20. Filmfest Schleswig-Holstein 2016
Auf dem hiesigen und anderen Planeten
Beim 20. Filmfest SH bewiesen die Jurys in ihren Urteilen Nah- und Weitblick
Mit Spannung wurden bei der Preisverleihung des 20. Filmfests SH die Urteile der beiden Jurys für die Hauptpreise (je 2.000 Euro, gestiftet von der Pumpe und der Kulturellen Filmförderung SH) und für den Nachwuchspreis (1.000 Euro, bereits zum zweiten Mal gestiftet von der Tatort-Produktionsfirma Nordfilm) erwartet. Nach drei Tagen Filmfest mit 42 Filmen und drei Installationen schien wie beim “Oscar” alles offen.
Schon der Eröffnungsfilm “Viacrucis Migrante” von Hauke Lorenz blickte weit über den Tellerrand des kleinen schleswig-holsteinischen Film- und Förderungsplaneten hinaus: Indem er die Schicksale von Flüchtlingen, die sich aus Zentralamerika auf der Flucht vor mafiösen Banden gen Norden ins “gelobte Land” USA aufmachen, mit ganz naher Kamera protokollierte. Nicht nur wegen der Parallelität zur aktuellen europäischen “Flüchtlingskrise”, munkelten manche schon am ersten Abend: “Preisverdächtig!”
Preisträger, Jury und Veranstalter bei der Preisverleihung (v.l.n.r. vorne: Dennis Stormer (lobende Erwähnung für “The Quick Guide …”) Uwe H. Martin, Frauke Huber (beide Preisträger für “LandRush”), Viola Rusche, Hauke Harder (beide Preisträger für “A Shape of Time”) – hinten: Tobias Hollmann (“The Quick Guide …”, Schnitt), Kerstin Ramcke (Nordfilm), Arne Sommer (Leiter des Filmfests und der Filmwerkstatt Kiel), Thomas Plöger (Jury Nachwuchspreis), Karsten Wiesel, Susanna Salonen, Urte Alfs (alle Jury), Christoph Zickler, Jessica Dahlke (beide Vorstand Kulturelle Filmförderung S.-H.), Adalbert Schwede (Geschäftsführer Pumpe) – Foto: Berit Mölleken)
Doch da war noch mehr vom hiesigen und fremden Planeten zu berichten. Die multimediale und damit dokumentarisches Neuland eröffnende Installation “LandRush” von Frauke Huber und Uwe H. Martin zeigte ein ähnliches globales Problem: Landwirtschaft zwischen Nachhaltigkeit im Umgang mit den begrenzten Ressourcen und globalisierten Anforderungen. Sie gewann dafür einen der von der Pumpe ausgelobten Preise. Ein weiterer Preis von der Pumpe ging an den Animationskurzfilm “Planet Willi”, worin Sören Wendt uns die fremde Welt eines so genannt “behinderten” Kindes nahebringt. “Behinderung” ist keine solche, nur eine andere Wahrnehmung eines “von einem anderen Planeten”.
Nicht minder auf “andere Planeten” gepolt war die Jury bei den beiden von der Kulturellen Filmförderung SH ausgelobten (jeweils mit 1.000 Euro dotiert) Preisen. “Utbüxen kann keeneen – Weglaufen kann keiner”, hörten Gisela Tuchtenhagen und Margot Neuber-Maric immer wieder von ihren Protagonisten, wenn sie in ihrer Doku der sehr speziellen Dithmarscher “Sterbekultur” auf den Grund gingen. Nicht nur plattdeutsch kreist hier ein Planet, auch in der Begleitung Gestorbener und um sie Trauernder. Weiter weg und doch ganz nah ran gehen Viola Rusche und Hauke Harder mit ihrem inzwischen dritten Porträt eines Komponisten Neuer Musik “A Shape of Time”. Der japanische Komponist Jo Kondo, geprägt von der Avantgarde des Westens wie John Cage, der sich wiederum vom fernen Osten inspirieren ließ, steht hier im Mittelpunkt, eingefangen in Bildern a la Ozu und ganz nah, wenn er über das “Zen” aller Kunst nachdenkt.
Helmut Schulzeck übergibt einen der Hauptpreise an Gisela Tuchtenhagen und Margot Neuber-Maric (Foto: Lorenz Müller)
Und wie positioniert sich der Nachwuchs zwischen den Planeten? Sebastian Husak spürt dem “Rhythmus” des Lebens nach, den junge Leute noch nicht haben, weil sie ihn erst erfühlen müssen. Sein Film zeichnet in Schwarz-Weiß eine Begegnung nach, die nicht folgenlos bleibt, auch wenn die beiden auf jeweils anderen Planeten und Wegen sind – Nachwuchspreis. Und lobende Erwähnung für etwas ganz Verrücktes – “The Quick Guide how to get famous in Five Minutes”: Dennis Stormer und Rike Hoppe zeigen darin in krassen Bild-Wirbeln, wie man berühmt wird: Durch Filmbilder, die uns vom hiesigen zu anderen Planeten hin verstören. (jm)
Weitere Infos zu den Filmen: www.filmfest-sh.de