Preisträger der 58. Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen
Preise des Internationalen Wettbewerbs
Preise der Internationalen Jury
Großer Preis der Stadt Oberhausen
dotiert mit 7.500 Euro
Snow Tapes
Mich’ael Zupraner
Israel/Palästinensischer Gebiete 2011, 13 min 30 sec, HDCAM, Farbe
Begründung: Für diese Arbeit, die ein besonders Gespür für politische Dringlichkeit und Komplexität zeigt, hat der Künstler einer palästinensischen Familie in der spannungsgeladenen Stadt Hebron eine Kamera gegeben. Doch statt einer eindimensionalen Darstellung eines politischen Konflikts macht er den Zuschauern durch die geteilte Leinwand das Leben schwer, in der wir nicht nur mit der brutalen Realität der Besatzung konfrontiert werden, sondern auch mit der Freude des Opfers, das einmal aggressiv sein kann, mit der Mehrdeutigkeit einer sowohl spielerischen wie auch aggressiven Schneeballschlacht, und mit dem israelischen Regisseur selbst, der einen Vorteil aus der Darstellung des Leidens der Palästinenser ziehen kann. Das Resultat ist rau und unfertig, ebenso subtil wie anspielungsreich, und verortet das Kino neu als aktiven Akteur jenseits der Trennung zwischen subjektiv und objektiv, statt sich mit einer passiven politischen Rolle zufrieden zu geben.
Zwei Hauptpreise
dotiert mit jeweils 3.500 Euro
Reframing the Artist
Sascha Pohle
Niederlande 2010, 35 min, HDV, Farbe
Begründung: Man könnte diese Arbeit für eine altbekannte postmoderne Übung halten, in der über die Darstellung von Künstlern im Mainstream-Kino nachgedacht wird. Doch indem der Regisseur die bekannten Tropen ohne Herablassung und mit großer Sensibilität in einer chinesischen Kunstfabrik nachspielen lässt, eröffnet er uns einen immer weiteren Blick auf die erstaunliche Bandbreite einer Kunstarbeit, die Instant-Mona Lisas ebenso umfasst wie Portraits von Vladimir Putin und Deng Xiaoping, sowie einen seltenen und nüchternen Blick auf Arbeiter, schlecht bezahlte Handwerker der Malerei, die ganz entspannt die Rollen heroischer Künstler wie Jackson Pollock und Vincent van Gogh einnehmen.
Ten Five in the Grass
Kevin Jerome Everson
USA 2012, 32 min, DV, Farbe
Begründung: Mittels einer täuschend einfachen, aber sehr genau beobachteten Serie langer Einstellungen entdeckt Kevin Jerome Everson die Welt der echten Cowboys – keine überlebensgroßen mythischen Figuren, sondern ganz normale Afroamerikaner, die sich völlig dem Rodeo verschrieben haben. Es hat etwas wirklich Überraschendes zu sehen, wie das weiße amerikanische Bild des Cowboys hier zum fröhlichen Freizeitvergnügen junger Afroamerikaner wird. Ein sehr bewegendes Portrait, das einem der stärksten romantischen Archetypen eine neue kulturelle Identität verleiht.
ARTE-Preis für einen europäischen Kurzfilm
dotiert mit 2.500 Euro
Marian Ilmestys (Die Verkündigung)
Eija-Liisa Ahtila
Finnland 2011, 37 min 30 sek, DCP, Farbe
Begründung: Das klassische religiöse Motiv der Verkündigung wird sowohl menschlich als auch ironisch dadurch, dass es von einigen unauffälligen, aber absolut engagierten Frauen nachgespielt wird. Verschiedene Bedeutungs- und Sinnlichkeitsebenen werden auf unprätentiöse und entwaffnend witzige Art konstruiert und erzählt.
Lobende Erwähnungen der Internationalen Jury
Sounding Glass
Sylvia Schedelbauer
Deutschland 2011, 10 min, Digibeta, s/w
Begründung: Mit Hilfe einiger weniger Bilder aus der Flut von Material, das während des zweiten Weltkriegs aufgenommen wurde, schafft es die Filmemacherin, das unfassbare Trauma des Krieges in eine starke visuelle Erfahrung zu übersetzen. Durch den hoch konzentrierten Gebrauch von Ton und Bild entwickelt Sounding Glass eine Wirkung, wie sie nur das Kino erzielen kann.
Tic Tac
Josephine Ahnelt
Österreich 2011, 2 min 30 sek, 35 mm/Super 8, s/w
Begründung: Dieser Film ist Ausdruck eines visuellen Rätsels, das zunächst aussieht wie Found Footage von Teenagern, die in einem anonymen Hinterhof spielen. Bei der bescheidenen Länge der zweieinhalb Minuten einer 8mm-Filmrolle fängt Tic Tac Bilder voller Zerbrechlichkeit und Vieldeutigkeit ein.
