Diaspora zwischen den Medien-Meeren?

Kulturelle Filme aus Schleswig-Holstein zunehmend im Abseits

Ein Blick auf das Programm des Filmforums der letztjährigen (wie auch schon manche vorjährige) Nordischen Filmtage spricht für sich: Die Sektion, die einstmals als „Filmforum Schleswig-Holstein“ firmierte, enthält kulturelle Filmproduktionen aus Schleswig-Holstein nur noch unter „ferner liefen“. Tatort Hamburg rulez, als ende der filmische Norden an der Elbe, reichte gerade nur noch plätschernd bis zu den Förden von Kiel, Eckernförde und Flensburg, vom wattenmeerischen Westen nicht zu schweigen. Nichts gegen Filme aus Hamburg, aber wenn die aus nördlicheren Gefilden unterbelichtet bleiben …
Was viele schleswig-holsteinische FilmemacherInnen, organisiert im Verein Kulturelle Filmförderung S.-H. e.V. und auch im Landesverband Jugend & Film, mit der Fusion der Filmförderungen des Landes zwischen den Meeren und des an der Elbe im Jahre 2007 befürchtet hatten, gewinnt nun, nach 8 Jahren nur vermeintlicher Gemeinsamkeit, mehr und mehr Gestalt: Hamburg ist das Medienzentrum, Schleswig-Holstein allenfalls Lieferant pittoresker Drehorte, wo sich Regionaleffekte erzielen lassen. Kurzum, Schleswig-Holstein ist filmisch noch randständiger geworden als es ehedem schon war.
Ob „die Hamburger“ das genau so wollen, kann man nur mutmaßen – aber findet Hinweise dafür. Lesen wir z.B. mal, was die scheidende Geschäftsführerin Eva Hubert für S.-H. an lobenden Worten übrig hatte: „Als positiv bewertet Eva Hubert rückblickend die Fusion mit Schleswig-Holstein: ’Zwar ist die finanzielle Beteiligung des Landes Schleswig-Holstein nach wie vor äußerst gering, aber wir profitieren natürlich von den wunderbaren Drehorten, von der Nähe zu den skandinavischen Nachbarn’“. Kaum mehr bleibt von S.-H. als zu wenig Finanzen (für wen?), „wunderbare Drehorte“ und die geografisch größere Nähe zu Skandinavien als die Hamburgs. Die neue Geschäftsführerin Maria Köpf zentriert sich noch mehr auf die Elb-Metropole, wenn sie sagt: „Ich habe in den vergangenen Jahren häufiger als Produzentin in Hamburg und Schleswig-Holstein gedreht. Die Hamburger Infrastruktur ist sehr gut. Es gibt bestens ausgebildete Teams und hervorragende Dienstleister vor Ort sowie vielseitige Drehorte in beiden Bundesländern.“ Mehr über S.-H. ist in ihrem Statement zur Amtsübernahme nicht zu lesen.
Die Filmwerkstatt Kiel, einst Teil und kreatives Zentrum nicht nur des Vereins Kulturelle Filmförderung S.-H. (KFF), sondern auch der damals – wie heute neuerlich – durchaus aufstrebenden Filmszene in S.-H., ist 8 Jahre nach der Fusion offenbar nur noch ein (ungeliebter?) Ableger Hamburgs. Erkennbar ist das an zweierlei: Die jüngste Filmszene Schleswig-Holsteins organisiert sich abseits von Filmwerkstatt und KFF, nimmt auf selbige kaum noch Bezug. Fragt man die oft blutjungen FilmemacherInnen, warum, antworten sie, dass sie sich von den offiziellen Filmförderinstitutionen nichts mehr erhoffen, die hohen (und immer höher werdenden) Hürden der Förderbeantragung gar nicht mehr in Betracht ziehen, sondern – und das ist immer gut für Film wie jede Kunst – „einfach mal machen“. Allenfalls noch von den autonom gebliebenen Resten der genuin schleswig-holsteinischen Förderlandschaft (die KFF ist nicht von ungefähr nicht mehr Mitveranstalterin des Film-Treffs auf der Berlinale 2016) wie dem Landesverband Jugend & Film, dem Studentenwerk der CAU mit kreativ äußerst produktiven Wettbewerben wie „Nur 48 Stunden“ (den Hamburg gar nicht wahrnimmt) oder dem sich seit zwei Jahren sozusagen als „NGO“ selbstorganisierenden Kieler Filmemacher-Stammtisch rund um filmszene-sh.de fühlen sie sich repräsentiert.
Also: Was tun? Für die KFF, da fördertechnisch vollständig entmachtet, hieße eine mögliche Antwort für ihre anstehende Neuausrichtung: Zurückkehren zu den Anfängen vor gut 25 Jahren, als sich FilmemacherInnen zusammentaten, um ihre kulturellen Interessen gegenüber dem Staat (und jetzt auch dessen institutionalisierten Fördereinrichtungen) zu vertreten, als Kulturschaffende, die mit ihren Werken die Gesellschaft und ihre Diskurse beleuchten und damit voranbringen. Dieser alte „soziokulturelle“ Anspruch einer „(Film-) Kultur von unten“ besteht mehr denn je.
Und der ist gegen erstarrte Förderinstrumente wie die der Filmwerkstatt Kiel und ihrer Mutter, der von Hamburg vollständig dominierten Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein, durchzusetzen. Solidarisieren muss sich dazu ein angejahrter Verein wie die KFF mit neuen basis-orientierten „Vereinen“ wie filmszene-sh.de. Kleiner Kieler Kampfruf: Raus aus der Diaspora und gegen die, die uns dazu machen! Schleswig-holsteinische FilmemacherInnen können mehr, als pittoreske Drehorte abzufilmen. Auch und gerade in der Diaspora wachsen blühende Filmpflänzlein. Kultivieren wir sie jenseits von einem Hamburg, das meint, Hollywood zu sein! (jm)
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