51. Nordische Filmtage Lübeck 2009

Die Preisträger der 51. Nordischen Filmtage Lübeck und die Preisträger des Norddeutschen Filmpreises 2009

Das schwedische Ehe-Drama „Eine vernünftige Lösung“ von Jörgen Bergmark hat den NDR Spielfilmpreis der 51. Nordischen Filmtage Lübeck gewonnen. „Großartige Schauspieler mit Mut zu direkten und verletzlichen Momenten führen uns durch eine Geschichte, die sowohl verrückt und gleichzeitig der Realität nah ist“, lobte die Jury den Film mit Pernilla August und Rolf LassgÃ¥rd, in dem zwei Paare durch eine Affäre untereinander auf die Probe gestellt werden. „Erstaunlich ehrlich verfolgt der Film die Utopie zweier Paare, die verzweifelt versuchen, alles richtig zu machen“, urteilt die Jury des NDR Spielfilmpreises in ihrer Begründung.
Gleich zwei Preise gingen an den finnischen Regisseur Klaus Härö: Für sein bewegendes Charakterstück „Post für Pastor Jakob“ über die innige Verbindung zwischen einem Pastor und einer verurteilten Mörderin erhielt er sowohl den LN Publikumspreis als auch den Kirchlichen Filmpreis der Nordischen Filmtage Lübeck. Das finnische Gesellschaftspanorama „Begegnungen“ von Saara Cantell wurde mit dem Baltischen Filmpreis ausgezeichnet.
Norwegen ist der große Gewinner der Sektion Kinder- und Jugendfilm: „Yatzy“ der Regisseurin Katja Eyde Jacobsen, ein intensives Drama über ein traumatisiertes Pflegekind, wurde mit dem Kinder- und Jugendfilmpreis der 51. Nordischen Filmtage Lübeck ausgezeichnet. Die musikalische Komödie „ORPS – The Movie“ von Atle Knudsen erhielt den Preis der Kinderjury.
Der Dokumentarfilmpreis der Lübecker Gewerkschaften ging an die dänischen Filme „Von Thailand nach Thy“ und „Von Thy nach Thailand“, in denen Regisseur Janus Metz Thailänderinnen begleitet, die zum Heiraten in die dänische Provinz gekommen sind.

NDR Spielfilmpreis

Eine vernünftige Lösung / Det enda rationella / A Rational Solution, Regie: Jörgen Bergmark, Schweden
Jurybegründung: Vor was haben wir alle am meisten Angst? Dass unser Traum von der ewig dauernden Liebe eines Tages zu Ende sein könnte. Zwei befreundete Paare werden durch eine Affäre untereinander auf die Probe gestellt. In dem Versuch, die lebenslange Liebe zu retten, suchen sie für dieses Problem „eine vernünftige Lösung“: eine Wohngemeinschaft, in der Gefühle diskutiert, geregelt und offen ausgelebt werden. Schließlich ist man erwachsen. Erstaunlich ehrlich und konsequent verfolgt der Film die Utopie zweier Paare, die verzweifelt versuchen, alles richtig zu machen. Großartige Schauspieler mit Mut zu direkten und verletzlichen Momenten führen uns durch eine Geschichte, die sowohl verrückt und gleichzeitig der Realität nah ist. Ein Film in dem vier Menschen um ihre Liebe kämpfen: die gestrige, die heutige und die von morgen.

LN Publikumspreis

Post für Pastor Jakob / Postia pappi Jaakobille / Letters to Father Jacob, Regie: Klaus Härö, Finnland

Baltischer Filmpreis

Begegnungen / Kohtaamisia / Heartbeats, Regie: Saara Cantell, Finnland
Jurybegründung: Viele Filme versuchen, ihren Charakteren nahe zu kommen, nur wenigen gelingt es. Wir haben einen Film gewählt, der unser Mitempfinden möglich macht. Einen Film, der seine Geschichte in erlesenen Skizzen erzählt. Einen Film, der über exquisite Einzelbilder einen herzlichen, mitfühlenden Blick auf die Welt zum Ausdruck bringt.

