geschehen kann, so soll doch der Zuschauer aus den in diesem Film nacherzählten Erinnerungen eine Ahnung bekommen, warum wir wieder „richtige“ Kinos, wie das REGINA eines war, mit all ihrer Lebendigkeit und ihrer das Filmerlebnis unterstützenden Atmosphäre brauchen. Insofern stehen die Erlebnisse im und mit dem REGINA für ein Stück Alltagskultur und Lebensqualität, das nicht nur in Kiel, sondern auch anderswo zu verschwinden droht. (Helmut Schulzeck)

(nach einer Produktionsnotiz von Helmut Schulzeck)
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