Preis der Jury des Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen
dotiert mit 5.000 Euro
Slot Machine
Wu Chang-Jung
Taiwan 2010, 3 min, DV, Farbe
Begründung: Die Jury des Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport zeichnet einen kurzen Film aus: Slot Machine von Wu Chang-Jung verbindet in drei Minuten rhythmische Präzision mit medialem Schmiss und Originalität. Er verbindet große Themen wie die auf Gewinnmaximierung fixierte Massenproduktion mit einem absolut zärtlichen und sinnlichen Blick auf Elementares.
Lobende Erwähnung
Applied Theories of Expanding Minds
Lena Bergendahl, Jennifer Rainsford, Rut Karin Zettergren
Schweden/Kenia 2011, 33 min, DV, Farbe
Begründung: Eine lobende Erwähnung sprechen wir einem Film aus, der das Aufbrechen des eurozentrischen Blicks ernst nimmt und damit eine ebenso skurrile wie erschreckend glaubwürdige Welt entwirft. Applied Theories of Expanding Minds von Lena Bergendahl, Jennifer Rainsford und Rut Karin Zettergren ist die Dystopie eines fiktiven Ex-Kolonialgebiets, in dem der Erdmagnetismus das gesellschaftliche und religiöse Leben bestimmt. Kreativer Mut und die Liebe zum inszenatorischen Detail sorgen dafür, dass das Spiel mit Realität und Fiktion nicht Selbstzweck bleibt, sondern spielerisch unverkrampft gesellschaftskritische Assoziationen weckt.
Preis der Internationalen Filmkritik (FIPRESCI-Preis)
Café Regular, Cairo
Ritesh Batra
Ägypten/Indien 2011, 11 min, HDCAM, Farbe
Begründung: Der Film greift ein aktuelles politisches Thema auf – die Freiheit, über das eigene Leben zu bestimmen. Es ist das Portrait einer Frau, die beschließt, ihr Privatleben in die eigene Hand zu nehmen. Der Dialog ist lustig und intelligent, der Regisseur zeigt ein exzellentes Gespür für emotionale Zwischentöne. Die Form ihrerseits ist frisch und lebendig, die Kameraführung ausgefeilt und aufmerksam.
Preis der Ökumenischen Jury
dotiert mit 1.500 Euro
Odete
Clarissa Campolina, Ivo Lopes Araújo, Luiz Pretti
Brasilien 2012, 16 min, HDCAM, Farbe
Begründung: Leben ohne Beziehungen reduziert sich auf reine Existenz. Clarissa Campolina, Ivo Lopes Araújo und Luiz Pretti deuten in ihrem Film eine komplexe Mutter-Tochter-Geschichte an. Die Regisseure lassen mit sorgfältig komponierten Bildern die inneren Begrenzungen von Odete und ihrer Mutter sichtbar werden.
Förderpreis der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen
dotiert mit 0,10 Euro pro abgegebener Eintrittskarte, ca. 1.750 Euro
Jalan Jati (Der Weg des Teak)
Lucy Davis
Singapur 2012, HDCAM, 23 min, Farbe
Begründung: Jalan Jati besticht durch seine handwerklich wie ästhetisch eigenwillige Animation, als Kunstprojekt durch seine außergewöhnliche Verbindung unterschiedlicher künstlerischer wie naturwissenschaftlicher Disziplinen. Eine in jeder Hinsicht organische Gesamtleistung.
ZONTA-Preis
dotiert mit 1.000 Euro, für eine Filmemacherin aus dem Internationalen oder Deutschen Wettbewerb
Ersatz
Elodie Pong
Schweiz/Frankreich 2011, 4 min, HDCAM, Farbe
Begründung: Was sich liebt, das neckt sich. Aus dem dadaistisch anmutenden Sprachspiel über das Wort Ersatz wird plötzlich Ernst. Die Ersatz-Liebe muss sich die Ersatz-Wohnung suchen. Für diese ebenso außergewöhnliche wie witzige Versuchsanordnung geht der Zonta-Preis an Elodie Pong und ihren Film Ersatz.
Preise des Deutschen Wettbewerbs
Preis für den besten Beitrag des Deutschen Wettbewerbs
dotiert mit 5.000 Euro
Item Number
Oliver Husain
Deutschland/Kanada 2012, 16 min, DCP, Farbe
Begründung: Die Zeit läuft ab. Für was oder wen, ist im Spiegel zu sehen. Eine eigene Künstlichkeit verliert ihre Melodramatik und findet sie wieder im Moment, in dem der Raum jenseits der Bühne zur Bühne wird. Und weil es kein Jenseits gibt, entlässt der Film seine Figur.