Kirchlicher Filmpreis

Post für Pastor Jakob / Postia pappi Jaakobille / Letters to Father Jacob, Regie: Klaus Härö, Finnland
Jurybegründung: Der Kirchliche Filmpreis der 51. Nordischen Filmtage Lübeck geht an „Post für Pastor Jakob“ von Klaus Härö aus Finnland. Der Film erkundet die emotionale und spirituelle Verbindung zwischen einem blinden Pastor und einem verurteilten Mörder und vermittelt die Botschaft des Evangeliums von der bedingungslosen Liebe und Vergebung auf eine erfrischende und überraschende Weise. Die relative Schlichtheit der Handlung sowie die emotional aufgeladene und doch gelassene Darstellung der Schauspieler Kaarina Hazard und Heikki Nousiainen machen „Post für Pastor Jakob“ zu einem intensiven Filmerlebnis.
Lobende Erwähnung an:
Vegas, Regie: Gunnar Vikene, Norwegen
Die Interfilm-Jury der 51. Nordischen Filmtage vergibt eine Lobende Erwähnung an „Vegas“ von Gunnar Vikene. Den jugendlichen Schauspielern Karoline Stemre, Jørgen Hausberg Nilsen und Sindre KvalvÃ¥g Jacobsen gelingt eine überzeugende Darstellung ihrer Charaktere, deren Familien durch häusliche Gewalt, sexuellen Missbrauch und Schuldzuweisung zerrüttet sind. Im Angesicht mangelnder elterlicher Verantwortung, die der Film als gesellschaftskritisches Bild eines Wohlstandslandes aufzeigt, unterstreicht der Film die Chance der Kinder für einander ihres „Bruders Hüter“ zu sein und an der Hoffnung auf eine heile Familie festzuhalten.

Dokumentarfilmpreis

Von Thailand nach Thy / Fra Thailand til Thy / Love on Delivery, Von Thy nach Thailand / Fra Thy til Thailand / Ticket to Paradise, Regie: Janus Metz, Dänemark
Jurybegründung: Der Preis wird für beide Filme vergeben, weil nach unserer Auffassung beide untrennbar miteinander verbunden sind. Es ist eine besondere Leistung des Regisseurs Janus Metz, so nah an Personen und deren persönliches Schicksal heranzukommen. Eine ausgezeichnete Kameraarbeit und präziser Schnitt vermitteln Emotionen der Protagonisten, die sonst kaum wahrgenommen werden. Wir lernen Frauen kennen, die es durch Migration in ihnen fremde Welten schaffen, ihre Existenz zu sichern.
Lobende Erwähnung an:
Blut & Ehre / Blod & ære / Big John, Regie: Håvard Bustnes, Norwegen
Havard Bustnes ist es gelungen, vielschichtige Probleme in einem Film zu thematisieren. Über den Boxsport wird die Vater-Sohn-Beziehung und die Schwierigkeiten der ethnischen Minderheit der Roma in Norwegen dargestellt. Mit der hervorragenden Montage von Archivmaterial kann so ein Leben für den Profiboxsport verfolgt werden.

Kinder- und Jugendfilmpreis

Yatzy, Regie: Katja Eyde Jacobsen, Norwegen
Jurybegründung: Gefangen im brennenden Schrank beginnt der fünfzehnjährige Daggi seinen langen Weg in die Befreiung. Seine traumatische Erfahrung aus Mobbing, Demütigung und Missbrauch entschlüsselt sich für den Zuschauer erst schrittweise in Daggis Videoaufzeichnungen, die er sich wieder und wieder anschaut. „Yatzy“ überzeugt durch erzählerische Konsequenz. Stringent aus der Perspektive ihres Protagonisten zeigt Regisseurin Katja Eyde Jacobsen, wie ein Trauma auch nach dem Ende des Missbrauchs im Kopf weiterlebt und Daggi die aufkeimende Liebesbeziehung mit Gloria unmöglich macht. Das stumme und zugleich beredte Spiel des Hauptdarstellers zwischen Verletzlichkeit und Aggression verleiht „Yatzy“ eine beunruhigende Intensität. Mit den Video-im-Film-Sequenzen wird deutlich, dass Filmen beklemmendes Erinnern sein, zuletzt aber auch befreien kann.

