Singende Drähte im Schwimmbecken
Die Muthesius Kunsthochschule und das Neue-Musik-Projekt chiffren widmen sich in einem intermedialen Symposium der Klangkunst
Was erklingt in/aus einem Magnetresonanztomographen (MRT)? Arnold Dreyblatt, Medienkünstler, Komponist und seit 2009 Professor für Medienkunst an der Kieler Muthesius Kunsthochschule, hörte in den Geräuschen, die das medizinische Hightech-Gerät neben Bildern von sich gibt, obertonreiche Klänge, die zudem in Relation zu räumlichen Gebilden stehen. Seine performative Klanginstallation “Turntable History – Spin Ensemble” ist eine der Arbeiten, die beim intermedialen Symposium “Augenhören | interArtiv | Ohrensehen” im Kieler Lessingbad gezeigt/aufgeführt sowie in begleitenden Vorträgen reflektiert werden.
Zwischen bildender Kunst und (Neuer) Musik sind die Verbindungen bislang eher locker – trotz des “Acoustic Turn”, den das interdisziplinäre Symposium des Forums der Muthesius Kunsthochschule 2006 ausrief. Das mag an zweierlei liegen: Einerseits kämpfen bildende und musikalische Kunst seit dem 19. Jahrhundert konkurrierend (oder auch einvernehmlich gesamtkunstwerkend wie in Wagners Opern) um die ästhetische Vorherrschaft. Ein Kampf, der selbst in der seit dem 20. Jahrhundert zunehmenden Annäherung im Sinne einer interdisziplinären, “interartiven” Medienkunst nicht entschieden ist. Andererseits ist die Musik eine Kunst der Zeit, die bildende eine des Raums. Beide treffen sich jedoch in der Klangkunst, wo der Raum zum Parameter des Klangs wird und umgekehrt. So war es “zunächst auch schwierig, die Muthesius Kunsthochschule in das Neue-Musik-Projekt chiffren einzubinden”, so Dreyblatt. Jetzt ist es in einer Kooperation zwischen Muthesius Kunsthochschule, der Lübecker Musikhochschule, chiffren und des Instituts für Neue Musik und Musikerziehung Darmstadt (Prof. Helmut Bieler-Wendt) gelungen.
Arnold Dreyblatts Arbeit mit dem MRT (Konzert: Fr, 21.30 Uhr) ist dabei geradezu Motto, denn die Magnetresonanztomographie ist ein bildgebendes Verfahren, wo die Bilder aus Schwingungsresonanzen der Moleküle im elektromagnetischen Feld entstehen. Aus “Klang” wird “Bild”, “Augenhören” zum “Ohrensehen”. Welchen Impuls auch Petra Maria Meyers Vortrag “Hören gegen Sehgewohnheiten” (Fr, 15 Uhr) aufnimmt, in dem sie sich und uns fragt, wie im Hören als “dazwischen Wahrgenommenem” Bilder entstehen und wie die Klangkunst die am Auge orientierte bildende inspirierte.
Das Schwimmbecken des ehemaligen Lessingbads als Klang- und Ausstellungsraum für “Augenhören – Ohrensehen” (Foto: Sarah Trentweber)
Das Symposium samt Ausstellung der Arbeiten aus den Medienkunst-, Raumgestaltungs- und “interaktive Medien”-Klassen der Muthesius Kunsthochschule sowie international maßgeblicher Klanginstallateure will Brücken schlagen zwischen den Künsten und Sinnen – zwischen Sehen und Hören, zwischen räumlicher und zeitlicher Wahrnehmung. Arnold Dreyblatt freut sich, dass “derart Hochkarätiges auf dem Gebiet der Klanginstallation in Kiel versammelt werden konnte”. Etwa Alvin Luciers “Music On A Long Thin Wire”, die Hauke Harder (mit seiner “Gesellschaft für akustische Lebenshilfe” Neue-Musik- und Klangkunst-Pionier im Kiel der 90er Jahre) im Schwimmbecken des Lessingbads installiert: Ein langer, dünner Draht, der durch Elektromagnetismus zum obertönig schwebenden Schwingen gebracht wird, ein räumliches Gebilde, das klingt (Präsentation im Ausstellungsrundgang: Fr, 20 Uhr; Vortrag, Konzert und Film: Sbd, 20.30 Uhr).
Ein “Klangbad” im Schwimmbecken des Lessingbads, das auch Studierende aus dem elektronischen Studio der Lübecker Musikhochschule ein- und ausgießen (Sbd und So, jeweils 12 Uhr). Augenhörens- und ohrensehenswert wie das Konzert mit Brandon LaBelle (Sbd, 19.30 Uhr), der den “Sound At The Back Of The Mouth” und darin die Stimme “als Scharnier, welches das Hörbare und das Nichthörbare der Sprache verbindet”, entdeckt. (jm)
Lessingbad (Lessingplatz 1), 10. bis 13. Nov. 2011, Do ab 18 Uhr (Eröffnung), Fr ab 15 Uhr, Sbd und So ab 12 Uhr. Alle Vorträge sind öffentlich. Detailliertes Programm unter www.chiffren.de.