3sat-Förderpreis
dotiert mit 2.500 Euro, für einen Beitrag, der sich durch eine neue Sichtweise auszeichnet. Der Preis umfasst darüber hinaus das Angebot, den ausgezeichneten Beitrag zu erwerben und im 3sat-Programm zu präsentieren.
Red, She Said
Mareike Bernien/Kerstin Schroedinger
Deutschland/Großbritannien 2011, 13 min, Digibeta, Farbe
Begründung: Von der (Post-)Produktion zur Projektion und Intervention. Eine teilnehmende Untersuchung des Farbfilms, seiner Verfahren und Folgen für die Wahrnehmung einer Wirklichkeit, die weniger aufgenommen als konstruiert wird. Genau so, als Teil einer Debatte, bringen hier mehrere Spots ein Rot neu zum Erscheinen, das in mehr als einem Sinne „bigger than life“ ist.
Lobende Erwähnung
Sounding Glass
Sylvia Schedelbauer
Deutschland 2011, 10 min, Digibeta, s/w
Begründung: Die Gewissheit, dass alle und alles einen festen, historischen Platz haben, weicht Unsicherheit und Suche. Stetiger Wechsel zwischen Licht und Dunkel bringt die Geschichte in Bewegung. Flickern verformt und entwickelt damit eine Sogwirkung, die eine Dringlichkeit erzeugt, die den Zweifel nicht ausschließt.
Lobende Erwähnung
Till Nowak
Deutschland 2011, 7 min, DCP, Farbe
Begründung: Alles dreht sich, alles bewegt sich, alles permutiert. Der Film kommt in seiner digitalen Gegenwart auf seine Jahrmarktswurzeln zurück. Im Austesten der vermeintlichen Trennung von Fiktion und Dokumentation und im Spiel mit dem Publikum macht sich der Film zugleich über neoliberale Vermessung und (Selbst-)Optimierung des Menschen lustig.
Preise des NRW-Wettbewerbs
Preis für den besten Beitrag des NRW-Wettbewerbs
dotiert mit 1.000 Euro, gestiftet von der NRW.Bank
Guck woanders hin
Charlotte Anne-Marie Rolfes
Deutschland 2011, 22 min, HDCAM, Farbe
Begründung: Eigentlich könnte alles ganz schön sein für die 14jährige Janna, ein Nachmittag auf der Kirmes und die Aussicht auf lange Sommerferien. Als sie am See einen gleichaltrigen Jungen trifft, ist sofort klar, dass sich beide füreinander interessieren. Was für den Zuschauer als harmlose erste Annäherung beginnt, enthüllt sich als dramatisch scheiternder Versuch Jannas ein eigenes, von ihr bestimmtes „erstes Mal“ zu erleben. Mit subtilen Elementen deutet die Regisseurin die Missbrauchsgeschichte des Mädchens an. Auf der Suche nach einem normalen Umgang mit unbefangener, körperlicher Nähe holt Janna ihre Geschichte wieder ein. Hervorragend führt die Regisseurin die beiden Laiendarsteller, die in ihren Rollen überzeugen. Besonders beeindruckend ist dabei die Schlüsselszene des Films, in der die Protagonistin nicht nur Opfer bleibt, sondern selbst zur Täterin wird. Die Regisseurin beweist sowohl filmisch als auch inhaltlich einen souveränen Umgang mit dem Thema.
Förderpreis des NRW-Wettbewerbs
dotiert mit 500 Euro, gestiftet von der NRW.Bank
Daphne und Noa
Simon Steinhorst
Deutschland 2011, 9 min, HDCAM, Farbe
Begründung: Wir hören zwei kleine Mädchen von ihrem Leben singen: Es geht um große Themen wie Adoption, Patchwork-Familie und um alltägliche Dinge wie die Schwester, die ins gemeinsame Bett pinkelt. Der Regisseur und sein Team verstehen es, die sprachliche Wirklichkeit der Kinder visuell virtuos umzusetzen. Die sprühende Kreativität der Kinder findet in der bunten Zeichenanimation eine eigenständige Entsprechung. Ihr selbstvergessenes Singen setzt einen assoziativen Zeichenprozess in Gang. Die Animation besticht dabei durch ihren auf die Kindererzählung abgestimmten, rasanten Rhythmus und ihre scheinbare Einfachheit.
