3. Medienkompetenztag Schleswig-Holstein: Großer Andrang, engagierte Pädagogen, spannende Themen
„Nicht die Frage, ob wir mit den Medien leben wollen, sondern die Frage nach dem Wie ist entscheidend“, machte Professor Dr. Uwe Hasebrink, Hans-Bredow-Institut für Medienforschung an der Universität Hamburg, beim 3. Medienkompetenztag Schleswig-Holstein am 25.9.2012 in Kiel deutlich. „Wir freuen uns, dass rund 600 engagierte Pädagogen aus ganz Schleswig-Holstein zum Medienkompetenztag gekommen sind“, sagte Reinhard Buhse, Abteilungsleiter im Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen in Schleswig-Holstein, der die Veranstaltung gemeinsam mit dem Offenen Kanal Schleswig-Holstein (OKSH), dem Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie und Gleichstellung und der Medienanstalt Hamburg / Schleswig-Holstein (MA HSH) im Rahmen des Netzwerkes Medienkompetenz Schleswig-Holstein organisiert hat.
Die Medien sind nicht etwas neben der Gesellschaft, sondern sie sind ein Teil davon und durchdringen sie. „Digital, crossmedial und interaktiv lassen sie heute die einst klaren Grenzen inallen Sphären verschwimmen“, so Hasebrink. Freizeit und Beruf, Öffentlichkeit und Privatheit würden miteinander vermengt. Deutlich werde das am Beispiel einer Telefonzelle, früher ein abgeschlossener schalldichter Raum, in dem Privatgespräche auch privat geführt wurden, würden heute private Gespräche in der Bahn mit dem Handy ganz öffentlich geführt. Medienkompetenz, also die Erfahrung im Umgang mit verschiedenen Medien, sei heute entscheidender denn je. „Wenn wir Medienkompetenz fördern, dann mindert das nicht die Risiken, aber der Umgang mit ihnen wird verändert.“
„Die Medienkompetenz ist eine Schlüsselkompetenz“, machte auch Dr. Gertrud Weinriefer-Hoyer, Ministerium für Bildung und Wissenschaft des Landes Schleswig Holstein, deutlich. Es gehöre klar zum Bildungsauftrag der Schulen, Schülern eine Lebensführung ohne Abhängigkeiten zu erlauben. Bereits heute würden rund 200000 Jugendliche unter den 14- bis 24-Jährigen als internetabhängig gelten. Große Schwierigkeiten sehe sie darin, dass Gerüchte, die sich früher eher im kleinen Kreiserzählt wurden, ohne Überprüfung des Wahrheitsgehaltes heute in Sekundenschnelle über das Internet verbreitet würden. Mobbing sei ein Problem, das immer mehr Ratsuchende ins Ministerium führe.
Cybermobbing war auch der Interessenschwerpunkt auf dem Medienkompetenztag, der mit insgesamt zwölf Themenbörsen ein breites Spektrum zum Thema Medien bot. „Sprechen sie ihre Kinder an, zeigen sie Interesse an dem, was sie tun“, forderte Adrian Jagusch von den Eltern. Der 18-Jährige ist Internet-Scout bei juuuport (www.juuuport.de) und einer von vielen gleichaltrigen Ansprechpartnern, an die sich betroffene Mobbingopfer anonym im Netz wenden können. „Eltern sind nicht die ersten Ansprechpartner, und in der Schule werden die Probleme gemobbter Schüler oft nicht ernst genommen“, berichtet der Ehrenamtliche aus seinen Erfahrungen. „Schule ist der Ort, an dem man alle Jugendlichen zur Prävention erreichen kann“, erklärte Birgit Kimmel von der Initiative Klicksafe (www.klicksafe.de). Eine solche Arbeit müsse aber gut vorbereitet sein und sollte vom gesamten Kollegium getragen werden. Einzelkämpfer könnten kaum etwas ausrichten. Ziel sei es, das Selbstbewusstsein der Schüler zu stärken, Peer-Modelle anzuschieben und das Vertrauensverhältnis zwischen Schülern und Lehrern auszubauen. „Prävention braucht Zeit“, machte sie den Teilnehmern klar, aber die Schulen seien auch in der Pflicht, denn „sie sind oft auch der Ausgangspunkt von Mobbing.“ Ein Thema, dem sich auch einer der 16 Workshops des Medienkompetenztages annahm. Konkret konnten Lehrer hier erfahren, wie man Elternabende zum Thema Cybermobbing gestaltet, um sie für das Problemfeld zu sensibilisieren.
