Ein Traum vom Kino

30 Jahre jenseits des Mainstreams: Das Kieler Traum-Kino feiert Geburtstag

“Aliens – Die Rückkehr” hatte es Andreas Steffens, seit knapp 30 Jahren Programmmacher im Kieler Traum-Kino, angetan. Für James Camerons inzwischen Arthouse-Klassiker hatte er eine Besprechung geschrieben, die das “Stadtmagazin KIEL” aber nur drucken wollte, wenn der Film ein Jahr nach Erscheinen auch nochmal in Kiel laufe.
Macht seit 30 Jahren Kino in der Kieler Traum GmbH: Andreas Steffens. (Fotos: jm)
Mit solchem Wunschfilm wandte sich Steffens im Februar 1988 ans Traum-Kino, das wenige Monate vorher, am 28. August 1987, mit einem Dokumentarfilm über Oskar Schlemmers “Triadisches Ballett” seinen Betrieb in der ebenfalls 1987 eröffneten Traum GmbH (damals noch “Traumfabrik”) aufgenommen und sich damit als Arthouse in Kiels Kinolandschaft zu Wort und vor allem Bild gemeldet hatte. Steffens’ Filmvorschlag wurde prompt angenommen – und ihm die Programmgestaltung des Kinos, die bis dahin von Flensburg aus gemacht wurde, übertragen. Ein Kinoprogramm mitzugestalten, war für den damaligen Studenten der Soziologie und Literaturwissenschaft “schon immer ein Traum”. Ein eigenes Kino, das war eine Herausforderung – und ist es bis heute.
Kultfilme wie “Blues Brothers”, Detlev BucksDebüt “Erst die Arbeit und dann?”, die Monty-Python-Filme, Kubricks “Uhrwerk Orange” oder “Hair” standen zunächst auf dem Programm, neben Neuerscheinungen, die nicht oder nur allzu kurz im Mainstream-Kino gezeigt wurden. Unter anderem mit John Boormans “Hope and Glory” und “Year of the Dragon” von Michael Cimino konnte Steffens einige Kieler Erstaufführungen feiern, die im Kino mit seinen 150 Plätzen nicht selten ausverkauft waren. 1994 bis 2011 gab es sogar noch ein zweites Kino mit 50 Plätzen in der Halle 2 der Traum GmbH. Für solche Programmgestaltung war das Traum-Kino nahezu abonniert auf den Kinopreis Schleswig-Holstein. Eine Reihe, die sich bis heute fortsetzt mit dem Kinoprogrammpreis des BKM, der im Oktober in Potsdam verliehen wird.
Doch das Kino hat sich gewandelt, technisch und vom Publikum her. Seit 2012 steht im Vorführraum kein 35mm-Projektor mehr, sondern eine moderne Digital-Projektion, die vom Computer aus gesteuert wird. Zudem hätten sich die Publikumsbedürfnisse geändert, seit in den 90ern Filme im Privatfernsehen, der Videothek und heute im Netz “allüberall verfügbar” sind. Ehemalige “Dauerbrenner” wie “Die fabelhafte Welt der Amélie” (im Sommer 2001 jeden Abend ausverkauft) werden heute nicht mehr im Kino nachgefragt, man hat sie auf der Festplatte des Heimkinos oder “streamt” sie bei Netflix & Co. Auch das studentische Publikum sei “fast vollständig weggebrochen” – wohl, weil Studierende neben dem verschulten Studium kaum noch Zeit hätten, sich cineastisch zu bilden.
Für Steffens ist das kein Grund zur Resignation: “Das Kino ist oft totgesagt worden, was vielleicht dazu führt, dass sich Kinos besonders anstrengen. Wir setzen auf preisgekrönte, besondere, gehaltvolle Neuheiten aus dem Filmkunstbereich.” “Einen Beitrag für Toleranz, Akzeptanz und Vielfalt” will Steffens mit dem, abgesehen von New York, weltweit einzigen Fetisch Film Festival (10. FFF am 1. und 2. September 2017) und dem “bundesweit und darüber hinaus ausstrahlenden” Transgender Filmfestival (seit 2013) leisten.
Kinomacher Andreas Steffens präsentiert die Filme für den Jubiläumstag.
Mit der jüngsten Umstellung vom Monats- auf ein Wochenprogramm eröffnen sich neue Gestaltungsräume: “Wir können flexibler und schneller reagieren”, sagt Steffens und zückt den Programmzettel für den Jubiläumstag am Montag, 28.8.2017: Ildikó Enyedis bei der Berlinale 2017 mit dem Goldenen Bären ausgezeichneter “Körper und Seele” (17.45 Uhr) und “Eine fantastische Frau” des chilenischen Regisseurs Sebastián Lelio (20 Uhr, OmU). Zwei Liebesfilme – nicht zuletzt für das Kino. (jm)
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