Preise des 35. Kinder- und Jugendfilmwettbewerbs
Preis der Kinderjury des Internationalen Kinder- und Jugendfilmwettbewerbs
dotiert mit 1.000 Euro, gestiftet von der Neue Ruhr Zeitung
Ernesto
Corinne Ladeinde
Großbritannien 2011, 7 min, Digibeta, Farbe
Begründung: Die Geschichte von Ernesto hat uns allen besonders gut gefallen. Der Junge möchte auch eine Zahnlücke haben und versucht sich sogar einen Milchzahn mit einer Zange zu ziehen. Plötzlich fangen die Zähne an, sich zu wehren, weil sie noch gar nicht raus möchten. Uns haben die bunten und fröhlichen Bilder gefallen und wir mochten, wie die Figuren gestaltet sind: Ernesto hat eine riesige schwarze Lockenmähne. Auch die Musik und den Gesang fanden wir alle gut und vergeben unseren Preis an Ernesto.
evo-Förderpreis der Kinderjury des Internationalen Kinder- und Jugendfilmwettbewerbs
dotiert mit 1.000 Euro, gestiftet von der Energieversorgung Oberhausen AG (evo)
Mina Moes (Mina Maus)
Mirjam de With
Niederlande 2011, 15 min, Digibeta, Farbe
Begründung: Es gab noch einen Film, den wir alle toll fanden. Er handelt von einem kleinen Mädchen, das sich von den Erwachsenen nichts sagen las
en will. Der Film gefällt uns sehr, weil Mina es schafft, so zu sein wie ihr Vorbild Minnie Maus, obwohl ihre Mutter und ihre Lehrerin das nicht wollen. Das Kostüm mit den großen Minnie Maus-Ohren fanden wir toll und die Schauspieler haben alle sehr gut gespielt. Außerdem ist der Film sehr witzig und unterhaltsam.
en will. Der Film gefällt uns sehr, weil Mina es schafft, so zu sein wie ihr Vorbild Minnie Maus, obwohl ihre Mutter und ihre Lehrerin das nicht wollen. Das Kostüm mit den großen Minnie Maus-Ohren fanden wir toll und die Schauspieler haben alle sehr gut gespielt. Außerdem ist der Film sehr witzig und unterhaltsam.
Lobende Erwähnung:
Gogona Goridan (Das Mädchen aus Gori)
Eka Papiashvili
Deutschland/Georgien 2012, 14 min, Bluray, Farbe
Begründung: Wenn ein Mädchen in eine neue Klasse kommt, dann ist das manchmal schwer für die Neue. Vor allem, wenn es einen Jungen gibt, der sehr gemein ist. Auch der Junge im Film war am Anfang sehr gemein zu der neuen Mitschülerin Tamari und macht ihr sogar die Buntstifte kaputt. Wir fanden es aber toll, dass er sich am Ende bei ihr entschuldigt und ihr sogar neue Stifte schenkt. Weil wir die Schauspieler und die Geschichte sehr mochten, geht unsere lobende Erwähnung an Gogona Goridan.
Preis der Jugendjury des Internationalen Kinder- und Jugendfilmwettbewerbs
dotiert mit 1.000 Euro, unterstützt von der Sir Peter Ustinov Stiftung
Junior
Julia Ducournau
Frankreich 2011, 21 min 30 sek, Digibeta, Farbe
Begründung: Wir vergeben den Preis an einen Film, der uns mit seiner Vielfältigkeit schlichtweg umgehauen hat. Der Wechsel von humorvollen Szenen zu horrorfilmähnlichen Schockmomenten und die schöne Kameraführung haben uns besonders beeindruckt. Mit den interessanten Charakteren kann man sich aufgrund der Thematik Pubertät gut identifizieren und es macht Spaß der eindrücklichen Metamorphose vom hässlichen Entlein zum schönen Mädchen zuzuschauen. Dazu werden die Gefühle aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Das Spiel mit Symbolik, die starken Special Effects und der gelungene Einsatz von Musik und Ton machen Junior für uns zum besten Film des Wettbewerbs.
Lobende Erwähnung
Slot Machine
Wu Chang-Jung
Taiwan 2010, 3 min, DV, Farbe
Begründung: Unsere lobende Erwähnung sprechen wir einem Film aus, der ein wichtiges und globales Thema behandelt. Künstlerisch und äußerst kreativ beschäftigt sich der Film mit Massenkonsum und Kapitalismus. Die Idee, eine Schweinezuchtfabrik als Glücksspielautomat zu inszenieren, hat uns sehr beeindruckt und zum Nachdenken gebracht. Tiere werden nicht als Lebewesen angesehen, sondern sofort nach ihrer Geburt in ihren Geldwert umgerechnet. Weil sich Slot Machine so reflektiert und kritisch mit diesem Thema auseinandersetzt und wir vom Zusammenspiel von Bild und Ton absolut überzeugt waren, möchten wir ihn lobend erwähnen.
(nach einer Pressemitteilung der Kurzfilmtage Oberhausen)