Die Frage nach dem Beginn der Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen beantwortete Dr. Maya Götz, Leiterin des internationalen Zentralinstitutes für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI, www.izi.de), für die meisten überraschend. „Der Medienkonsum fängt bereits im Mutterleib an.“ Bereits ab der 23. Schwangerschaftswoche wären Reaktionen nachweisbar, ab der 32. Woche lerne das Kind sogar die Anfangsmusik einer täglich geschauten Daily Soap. Während 13 Prozent der Kinder unter einem Jahr bereits fernsehen dürften, steige die Zahl in den Folgejahren deutlich an. 60 Prozent der Zweijährigen und 96 Prozent Vierjährigen dürften fernsehen. Bei der täglichen Mediennutzung habe heute das Internet das Fernsehen von Platz eins verdrängt. Ein Jugendlicher würde alle Medien durchschnittlich 473 Minuten pro Tag nutzen, teilweise auch parallel. Allen voran das Internet (125 Minuten), gefolgt von TV (111 Minuten), Radio (107 Minuten) und Tonträger (87 Minuten) über Buch (27 Minuten) und Video (8 Minuten) bis zur Zeitung (6 Minuten) und Zeitschrift (2 Minuten).
Medienkompetenz sei auch beim Fernsehen wichtig, machte Götz deutlich. Als Beispiel zog sie die Sendung „Germany“˜s next Topmodel“ heran. Umfragen hätten gezeigt, dass vor Ausstrahlung der ersten Staffel deutlich mehr normalgewichtige Mädchen mit ihrem Gewicht zufrieden waren als bei derselben Befragung nach Ausstrahlung einiger Staffeln im Jahr 2009. „Solche Zusammenhänge müssen Eltern wissen und auch verstehen“, sagte Götz. Medien würden die Erfahrungswelten prägen und darauf müsse man adäquat eingehen.
„Wir müssen die Eltern mit in die Verantwortung nehmen und deutlich machen, dass Medien etwas Positives sind, die helfen, sich die Welt zu erschließen“, sagte Jutta Kürtz, Vorsitzende des Beirates vom OKSH (www.oksh.de), bei der Abschlussveranstaltung mit Familienministerin Kristin Alheit und Dr. Maya Götz. Man müsse Eltern begeistern, damit sie mit ihren Kindern im Gespräch blieben. Medienkompetenz alleine an Kinder zu vermitteln nütze nichts, wenn man die Eltern nicht mit im Boot habe. Trotzdem sei auch Schule in der Verantwortung. „Medienkompetenz sollte zum fächerübergreifenden Pflichtfach werden, es ist eine zusätzliche Qualifikation, die fest verankert werden muss“, forderte Kürtz. Auch Alheit befürwortete eine engere Einbindung der Schule. Im Bereich der „alten Medien“ und auch bei Computerspielen sei der Jugendmedienschutz beispielsweise durch Altersfreigaben einfacher als bei den neuen Medien. „Im Internet mit seinen offenen Strukturen ist ein umfassender Schutz deutlich schwerer umzusetzen.“ Daher sei die Stärkung der Medienkompetenz der Jugendlichen ein richtiger Ansatz. Peer-Projekte, in denen Jugendliche von Jugendlichen lernen, seien ebenso wichtig, wie die Einbindung der Eltern. Wichtig sei es auch, schon bei jüngeren Kindern anzusetzen. Durch das Netzwerk Medienkompetenz sei Schleswig-Holstein insgesamt gut aufgestellt. Götz machte deutlich, dass man die Gefahr begreifen müsse, die von den Medien ausgehe, den Jugendschutz dürfe man nicht nur als Herausforderung sehen, sondern müsse auch bereit sein, klare Konsequenzen zu ziehen. „Wir brauchen mehr qualifizierte Diskurse“, wünschte sie sich, stellte aber auch klar, dass Kinder und Jugendliche Kompetenzen brauchen.
Weitere Informationen zur Veranstaltung mit ausgewählten Präsentationen findet man auf www.medienkompetenz.schleswig-holstein.de.
Das Netzwerk Medienkompetenz Schleswig-Holstein hat sich im Juli 2010 in Kiel gegründet und besteht aus 15 landesweit tätigen Institutionen und Organisationen aus Staat und Gesellschaft. Ziel des Netzwerks ist es, die vielfältigen Angebote zur Vermittlung von Medienkompetenz zu bündeln und Medienkompetenz zu vermitteln. Mitglieder sind: Aktion Kinder- und Jugendschutz Schleswig-Holstein, Büchereizentrale des Büchereivereins Schleswig-Holstein, Filmwerkstatt Kiel der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein, Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen in Schleswig-Holstein, Landesjugendring, Landesrat für Kriminalitätsverhütung, Landesverband der Volkshochschulen, Medienanstalt Hamburg / Schleswig-Holstein (MA HSH), Ministerium für Bildung und Wissenschaft des Landes Schleswig-Holstein, Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie und Gleichstellung des Landes Schleswig-Holstein, Offener Kanal Schleswig-Holstein, Staatskanzlei, Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz, Verbraucherzentrale Schleswig- Holstein.
(nach einer Pressemitteilung des OKK)