Oberhausen: Das Kino der Tiere – eine kurze Geschichte des Tierfilms
Das diesjährige Themenprogramm der 57. Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen stellt “Das Kino der Tiere” in den Mittelpunkt. Unter diesem Titel plant das Festival ein großes Programm zur Geschichte des Tierfilms, kuratiert von Cord Riechelmann und Marcel Schwierin.
Mit dem Film werden die Tiere sie selbst. Der Film machte es möglich, Tiere in ihren Bewegungen und Gesten in Echtzeit zu zeigen. Das reale Tier konnte erstmals als das wirklich andere Lebewesen erscheinen, das es war. Das war nicht nur neu, es war auch beängstigend. Das Tier musste daher auch im laufenden Bild wieder eingefangen werden. Tierfilme sind Spiegel der sie produzierenden Gesellschaften, ihrer Wissenschaften und Ideologien. Was aber sieht der Mensch, wenn er das Tier anschaut?
Der Biologe Cord Riechelmann und der Filmemacher und Kurator Marcel Schwierin untersuchen das Bild, das sich der Mensch vom Tier macht, im wissenschaftlichen wie künstlerischen Film. Es ist das erklärte Ziel des Programms, dem Tier seine Eigenständigkeit zurückzugeben. Die Überlegenheit, die der Mensch für sich in Anspruch nimmt, soll sowohl aus wissenschaftlicher wie ästhetischer Perspektive hinterfragt werden.
Der wissenschaftliche Tierfilm wurde stark von den ihn produzierenden Gesellschaften geprägt. In Europa spiegelte er die Konzepte von Konrad Lorenz’ Trieblehre und Arterhaltungskonzept, die im Sozialdarwinismus der Nazis ihre übersteigerte Entladung fanden. Der sowjetische Film hingegen stand ganz unter dem Einfluss von Pawlows Reflextheorie, nach der man die angeborenen Energien umlenken und somit zivilisieren kann. Die amerikanische Betrachtung des Tieres blieb auch im Film dem Behaviorismus treu, nach dem die Lebewesen als Tabula rasa auf die Welt kommen und allein von der Gesellschaft geformt werden. Die wissenschaftliche Beobachtung des Tieres wird zur Ideologie des Menschen. Der künstlerische Film mit Tieren, von Joseph Beuys über Peter Kubelka, William Wegman bis hin zu Oleg Kulik und Roz Mortimer, hingegen fokussiert sich weniger auf das Tier an sich als vielmehr auf das Verhältnis von Mensch und Tier. So wird er zur Metakritik des Tierfilms und der ihm zugrunde liegenden Ideologien.
(nach einer Pressemitteilung der Kurzfilmtage Oberhausen)