DVD-Tipp:
Is’ was, Doc?
(USA 1972)
„Es ist viel leichter, einen Menschen zum Weinen zu bringen als zum Lachen“, sagte Fatih Akin kurz vor der Premiere seiner ersten und bislang einzigen Komödie „Soul Kitchen“. Obgleich nicht nur für Akin die Komödie zur Königsdisziplin zählt, wird dieses Genre im Vergleich zum Drama immer noch viel zu gering geschätzt. Das mag zum einen daran liegen, dass in Deutschland, im Land der (schwermütigen) Denker und Dichter, Lachen oftmals als kindische Oberflächlichkeit abgetan wird, zum anderen an den vielen völlig misslungenen deutschen Komödien der letzten 20 Jahre im Stile von „Sieben Zwerge“ oder „1 1/2 Ritter“ und nicht zuletzt an dem Hollywood-Fäkalhumor des 21. Jahrhunderts. Peter Bogdanovichs Film aus dem Jahre 1972 ist nun aber das Paradebeispiel für eine erfrischende, gelungene Komödie, wie sie besser kaum hätte gelingen können.
Der zerstreute Musikwissenschaftler Dr. Howard Bannister (Ryan O’Neal) reist – in der Hoffnung, ein Stipendium zu ergattern – mit seiner spießigen Verlobten zu einem Fachkongress in San Francisco. Dort will er seine Theorie über prähistorische Klangsteine zum Besten geben. Die Steine führt er in einem karierten Koffer mit sich. Doch wie es der Zufall will, gibt es noch drei gleich aussehende Koffer – unter anderem von der flippigen Lebenskünstlerin Judy (Barbra Streisand). Schließlich ist das Chaos groß, als alle Koffer im Hotel vertauscht werden.
Die beiden Drehbuchautoren David Newman und Robert Benton konstruieren eine Story, die vor Situationskomik und herrlich überdrehten Dialogen nur so sprüht, und glänzen mit einer rasanten Verknüpfung der verschiedenen Handlungsstränge. Der Regisseur Peter Bogdanovich, der seine Karriere wie François Truffaut als Filmkritiker und Biograf einiger Hollywood-Regisseure wie zum Beispiel Orson Welles und Alfred Hitchcock begann, setzt dies alles in dieser außergewöhnlichen Screwball-Komödie turbulent in Szene.
Der Begriff „Screwball“ leitet sich aus der Baseballsprache ab, wo er einen unvorhersehbaren Flugball bezeichnet. Dies kann man auf dieses Sub-Genre der Komödie beziehen, das seine Hochzeit in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts erlebte. Filme dieser Art zeichnen sich unter anderem durch ihr rasantes Tempo, vor allem bei den (oft freizügigen) Dialogen der Figuren, und unvorhersehbaren Wendungen in der Geschichte aus. Bei Screwball-Komödien stehen zwischenmenschliche Beziehungen im Vordergrund. Als Mantra gilt: Gegensätze ziehen sich an. Dass die von Barbra Streisand wunderbar überdreht gespielte Judy sofort einen Narren an dem schüchternen Wissenschaftler Dr. Bannister gefressen hat und alles daran setzt, ihn zu bekommen, hört sich natürlich erst einmal furchtbar altbacken, ja sogar nach einem merkwürdigen Frauenklischee an. Das täuscht.
Filmgenres, in denen Frauen eine zentrale Rolle spielen, sind in Hollywood rar gesät. Das Melodram gilt als typisches Frauengenre mit seinen leidenden Müttern, Ehefrauen und Geliebten; im Film noir gibt es die den Männern den Verstand raubende und mörderische Femme fatale. In beiden Genres muss die Frau für ihr engagiertes Eintreten, für die gute oder schlechte Sache, sehr oft mit ihrem eigenen Leben bezahlen. Dann gibt es da noch ein Genre mit selbstbewussten, teilweise exzentrischen Frauenfiguren, die nach diversen verbalen Schlagabtäuschen mit dem Mann ihrer Träume erfolgreich ihre Beute vor den Traualtar schleppen. Die Frau ist hier der siegessichere „Spiritus Rektor“. Willkommen in der Welt der Screwball-Komödie!
Und wie ausgelassen Barbra Streisand diese selbstbewusste, exzentrische Frauenfigur spielt, ist ein wahrer Genuss. Streisand ist nicht nur witzig, sie trägt den ganzen Film und gibt beständig das Tempo vor. Sie bringt Chaos und Verwirrung und lockert so das Leben von allen, aber vor allem das von Dr. Howard Bannister gehörig auf. Ryan O’Neal, bekannt aus „Love Story“, ist mit einem herrlichen Dackelblick ungewohnt komisch als verplanter, unsicherer und etwas steifer Professor, der angesichts des Wirbelwinds Streisand an einer Stelle nur noch „Help!“ in die Kamera sagen kann.
Dass wirklich jede Pointe zündet, wäre zwar zu hoch gegriffen, aber gerade diese fehlende Perfektion macht diese leichtfüßig zwischen atemlosen Wortgefechten, kindischem Klamauk und brillant inszenierter Situationskomik wechselnde Komödie außergewöhnlich charmant. Der Höhepunkt wartet mit der wohl berühmtesten Verfolgungsjagd der amerikanischen Filmgeschichte auf – direkt nach „Bullitt“. Beide finden in San Francisco statt und Bogdanovich benötigte allein einen Monat für den Dreh dieser spannenden, humorvollen, besser gesagt wahnwitzigen 20-minütigen Verfolgungsjagd mit Autos und Fahrrädern durch frischen Zement, eine chinesische Parade und – lasst euch überraschen. (Sven-Friedrich Wiese)
„Is’ was, Doc?“
Originaltitel: „What’s Up, Doc?“
USA 1972
eine Peter Bogdanovich Produktion
DVD (2003)
Preis: 6,99 EUR
Bestellnummer: 8334221
Erscheinungstermin: 21.8.2003
Laufzeit: 90 Min.
FSK: ab 12
Sprache: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch
Tonformat: DD Mono
Bild: Widescreen
Untertitel: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Türkisch, Niederländisch
Specials: Audiokommentar von Barbra Streisand, Regiekommentar, Dokumentation: „Screwball Comedies … Remember Them?“