Archäologiefilmfestival CINARCHEA: Infobrief von Dr. Kurt Denzer

Am 29. Oktober 2011 feierte das Archäologische Landesamt Schleswig-Holstein seinen Tag der Archäologie anlässlich des 175. Geburtstages des Landesmuseums auf Schloss Gottorf und damit die lange Existenz eines der ältesten Museen dieser Art in Deutschland. Per Kristian Madsen, Direktor des Dänischen Nationalmuseums in Kopenhagen, erwähnte in seinem Grußwort, dass zur gleichen Zeit Ole Crumlin-Pedersen in Dänemark zu Grabe getragen werde. Als Gast dieser Festveranstaltung verspürte ich einen lähmenden inneren Schlag, für mich ein bis dahin ungekanntes Gefühl. Ole Crumlin-Pedersen, der Anfang der 60er Jahre die fünf Wikingerschiffe im Roskilde-Fjord geborgen hatte, durfte ich im Sommer 1979 bei den Dreharbeiten zum archäologischen Grabungsprojekt Haithabu kennenlernen, als er mit seinem Team das Haithabu-Schiff barg. Er beeindruckte mich durch seine ruhige, bedächtige Art, mit der er sein profundes Wissen zur Schiffsarchäologie in selbstverständlicher Freundlichkeit weitergab. Es ist dem damaligen Projektleiter Dr. Kurt Schietzel zu danken, dass er bei allem provinziellen Chauvinismus des politisch damals im Lande hoch gehängten Grabungsprojekts diesen Fachmann aus Dänemark samt Assistenten für die Bergung hatte gewinnen können. Für die filmische Dokumentation war dies ein Glücksfall. Crumlin-Pedersen hat mich beim gesamten Kommentar des Schiffsbergungsfilm beraten, und ein Detail mag seine Akkuratesse anzeigen: bei der Kennzeichnung des Wracks wurde hier stets vom Königsschiff gesprochen, er hat es – zumindest in seiner dänischen Fassung – auf Grund der Holzbeschaffenheit als „königliches“ Schiff bezeichnet.
Ich bin glücklich, dass ich ihn als bisher einzigen Fachmann bei all meinen Filmen zur Archäologie der Wikingerzeit mit kurzen Kommentaren live im Film „Das Haithabu-Schiff“ dokumentiert habe. Bei unserem Symposium „Archäologie im Film“ im Juni 2011 zeigte ich den Ausschnitt, als Crumlin-Pedersen das erste Teil des Schiffes aufspürte, barg und inhaltlich einordnete. Frau Prof. Dr. Stutterheim von der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Babelsberg lobte diese Sequenz mit den Worten, hier werde sensibel mit ruhiger Kamera ohne Musikbegleitung gezeigt, mit welcher beeindruckenden Behutsamkeit Crumlin-Pedersen gearbeitet habe.
Anfang 1984 durfte ich mit meinen Studenten bei der ersten originalgetreuen Nachbildung eines Wikinger-Schiffs, des Wracks 3, in Roskilde drehen und habe damit wohl zum ersten Mal einen wirklich originalgetreuen Nachbau filmen können (mit dem der Film „Das Haithabu-Schiff“ beginnt). Crumlin-Pedersens Arbeit musste alle beschämen, die bis dahin (und z.T. auch später noch) von so genannten „originalgetreuen“ Nachbauten sprachen oder den damals aufkommenden Begriff „experimentelle Archäologie“ inflationär benutzten. Der wissenschaftliche Gewinn ergab sich später bei den von ihm durchgeführten Messfahrten, deren Ergebnisse die Kenntnis zum Fahrverhalten der Drachenboote grundlegend erneuerte. Der Anfang von „Die Welt der Wikinger“ zeigt den Stapellauf des Nachbaus „Roar Ege“ in Roskilde.
Die Qualität dieser beiden Filme verhalf ihnen nicht nur zum einstimmigen Votum „wertvoll“ und „besonders wertvoll“ bei der Filmbewertungsstelle der Länder in Wiesbaden (FBW), sondern auch zu Hauptpreisen bei den internationalen Archäologie-Film-Festivals in Brüssel, Verona, Paris und Bordeaux. Im Oktober 1992 regten daraufhin die Leiter der anderen Festivals in Bordeaux an, auch in Kiel ein derartiges Festival zu gründen, und 1994 kann Philippe Dorthe von ICRONOS beim Grußwort zur Premiere in Kiel feststellen: Wenn die Gesellschaft „die Wissenschaft mit der notwendigen Forschungsarbeit beauftragt, dann hat letztere auch die Pflicht, dem Publikum die Ergebnisse ihrer Arbeit zu vermitteln. Zu diesem Zweck ist der Archäologiefilm besonders geeignet.“ (CINARCHEA-Chronik, S. 29) Dieser Wunsch ging für alle süd- und westeuropäischen Festivals in Erfüllung, allein in Deutschland schlugen einige Versuche fehl. CINARCHEA bewies zwar Kontinuität, litt aber bei aller Wertschätzung kulturell Interessierter am mangelnden Besuch der Archäologen, die sich bei uns nicht mit diesem Medium anfreunden können. Das Wikinger Museum Haithabu wurde mit dem Schiffsbergungsfilm eröffnet, der – wohl einzigartig in der internationalen Museumsszene – in vier eigenen Synchronfassungen (dt., dän., engl., frz.) simultan vorgeführt werden kann und alle Teile, die in der Ausstellungswabe des Wracks zur Schau stehen, bei ihrer Bergung zeigt – eine Novität in der Museumslandschaft. In dem ausführlichen Bericht der neuen Ausstellungskonzeption im Fachblatt „Antike Welt“ kommt allerdings nirgends der Begriff „Film“ vor, obwohl Millionen Zuschauer die Filme dort gesehen haben.
Italien und Frankreich haben ein anderes Verhältnis zum Film. Im Jahre 2007 wurden in Bordeaux zum 9. Festival ICRONOS „Le bateau d’Haithabou“ und „Le monde des vikings“ zum großen Wikingerthema eingeladen und eine „Mention spéciale a Kurt Denzer pour la passion qu’il a mis au suivi du film archéologique“ verliehen. Dass mir nun beim Geburtstagsfest des Landesmuseums von Prof. Dr. Claus v. Carnap-Bornheim eine goldene Schaufel ans Revers gesteckt wurde für jahrelange ehrenamtliche Arbeit an CINARCHEA und eine fast lebensgroße Schaufel von Ministerpräsident P. H. Carstensen hat mich – zumal es eine geheim gehaltene Überraschung war – sehr erfreut.
Die Auszeichnung war für mich ein erfreulicher Abschluss meiner Tätigkeit als Vorsitzender des Fördervereins, und mit dem Protokoll der letzten MV, bei der ich – wie angekündigt – von allen Posten zurücktrat, möchte ich mich bei allen Mitgliedern verabschieden, Ihnen danken für die vielen Anregungen und guten Rückmeldungen und hoffen, dass alle zum weiteren Bestehen des guten Namens beitragen. Dr. Ben Krause-Kyora wird als neuer 1. Vorsitzender demnächst den neuen Vorstand vorstellen und einen Ausblick auf die Zukunft geben. Das gute Symposium hat einige Ideen freigelegt, auf weitere Anregungen hoffe ich als Mitglied und wünsche nun allen gute Festtage.
Euer/Ihr Kurt Denzer, Stud.-Dir. i. R.
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