Ab geht die (Film-) Post

“Das Date” (Stefan Klinge (u.a.), D 2016)

Man muss zugeben, dass Zahnmedizinern in Filmen gemeinhin nicht die sympathischsten Rollen zugewiesen werden. Aber immerhin sind die Filme gut. Wie hat nun der Kieler Zahnarzt und Filmemacher Stefan Klinge in seinem Kurzfilm-Beitrag zum Post-Wettbewerb “Warum Brief?” (wo man auch für diesen Film aus S.-H. voten kann) seine “Mundsperrer, Bohrer und anderen Instrumente” genutzt? Wird der Zuschauer in Klinges Kurzfilm zum Spielball und Opfer eines sadistischen Zahnarztes wie in dem Spannungsklassiker “Der Marathon Mann” von John Schlesinger aus dem Jahre 1976 mit Dustin Hoffmann? Nein, das nicht, denn Stefan Klinges Kurzfilm “Das Date” wirkt in vielerlei Hinsicht homöopathisch auf den geschundenen Zahnnerv.
Ein Junge, nachdenklich gespielt von Christopher Kalis, möchte seine starken Gefühle einem hübschen Mädchen (Mieke Wöhlk) per elektronischer Textnachricht übermitteln. Wie seit Anbeginn der Tage stellt sich auch für diesen jungen Mann die zentrale Frage: Wie soll ich meine Gefühle nur in Worte pressen? Stefan Klinge findet für diese Irrungen und Wirrungen ein probates Mittel: einen Brief mit Füller und Tinte schreiben! Ist diesem Old-School-Weg aber nun auch Erfolg beschieden?
Aber der Reihe nach: Wie in der TV-Serie “Meister Eder und sein Pumuckl” von der vor Kurzem verstorbenen und von mir hoch geschätzten Ellis Kaut, im dem der Titelheld Pumuckl, ein rothaariger Kobold, beim Schreinermeister Franz Eder für Unruhe sorgt, wird der “Junge” in Klinges Kurzfilm von zwei Kobolden heimgesucht. Oder genauer gesagt: vom Engelchen und Teufelchen. Ungemein erfrischend innovativ auch in den typischen Farben für das Gute und das Schlechte, also im weißen und dunklen Anzug.
Nun sitzen also Engelchen (Olli Ott) und Teufelchen, gespielt von Torben Sachert, der diese schwierige Rolle mit seiner bekannt hektisch-zappeligen Art hervorragend ausfüllt, auf den Schultern des Jungens und liefern sich ein hörens- und sehenswertes Streitgespräch um die Vorherrschaft in dessen Entscheidungskommandoraum, das unvergleichliche Onliner wie “Sie hat ihm klar zu verstehen gegeben, wenn er ein Date will, muss er sich auch ordentlich anstrengen” – “Jaja … Warum? Weil die Weiber auch immer nur Stress machen!” – zum Besten geben. Wie wird sich nun der Junge “entscheiden”. Auf wen hört er? Fragen über Fragen, deren Antworten zwecks Spannungserhaltung nicht verraten werden dürfen.
Schlechte oder gute Ratgeber für den/die richtige(n) “Post”? Engelchen (Olli Ott) und Teufelchen (Torben Sachert) flüstern dem Jungen (Christopher Kalis) manches ein … (Foto: Stefan Klinge)
Hervorzuheben ist allerdings der unnachahmliche Kamerastil von Jessica Dahlke. Was macht ihre Kameraarbeit aus? Wie kommt es, dass sie sich inzwischen in der Kieler Filmszene einen Ruf als virtuose Kamerafrau erarbeitet hat? Ihre Grundlagen hat sie als Studentin der Muthesius Kunsthochschule (Filmklasse) erlernt. Und mit mehrjähriger Erfahrung an verschiedenen Filmsets hat sie sich laut Eigenangaben “das Bilder Bauen zur Profession gemacht”. In Stefan Klinges Kurzfilm konnte sie nun alle ihre Stärken ausspielen und ein für alle Mal ihren unverwechselbaren Stil zementieren. Was diesen Stil ausmacht? Essentiell sind es zahlreiche Komponenten, die alle etwas mit ihrer Idee von Natürlichkeit und Fluss zu tun haben. Das wohl markanteste Zeichen solcher Kameraarbeit sind allerdings die Long Shots, also Aufnahmen ohne Schnitt, die länger dauern als üblich.
Auch und gerade deshalb wirkt Stefan Klinges Kurzfilm “Das Date” im Gegensatz zu dem Spannungsklassiker “Der Marathon Mann” in vielerlei Hinsicht homöopathisch – auf den geschundenen Zahnnerv. (Sven-Friedrich Wiese)
“Das Date”, D 2016, 4:53 Min. Darsteller: Christopher Kalis, Olli Ott, Torben Sachert, Mieke Wöhlk; Kamera: Jessica Dahlke; Musik: www.audioblocks.com; Idee/Buch/Licht und Licht: Stefan Klinge; Regie: “irgendwie alle” (laut Eigenangaben); Film auf Youtube: www.youtube.com/watch?v=a-fvtlC1WwE.
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