Gefährliche Nähe zu Baby Schimmerlos
Ein Meinungsnachtrag, der versucht, sich an die Fakten zu halten
Noch einmal soll hier ergänzend nach dem schon publizierten „Faktencheck“ die Rede sein von Gerald Grotes provozierendem Kommentar zur Situation vor allen der jungen FilmemacherInnen in Schleswig-Holstein. Im Anschluss daran ein paar Bemerkungen zu Jessica Dahlkes Replik auf Grotes als Ruhestörung zu lobendes Unterfangen.
Gegen Ende seiner Kritik an der heutigen Lage der Filmer in Schleswig-Holstein fordert Grote Inhalte ein, für die Lautstärke, die Jessica Dahlke, Vorstandsvorsitzende des Vereins Filmkultur Schleswig-Holstein, von den hiesigen Filmern beständig „erfleht“. Aha, denk ich, jetzt geht es endlich um die Filme, um Inhalte und Qualität. Aber nein, wie enttäuschend, es geht Grote hier nur um Worte und Rhetorik. Seiner finalen Forderung, „Die Filmschaffenden brauchen redliche Aussagen, müssen die Dinge beim Namen nennen“, folgt er leider zuvor nicht immer selbst mit seiner sehr unterhaltsamen, plakativen aber nicht unbedingt präzisen Klage über die bestehenden Verhältnisse.
Bei aller Aufregung, was leider fehlt, auch bei Dahlke, ist die ausgesprochene Einsicht, dass im Wettbewerb um Förderungen und Festivalteilnahmen den jungen Schleswig-Holsteinern keine Sonderkonditionen zugebilligt werden können. Als „Spielwiesen“ für die regionalen und lokalen Talente gibt es auf der anderen Seite wenigstens in Kiel eine sehr gute, „offene“ Infrastruktur der Kinos und anderen Abspielstätten, die es selbst ersten filmischen Versuchen ermöglicht, eine Leinwand zu finden.
In Anbetracht des Mangels an Muße und Ausdauer, hier auch nur auf die wesentlichen Behauptungen und Forderungen des langen „Klageliedes“ im einzelnen einzugehen, das Jessica Dahlke in ihrer Erwiderung auf Grote unter der Überschrift „Wir müssen laut sein“ anstimmt, nur einige Bemerkungen, die sich mir aufdrängen.
Vielleicht wäre es bisweilen sinnvoll, Ursachen bzw. Gründe für schwache Filme auch mal bei eigenen Defiziten in Drehbuch, Regie und anderem einer Produktion zu suchen, anstatt „ewig“ zu geringe oder fehlende Filmförderung für Ungenügen oder Nichtbeachtung verantwortlich zu machen.
Dahlke scheint keine ausreichenden Kenntnisse über die schwierige Lage der Kulturellen Filmförderung Schleswig-Holstein des Jahres 2007 zu haben, die die Fusion der Filmförderungen von Hamburg und Schleswig-Holstein bei allem Wagnis zum letztlich lohnenden Ausweg aus der sich anbahnenden Finanzierungsmisere, also zur besten aller Lösungen machte. Im Klartext: Ohne die Fusion gäbe es keine Filmförderung in Schleswig-Holstein mehr. Der Zusammenschluss war die Idee der schleswig-holsteinischen Landesregierung.
Gute Zusammenarbeit schon 2004: Eva Hubert (FilmFörderung HH, l.) und Bernd-Günther Nahm (KuFiFö SH) auf dem Filmbrunch von Kultureller Filmförderung SH, MSH und Landesregierung SH zur Berlinale 2004 (Foto: jm)
Auch scheint Dahlke nicht wissen zu wollen (?), dass es heute der Filmförderung SH als eigenständige Landesfilmförderung nicht besser gehen könnte als im Verbund. Ich erspare mir die Aufzählung der Erfolge und Pluspunkte der Fusion im einzelnen und empfehle zur sorgfältigen Lektüre die letzten Jahresberichte der FFHSH, die sich von der Website der Filmförderung als PDF herunterladen lassen und auch die Schleswig-Holsteiner als Profiteure ausweisen. Bei der Gelegenheit lohnt es sich, auch einmal nachzuschauen, wer eigentlich von den beiden Bundesländern den Löwenanteil der Finanzierung der FFHSH bestreitet.
Hamburg lässt der Filmwerkstatt Kiel die größtmögliche Autonomie. Jeder, der konstruktive Verbesserungsvorschläge und -ideen hat, sollte sich erst einmal an die Filmwerkstatt in Kiel wenden, die alleinig und eigenverantwortlich für die Förderung in Schleswig-Holstein zuständig ist, und nicht über die Hamburger klagen, die sowie nicht Entscheidungen über schleswig-holsteinische Angelegenheiten treffen. Und jedem, der sich etwa für eine Solo-Filmförderung erwärmen möchte, also einen SCHLEXIT herbeisehnt, mit den angeblich wie anno dazumal jährlich fließenden über 2 Millionen Fördergeldern, mit denen Gerald Grote zu Beginn seines Textes einer finanziellen Legende nachhing, kann ich nur raten, sich an die Fakten zu halten. Das bedeutet nicht, dass viele Punkte nicht im einzelnen kritisierbar und verbesserungswürdig sind. Wer aber leichtfertig in apodiktischen Tenor und in fetten Lettern kühn behauptet, die Fusion der Filmförderungen aus Hamburg und Schleswig-Holstein sei ein Fehler gewesen, der begibt sich, man sehe mir folgenden ironischen Ausdruck nach, in gefährliche Nähe zu Baby Schimmerlos.
(Helmut Schulzeck)
„Die technischen Bedingungen sind so paradiesisch wie noch nie in der Geschichte der Filmproduktion, auch in Schleswig-Holstein. Die Rahmenbedingungen durch die Förderungen waren auch nie besser und stabiler als nach der Fusion. Warum die Schleswig-Holsteiner nicht ihr Ding TUN, sondern stattdessen die Hamburger anklagen, verstehe ich nicht.
Es scheint verloren gegangen zu sein, dass es sich bei diesem Markt nicht um eine Naturschutzzone handelt, sondern um Wettbewerb, dem auch die Förderung unterliegt. Die schlechteste Antwort darauf ist Protektionismus.
Ohne die Fusion gäbe es keine Filmförderung mehr in Schleswig-Holstein.“
Bernd Günther Nahm, 14.7.2017 (Geschäftsführer der Kulturellen Filmförderung Schleswig-Holstein e.V. bis Ende 2014 und Leiter der Filmwerkstatt Kiel bis Ende 2013)