13. Filmfest Schleswig-Holstein Augenweide
Augenweide 2009: Innovative Heimat für den Film
„Schleswig-Holsteinischer geht’s nicht“, sagt Bernd-Günther Nahm, Leiter der Filmwerkstatt Kiel und neben Kirsten Geißelbrecht, Lorenz Müller, Eckhard Pabst, Claudia Schmidt und Helmut Schulzeck Programmmacher des 13. Filmfests Schleswig-Holstein Augenweide, nicht nur über den Eröffnungsfilm des Festivals, Lars Jessens Adaption von Rocko Schamonis Kultroman „Dorfpunks“.
„Dorfpunks“
Es ist nicht nur das Lokalkolorit der hiesigen Punk-Bewegung, die Anfang der 80er von Lütjenburg aus Schleswig-Holstein aufrollte, das die Eröffnung innerhalb weniger Tage ausverkaufte (kurzfristig wurde eine Sondervorstellung des Films am Freitag, 22.30 Uhr im KoKi organisiert). Schon seit Jahren zeigt die Augenweide, dass das Land zwischen den Meeren keine filmische Provinz mehr ist. Indem sich „neue Heimatfilme ebenso kritisch wie liebevoll mit den Menschen und ihren Eigenarten im Lande auseinandersetzen“, weiß Nahm und verweist auf zwei Dokumentarfilme, die unter dem Label „Küstenfilm“ am Sonnabend und Sonntag im Nachmittagsprogramm laufen. In „Der Mann in der Brandung“ (Sbd, 16 Uhr) porträtiert Wilhelm Rösing den Fotografen Franz Schensky, dessen Fotos von Helgoland ein ebenso typisches wie norddeutsch eigensinniges Bild der Nordseeinsel zeichneten.
„Der Mann in der Brandung“ (Foto: Franz Schensky)
Einen nicht minder eigenwilligen Kampf mit dem „blanken Hans“ zeigt Frank D. Müllers abendfüllende Doku „Meerkampf. Watt?“ (So, 18 Uhr) über Menschen am Deich, die das Watt als Spielfeld für eine schräge Olympiade nutzen. Dass Müller ein Landeskind ist, das, so Nahm, „die typische Karriere von der LAG Jugend und Film über die Kulturelle Filmförderung bis zum professionellen Filmemacher durchlaufen hat“ (wie auch „Dorfpunks“-Regisseur Lars Jessen), ist nicht nur ein weiterer S.-H.-Bezug, sondern auch Beweis, wie sich kontinuierliche Förderung junger Talente letztlich in avancierten Filmen niederschlägt.
„Meerkampf. Watt?“
Und im Programm der Augenweide – zwei Tendenzen macht Nahm aus: „Mehr Filme, die nicht nur von Schleswig-Holsteinern gemacht sind, sondern sich auch mit dem Land und seinen Themen auseinandersetzen, und mehr Filme, die statt der kurzen Form das lange Format wagen.“ Was die Programmmacher nicht davon abhielt, die nicht zuletzt dank der launigen Moderation von Eckhard Pabst zum Kult gewordene Kurzfilmnacht (Sbd, 20.30 Uhr) prominent zu bestücken. Mit „Spielzeugland“ von Jochen Alexander Freydank hat man einen frisch gekürten Oscar-Preisträger auf der Leinwand – allerdings nicht nur deshalb: Der Kameramann Christoph Nicolaisen ist Landeskind und, so Nahm: „Der Film hat Qualität – dass jetzt der Oscar hinzu kam, hat uns in unserer Auswahl nur bestätigt.“ Premiere feiern in der Sektion „kurz & knackig“ „Kurz vor Wort“ von Michael Carstens und „action II“ von Bernd Fiedler.
„Kurz vor Wort“
In letzterem zeigt Fiedler, ein „Oldie“ der schleswig-holsteinischen Filmemacherszene, experimentelle Innovation auf der Grenze zum Animationsfilm. Diesem Genre, das im Lande unter anderem durch Filme von Studenten der Kieler FH und der Muthesius Kunsthochschule voran gebracht wird, widmet sich das Werkstattgespräch „Animationsfilm“ mit nachfolgender Trickfilm-Nacht (Do, 16 und 20.30 Uhr). Die Professoren Gil Alkabetz (HFF Potsdam-Babelsberg) und Udo Engel (HFBK Hamburg) sowie Jim Lacy (Augenweide-Kurzfilm-Preisträger 2008 mit „Die schiefe Bahn“) beleuchten das Innovationspotenzial einer Art des bewegten Bildes, die älter ist als der Realfilm. Als Innovations-Pool erweist sich auch jedes Jahr DOK-Film Leipzig, das größte deutsche Festival für Dokumentar- und Animationsfilme. Passend zum Deutschland-Schwerpunkt des diesjährigen Kultursommers zeigt Augenweide ein Auswahlprogramm des Partnerfestivals (Sbd, 18 Uhr).
„Die Glücklichen“
Innovativ ist die Augenweide bis zum Abschlussfilm. Jan Georg Schütte legt mit „Die Glücklichen“ eine neue Ausgabe seines experimentellen Produktionskonzepts vor: Kleine, bewegliche Digital-Kameras, die ein prominentes Schauspieler-Ensemble (unter anderem Meret Becker) in einer improvisierten Szenerie (fast) ohne Drehbuch beobachten. Die Hölle sind dabei wie bei Sartre die anderen. Und ein bewusst „anderer“ Film belichtet den flirrenden schleswig-holsteinischen Leinwandhimmel. (jm)