Lebendige Archive

Das Symposium „Repetition and co-affecting“ des Instituts für Kunst-, Design- und Medienwissenschaften / Forums der Muthesius Kunsthochschule denkt mit internationaler Beteiligung über Wirkungskräfte von Archiven nach.

„Infinite Record: Archive, Memory and Performance“ (Unendliche Aufzeichnung: Archiv, Gedächtnis und Performance) ist der Titel eines dreijährigen Forschungsprojekts, bei dem Arnold Dreyblatt und Petra Maria Meyer von der Muthesius Kunsthochschule mit KollegInnen der Norwegischen Theaterakademie (NTA), der St. John Universität, York und des MIT Boston zusammenarbeiten. In dessen Rahmen findet nach Seminaren zu den Themen „Resonanz“ und „Archiv und Körper“ vom 13. bis 15. Februar im Kesselhaus auf dem neuen Muthesius-Campus ein interdisziplinäres Symposium zu „Repetition and co-affecting“ (Wiederholung und Empfindung/Berührung) statt.
Schon seit der dänische Philosoph Sören Kierkegaard schrieb, „Wiederholung und Erinnerung sind dieselbe Bewegung, nur in entgegengesetzter Richtung; denn wessen man sich erinnert, das ist gewesen, wird rücklings wiederholt; wohingegen die eigentliche Wiederholung sich der Sache vorlings erinnert“, spätestens aber seit den Theorien französischer Poststrukturalisten wie Deleuze und Derrida über das kulturelle Archiv und Gedächtnis sind erkenntnistheoretische Überlegungen zum (Kunst-) Archiv (Museum, Galerie …) en vogue. Ein Archiv basiert auf der Wiederholbarkeit seiner Inhalte, aber auch das menschliche Gedächtnis ist in dem Sinne ein Archiv, das ständig aktualisiert und damit lebendig wird. Digitale Archive wie Google und Facebook definieren Erinnern und Erfahren wie auch die Archivtechnik des „Suchens und Findens“ seit rund einem Jahrzehnt neu. Das Symposium, konzipiert von Karmenlara Ely, Maria Magdalena Schwaegermann (NTA) und den Muthesius-ProfessorInnen Arnold Dreyblatt und Petra Maria Meyer, legt nun den Fokus auf „Wiederholung und Affektion“, sprich die Tatsache, dass jeder Kunstprozess auf Berührung und Berührtheit beruht, einer Wechselwirkung zwischen berührendem Kunstwerk und berührtem Betrachter in der es wiederholenden Erinnerung.
Archive gelten landläufig als „tot“, indem sie lediglich „nachholend“ Material in technischer Reproduzierbarkeit sammeln. Doch jeder Archivierungsprozess hat etwas gegenwärtig, zeitgeistig Lebendiges, auch einen „Macht-Aspekt“, so Petra Maria Meyer, indem er „selektiert, was archiviert, wiederholbar gemacht wird und was nicht“. Nicht anders beruhen „ephemere“, dem Augenblick verhaftete „Live“-Kunstformen wie Theater und Performance auf kodierten Verhaltensweisen, die sich ins Gedächtnis schrieben, wo sie auch umgeschrieben werden können, um neue Inhalte freizusetzen. Das Symposium, das wie gewohnt künstlerische Praktiker und Theoretiker im Diskurs befruchtend vereint, verdeutlicht das an mehreren Beispielen:
Arnold Dreyblatt: „Reading Freud“, 2007, Gemäldegalerie, Berlin (Foto: Arnold Dreyblatt)
Louise Höjer, Mitarbeiterin des Performance-Künstlers Tino Seghal, erläutert dessen Dekonstruktion des Archivs „Galerie“ durch lebendige Intervention (Fr, 15.30 Uhr). Stephan Sachs’ Film-Essay „Translating the Blue“ (Fr, 18.30 Uhr, Kommunales Kino in der Pumpe) erforscht das Meer des Südatlantiks nicht nur mit den Daten sammelnden Augen der Ozeanografen, sondern auch auch als Meer der poetischen Erinnerung. Die weltweit für ihre großformatige Fotografie bekannte Künstlerin Katharina Sieverding präsentiert ihre „Updated Memory Images – Weltlinie, 1968-2013“ mit Bezug auf eine Ausstellung, in der sie keine Retrospektive, sondern ihr „living archive“ erfahrbar machte (Sbd, 12.30 Uhr). Und Arnold Dreyblatt, der auch Artist in Residence des Gesamtprojekts in Fredrikstad war, vereint in „Reading Memory“ (Sbd, 19 Uhr) zusammen mit StudentenInnen seiner Kieler Medienklasse und internationalen Gästen Archivtexte in einer höchst lebendigen Simultanlesung. (jm)
13. bis 15. Februar 2014 im Kesselhaus der Muthesius Kunsthochschule, Kiel, Legienstr. 35 (wenn nicht anders angegeben) – in englischer Sprache. Detailliertes Programm unter www.muthesius-kunsthochschule.de.
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