Preis der Kinderjury

ORPS – The Movie, Regie: Atle Knudsen, Norwegen
Jurybegründung: Wir hatten das Glück dieses Jahr, Mitglieder der Kinderjury zu sein. Gemeinsam haben wir die letzten Tage – statt in der Schule – im Kino verbracht. In dieser Zeit haben wir sieben ausgewählte Filme angeguckt. Unsere Aufgabe bestand darin, die Filme zu bewerten, indem wir diese gemeinsam besprachen und am Ende einen Gewinner bestimmten. Die drei vergangenen Tage waren sehr lustig, abwechslungsreich, aufregend und manchmal auch ein bisschen anstrengend. Obwohl uns alle Filme gut gefallen haben, mussten wir am Ende eine Entscheidung treffen. Besonders ein Film hat uns aufgrund seiner Geschichte und deren Umsetzung beeindruckt. Unsere anfänglichen Befürchtungen, dass der Film langweilig sein könnte, wurden überraschenderweise gleich zu Beginn von Begeisterung abgelöst. Dass Kapellenmusik auch ganz anders sein kann, Freundschaft und Zusammenhalt wichtiger sind als der Sieg, hat uns dieser Film gezeigt. Zudem gefiel uns die schauspielerische Leistung der Hauptdarsteller. Dies führte zu einem abwechslungsreichen, witzigen und gefühlvollen Film. Daher geht der Preis der Kinderjury an „ORPS“ von Atle Knudsen.

Cinegate-Preis

vorher/nachher, Regie: Sonja Marie Krajewski, Deutschland
Jurybegründung: „Schonungslos“, „gnadenlose Konfrontation“, „realistisch“ und „nichts wird beschönigt“: Das waren die ersten Gedanken und Äußerungen im Rahmen der Jurybesprechung zu dem diesjährigen Gewinnerfilm. Neben einer sehr guten technischen Umsetzung (gute Kameraführung) brillierte der Film durch seine authentisch dargestellten Charaktere, die durch die wohlbesetzten Schauspieler realistisch vermittelt werden. Ein Film, der mutig mit einem gesellschaftlichen Tabuthema aufräumt. Dem Zuschauer wird mit dem offenen Ende deutlich die ausweglose Situation des alleingelassenen Opfers aufgezeigt. In unserem Gespräch fiel ein Satz, der das Gefühl gut wiedergibt: „Das Leben geht weiter, aber zu welchem Preis …“ Wir gratulieren dem Team des Films „vorher/nachher“.
Eine besondere Erwähnung erhält der Film „Terminal“ von Jörg Wagner. Er beschäftigt sich auf künstlerische Weise mit der Arbeitswelt. Erst scheinbar abstrakt, machen diese Abläufe viel von unserem Leben aus. Klasse Soundeffekte und Kameraführung/-Einstellungen.

