Bild statt Botschaft, Sehen statt Verstehen

Bernd Fiedlers Kurzfilme im Koki Kiel

Eine Er- oder auch Aufweckung sei es für ihn gewesen, als Bernd Fiedler Anfang der 60er Jahre in einem Kieler Plattenladen eine Scheibe mit musique concrète entdeckte. Wie in solcher mit dem Geräusch als Klang umgegangen wird, wollte er Filme machen: Film als Musik, als Poesie, buchstäblich augenblickshaft, als Selbstzweck, als autonome Kunstform, kurz: „cinéma concrète“.
Ob diesen Begriff schon mal jemand anderes verwendet hat, wissen weder Fiedler noch Google so genau. Egal, er bringt sein Kurzfilmschaffen seit 1963, angeregt nicht nur von der musique concrète, auch von den filmexperimentellen Werken Hans Richters, recht genau auf den Punkt – von den frühen Kurzfilmen Anfang der 60er auf 8mm bis zu den ganz aktuellen, digital produzierten, „die wieder so aussehen wie die ersten“, so Fiedler.
„Dramma naturale“ – die Natur ist der beste Regisseur: Still aus „action I“ (Foto: Fiedler)
Über 70 Kurzfilme hat er in diesen knapp 50 Jahren gedreht, seine Kamera immer dabei, ständig Material sammelnd für sein umfangreiches Archiv: Eine Art filmischer Zettelkasten, inzwischen weitgehend digitalisiert, aus dem er noch heute schöpft. Fast nebenbei erwähnt ein solcher „Immer-Filmer“ seinen sonstigen Werdegang: 1966 bis 1968 Studium im ersten Jahrgang der Berliner DFFB, zusammen unter anderem mit Wolfgang Petersen. Dann als freier Kameramann etwa an den Autorenfilmen Rudolf Thomes oder Klaus Lemkes beteiligt. Irgendwann aus München und Berlin zurückgekehrt in seine Heimatstadt Kiel, wo er sein Spielfilm-Konzept „Drehbank“ entwickelte und danach mehrere abendfüllende Fernsehfilme mit einem Bruchteil üblicher Budgets drehte.
Seine „eigentliche Leidenschaft war und ist aber der poetische Kurzfilm“. Etwa „Sebastian“ (1966), eine Montage aus Bahnhofs- und Zugszenen, Warten und Fahren, die von der (foto-) grafischen Qualität des Filmbilds lebt, bewusst keine Geschichte erzählt – oder eben doch jene der Bilder aus und an sich. Ebenso „Ansicht VI“, gerade fertig zusammengeschnitten aus dem Filmzettelkasten das Bild eines „Kameramanns“, der einer Haussprengung im Berlin der 60er zusieht, durch einen Rückwärtseffekt gleichsam zurück in die Zukunft geholt. Vielleicht schon zu viel der Interpretation, denn Fiedlers Kurzfilme „muss man nicht verstehen, nur sehen“. „Für keine Botschaft“ will Fiedler „die Bilder benutzen“. Er will den Film wieder zu dem machen, was er vom Medium her ist: eine Schule des Sehens.
Aus dem Filmzettelkasten – der Kameramann beobachtet den „Kameramann“, wie er beobachtet: Still aus „Sebastian“ (1966) und „Ansicht VI“ (2012) (Foto: Fiedler)
Drei Konzepte verfolgt er dabei: Die Montage des „found footage“ aus dem gefilmten Alltag, das „Drana – dramma naturale“, wo „die Natur der beste Regisseur ist“, und durch Tricks wie Kollisionsmontage von Bild und Ton ins Absurde manipulierte Naturaufnahmen, etwa in der Serie „action“. Aus allen drei „Genres“ hat er für die Werkschau im Koki Kiel „Filme wie Musik“ zusammengestellt, denen man zusehen und nicht zuletzt zulauschen soll. (jm)
Montag, 5.3.2012, 20.30 Uhr, Kommunales Kino in der Pumpe (Kiel, Haßstr. 22).
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