DVD-Tipp:

Schtonk!

(D 1992)

Helmut Dietls Satire bekam 1992 eine Oscarnominierung als bester nicht-englischsprachiger Film. Und das völlig zu Recht! Man mag es heute kaum mehr glauben, da Dietl erst vor wenigen Jahren mit “Zettl” einen grottenschlechten Film verbrochen hat, aber in den 80er, bis weit in die 90er Jahre konnte Dietl den Anspruch erheben, der einzige legitime Nachfolger Ernst Lubitschs (“Sein oder Nichtsein”) zu sein. In einer deutschen Filmlandschaft, die Komödie mit banalem Lustspiel verwechselt, in einem Land, in dem der Ex-Bundespräsident
Wulff – immerhin damals höchster Repräsentant des Staates – das mediokre Lustspiel “Keinohrhasen” in einem Interview nicht nur zu seinem Lieblingsfilm, sondern gar zum genialen Kultfilm erhob, ist Dietls kleines Meisterwerk um die STERN-Veröffentlichung der angeblichen Hitlertagebücher im Jahre 1983, die sich nur kurze Zeit später als Fälschung herausstellten, ein Referenzfilm in Sachen Komödie. Helmut Dietl konnte im kongenialem Zusammenspiel mit seinem Co-Drehbuchautor Ulrich Limmer auf vorzügliche Steilvorlagen aus dem größten Medienskandal Deutschlands zurückgreifen – teilweise schreibt eben die Realität die aberwitzigsten Geschichten.

Aber Dietl verlässt sich natürlich nicht nur auf die groteske Realitätsvorlage. Dieser Münchner Filmemacher hat eine große Gabe: er porträtiert Menschen so, wie sie sind bzw. sein könnten – mit einer gewissen satirischen Überzeichnung und sicherlich auch immer mit einer großen Zuneigung, denn es schimmert in vielen Szenen durch, dass Dietl großes Verständnis für die Schwächen und Widersprüchlichkeiten seiner Figuren hat. In “Schtonk!” porträtiert Dietl Menschen, die im eigenen Saft schmoren – Menschen, die sich in der hermetischen Welt der Hamburger Medienwelt bewegen. Diese Satire sprüht nur so vor hintersinnigem Witz, subtilen Seitenhieben und weniger subtilen Machtspielchen. Dietl hat viel Mühe auf die sprachlichen Dinge verwendet. Auf die Art und Weise, wie Menschen miteinander reden, wenn sie lügen, was für Gesichter sie beim Reden machen, wenn sie die Wahrheit sagen (müssen).
Zum Inhalt: Der erfolglose Maler Fritz Knobel verkauft Anfang der 80er Jahre einem alten, betuchten Nazi ein gefälschtes, angeblich von Adolf Hitler gemaltes Aktbild Eva Brauns. Ein wichtigtuerischer Kunstsachverständiger bestätigt die Echtheit des Gemäldes. Das bringt Knobel auf die Idee, ein angebliches Tagebuch Hitlers herzustellen und dem reichen Altnazi zum Kauf anzubieten. Nach der feierlichen Öffnung des versiegelten Buches im Beisein alter Kameraden wittert der “HH-Press”-Reporter Hermann Willié, der Zeuge dieser Szene wird, eine Sensation und setzt sich mit Knobel in Verbindung. Knobel kann die Kladden gar nicht schnell genug vollschreiben!
Wie in fast allen Dietl-Produktionen haben auch in diesen Film wieder einige der besten deutschen Schauspieler mitgespielt: das deutsche “Schauspiel-Tier” Götz George gibt den schmierigen Skandalreporter Hermann Willié, Uwe Ochsenknecht spielt den gewitzten Fälscher “Prof. Dr.” Fritz Knobel, der leider viel zu früh verstorbene geniale Ulrich Mühe zeigt als bonierter Verlagschef sein komödiantisches Talent, und als kleines Bonmont spielt die berühmteste deutsche Schauspielerin, Veronica Ferres, genau die Nebenrolle, die ihr am besten steht: eine Blondine, die dumm wie Brot ist.
Kurzum, “Schtonk!” ist ein satirisches Meisterwerk, das sich auch heute noch als Anschauungsunterricht für Regisseure bzw. Drehbuchautoren eignet, wie eine sehr gute Komödie – kein Lustspiel wohlgemerkt – auszusehen hat.
P.S. Der merkwürdige Filmtitel ist übrigens Dietls Reminiszenz an Charlie Chaplins legendären Film “Der große Diktator”. Darin verwendet Chaplin als Diktator in seinen Reden eine deutsch klingende Pseudosprache (Grammelot) und erwähnt mehrmals das Wort “Schtonk”: “Demokratsie Schtonk! Liberty Schtonk! Free Sprekken Schtonk!” (Sven-Friedrich Wiese)
Schtonk!
Deutschland 1992
DVD (2000)
Preis: 6,99 EUR
Format: PAL, Surround Sound, Widescreen
Sprache: German (Dolby Digital 2.0), German (Dolby Digital 2.0)
FSK: ab 6
Studio: Euro Video
Erscheinungstermin: 31. Januar 2000
Spieldauer: 110 Min.
ASIN: B00004S5

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