Filmpremiere: „translating the blue“
D 2014 / 72 Minuten, Buch, Regie: Stephan Sachs
16. Juli 2014, 20.30 Uhr
Metro-Kino im Schlosshof (Holtenauer Str. 162-170, Kiel)
Muthesius-Professor und Mitglied des Excellenzclusters „The Future Ocean“ Stephan Sachs erforscht in seinem Filmessay den Ozean. Ausgehend von Bildern, die auf einer Forschungsfahrt im Südatlantik entstanden, untersucht der Film die unterschiedlichen Formen der Annäherung an die Wirklichkeit. Der Hauptprotagonist ist das Meer, der Ozean. Er ist in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen ständig präsent, in Bild und Ton.
Er ist auch das Forschungssujet der Wissenschaftler. Sie sind Ozeanografen, sie versuchen die Ozeanströmungen zu verstehen. Dabei sind bildgebende Verfahren, auf mathematischen Berechnungen basierend, unverzichtbar. Modelle, Versuche der Übersetzung, auch eben der poetischen, sind ein zentrales Thema des Films. Dies findet auf unterschiedlichen, sich durchschränkenden Ebenen statt: von einer Bildbeschreibung am Anfang des Films über deutsch-englische Begriffssammlungen aus der Ozeanografie und Kunst, bis zu der Frage an einen Wissenschaftler nach der Schönheit von Formeln. Von alten Dioramen aus Naturhistorischen Museen über fiktive Briefe von Bord des Schiffes, über die Beobachtung des Datensammelns auf See, bis hin zu einem Modell, das die Verteilung von radioaktivem Cäsium aus Fukushima im Pazifik vorhersagt.
Stephan Sachs ist Künstler und Filmemacher. Er lehrt Film / time based media an der Muthesius Kunsthochschule, Kiel. Er lehrte in Düsseldorf, Bochum und Zürich und wurde für seine Experimentalfilme und Künstlerischen Dokumentarfilme mehrfach ausgezeichnet.
Infos: www.stephansachs.de
(nach einer Pressemitteilung der Muthesius Kunsthochschule)
Übersetzung ins Blaue
Mit ebenso lyrischen wie realistischen Bildbeschreibungen des Blicks aus einem Flugzeug-Bulleye auf das schwarzweißblaue Wolken- und darunter liegende Meer eröffnet Stephan Sachs im Off-Ton vor bezeichnend bloß schwarzem Hintergrund seinen Film-Essay „translating the blue“.
Danach, könnte man meinen, befinde man sich in irgendeiner 3sat-, arte- oder Phoenix-Doku über die Reise des französischen Forschungsschiffs „Atalante“ in den Südatlantik, um dort das weite und abgrundtiefe Meer in allen seinen Parametern wissenschaftlich zu vermessen. Auf der „Atalante“ fuhr Stephan Sachs, seit den 80er Jahren mehrfach preisgekrönter Experimentalfilmer, jetzt Professor für Film / time based media an der Muthesius Kunsthochschule und Mitglied des Exzellenzclusters „The Future Ocean“, im Frühjahr 2008 mit, um all das Blau des Ozeans film-essayistisch zu kartografieren.
Sachs und Co-Kameramann Michael Gülzow haben ihr dokumentarisches Auge und Ohr dicht an den Wissenschaftlern und ihrem Warten, wann die ins Meer gesenkte Boje Daten liefert, an jenem Wissenschaftsbetrieb, der so blau-äugig und positivistisch sensorisch im eigentlich unerforschlischen Ozean fischt wie der Poet und Künstler nach seiner Erkenntnisform für Welt. „Current – Strömung“, „Pressure – Druck“, „Salinity – Salzgehalt“ und „Conductivity – Leitfähigkeit“ sind Parameter, die auf der Ton-Ebene im Wort-Staccato hergebetet werden wie die Credos der Wissenschaft, nach denen die Ozeoanografen das Meer vermessen.
Aber ist nicht jedes solche Vermessen auch Vermessenheit, zu glauben, dass man das so wogende Blaue übersetzen könnte? Und welche Schönheit hätten mathematische Formeln, die das steig strömende Sein zwar treffend beschreiben, aber doch von ihm kein haptisches Bild pinselmalen? Was ist ein naturhistorisches Museum, das die Evolution nach- und abbildet, gegen sie selbst und ihre Zeitmächtigkeit?
Rote Boje und die blaugraue Theorie des Meers – Stephan Sachs’ „translating the blue“ stellt grundsätzliche Übersetzungsfragen zwischen Wissenschaft, Kunst und Wirklichkeit. Filmstill: Stephan Sachs
Sachs’ Film-Essay stellt solche in den Meeresgrund bohrenden Fragen unaufdringlich, verpackt sie in das Reisetagebuch eines Zweifelnden, erfindet so auch das Genre des Reise- und nicht zuletzt Bildungsromans des 19. Jahrhunderts neu, und will wissen, was die Bilder des Blauen wirklich bedeuten, wohin man sie übersetzen könnte. Letztlich nur in die Leere des Nichtbegreifbaren, daher nur Poetischen versus Positivistischen?
Wie befragt, das sind nur Fragen, die Kieler Ozeanografen mit quasi naivem Erkenntnisinteresse stellen. Oder der Zuschauer, der sich mit Sachs ins Blaue des weiten Ozeans zwar wagt, aber danach nicht unbedingt fragt. Sachs bedient beide, die wie Kinder nach den Strömungsurgründen forschenden Wissenschaftler und den Zuschauer, der sich fragen soll, wie wahr und wie Bild von der Wirklichkeit jene Übersetzung ins Blaue ist oder seien könnte. (jm)
D 2014, 72 Min. Buch, Regie, Kamera, Ton, Schnitt: Stephan Sachs, 2. Kamera und Assistenz: Michael Gülzow, Sprecher: Stephan Sachs, Jan-Peter Reschke, Musik: Giuseppe Verdi „La Traviata“, Richard Wagner: „Der Fliegende Holländer“, Gabriel Fauré: „Elegie“, J. S. Bach. „Choralvorspiel f-moll“