Norddeutscher Filmpreis


Bester Kinofilm: Buddenbrooks, Regie: Heinrich Breloer, Produktion: Bavaria Film, Matthias Esche
Jurybegründung: Der Film BUDDENBROOKS ist eine Geschichte über das Scheitern. Die wohlhabende Kaufmannsfamilie Buddenbrook scheitert existenziell: beruflich und menschlich. Dünkel und Besitzstreben verdrängen Liebe und Zwischenmenschlichkeit, der Verzicht auf individuelles Glücks gilt als Voraussetzung für geschäftlichen Erfolg. Das erwachende Interesse für die Künste führt in den Ruin. Drei Generationen nähern sich auf unterschiedliche Weise dem Konflikt zwischen wirtschaftlichen Interessen und persönlichen Sehnsüchten. Angelehnt an den großen Gesellschaftsroman von Thomas Mann erweckt der Film die norddeutsche Hansestadt Lübeck im beginnenden Industriezeitalter zu neuem Leben und hebt Norddeutschland als bedeutungsvollen Ort deutscher Literatur und Geschichte in das Bewusstsein auch der jungen Generation. Dazu tragen große Schauspieler genauso bei wie eine opulente und detailgenaue Ausstattung, die die eindrucksvolle Lübecker Stadtsilhouette immer wieder mit einbezieht.
Bester Fernsehfilm: Dancing with Devils, Produktion und Regie: Klaus Lemke
Jurybegründung: Nina hält Saralisa für verantwortlich am Drogentod ihres Freundes. Sie schwört, sich an Saralisa zu rächen, wenn diese aus dem Gefängnis kommt. Liebe, Rache, Einsamkeit und Sehnsucht stehen in Klaus Lemkes DANCING WITH DEVILS im Mittelpunkt. Dabei zeigt sich Klaus Lemke einmal mehr als Meister der einprägsamen Bilder, dem es mit wenigen Einstellungen gelingt, eine komplexe Geschichte zu erzählen. Der Film überzeugt durch seine dokumentarische Authentizität und zeigt ein Hamburg zwischen St. Pauli, Sternschanze und Altona, jenseits aller Klischees. Das Besondere an dieser zwar präzisen, aber niemals bedeutungsüberfrachteten Milieustudie sind die großartigen Laienschauspieler, die ihren Figuren eine berührende Glaubwürdigkeit verleihen. Die Jury zeichnet Klaus Lemke auch für seine Radikalität und Konsequenz des Filmemachens aus, für die DANCING WITH DEVILS ein hervorragendes Beispiel ist.
Beste Dokumentation: Wasser und Seife, Regie und Produktion: Susan Gluth
Jurybegründung: Feuchte Servietten werden in die Mangel gesteckt, Unterwäsche aus dem Waschnetz gezupft, die Trockner wummern, es dampft und zischt. Liebevoll entdeckt Susan Gluths Dokumentation die Wäscherei-Angestellten Tanja, Gerti und Monika als Heldinnen des Alltags, begleitet sie in ihrem Existenzkampf, der durch die Allgegenwart globaler Konkurrenz immer härter wird. Susan Gluth ist ein außergewöhnlicher Film gelungen, denn sie betrachtet den Alltag der Frauen mit großem Respekt vor ihren – nicht nur körperlichen – Leistungen. Die Frauen wollen auf eigenen Füßen stehen anstatt dem Staat auf der Tasche zu liegen. Der Film zeigt einen detaillierten, häufig ignorierten Blick auf Lebensverhältnisse und Umfelder. Eine einfühlsame Vorgehensweise, durch die dem Film große dokumentarische Momente gelingen, die ihn zu einem Plädoyer für die Würde des Menschen in einer globalisierten Welt machen.
Dokumentarfilmemacherin Susan Gluth mit zwei ihrer Protagonistinnen Monika Schückher (li.) und Gerti Franzen (re.) (Foto: Helmut Schulzeck)

Bestes Drehbuch: Soul Kitchen, Fatih Akin & Adam Bousdoukos
Jurybegründung: Ein griechischer Restaurantbesitzer, eine abgerockte Gaststätte in Wilhelmsburg, ein neuer Koch, eine Freundin in Shanghai, ein Immobilienmakler, ein Freigänger als Bruder und ein schmerzhafter Bandscheibenvorfall: Aus diesen Zutaten haben Fatih Akin und Adam Bousdoukos ein virtuoses Drehbuch komponiert: Dramatisch, melodramatisch, komisch, absurd und sehr emotional. Es überzeugt durch Authentizität, Tempo und pointiertem Humor. Jede Figur – bis in die kleinste Nebenrolle – ist detailliert und mehrdimensional gezeichnet. Im Kosmos einer Kneipe spiegelt sich die Welt, in der Außenseiter und Freaks genauso eine Lebensberechtigung haben wie Beamte vom Gesundheitsamt. Ein „dirty“ Heimatfilm, der eine einzige große Liebeserklärung an Hamburg ist.
Regisseur Fatih Akin (li.) mit der Schauspielerin Sara Lisa Volm und Regisseur Klaus Lemke (Foto: Helmut Schulzeck)

Preis für besondere Verdienste: Katharina M. Trebitsch
Als Produzentin von zahlreichen erfolgreichen und mehrfach ausgezeichneten Fernsehfilmen und -serien, wie zum Beispiel BELLA BLOCK, DIESE DROMBUSCHS, DIE BERTINIS, DONNA LEON und MARCEL REICH-RANICKI – MEIN LEBEN, hat Katharina Trebitsch den Norden zum Drehort für ihr
starken Geschichten gemacht. 1980 gründete sie
mit der Objektiv Film ihre erste eigene Produktionsfirma, die später Teil der Trebitsch Produktion Holding wurde und seit 2004 zur Ufa gehört. Heute produziert Katharina Trebitsch ihre Filme mit der Trebitsch Entertainment GmbH. Mit dem Norddeutschen Filmpreis für besondere Verdienste wird Katharina Trebitsch für ihr großes Engagement und ihre Verdienste um die norddeutsche Filmregion geehrt.
(nach einer Pressemitteilung der NFL)
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