48. Nordische Filmtage Lübeck

Zwischen Genre-Kino und Independent Movie

„A Little Trip To Heaven” (Baltasar Kormákur, Island 2005)

In seinem dritten Spielfilm nach der Coming-Of-Age-Komödie „101 Reykjavik” und „Die kalte See” nimmt sich der populäre isländische Schauspieler und Theaterregisseur Baltasar Kormákur in „A Little Trip To Heaven” erfolgreich des Thriller-Genres an. Dabei beweisen Kormákur und sein Co-Autor Wein, wie gut sich dramaturgische Elemente des Film Noir mit denen der schwarzen Komödie und der Attitüde einer Independent-Produktion verbinden lassen.

Forest Whitaker spielt den Versicherungsagenten Holt, den das jahrelange Überführen von Versicherungsbetrügern und das Austricksen von Versicherungsbegünstigten zu einem Misanthropen haben werden lassen. Ein vermeintlicher Autounfall mit Todesursache führt in die Einöde von Nova Scotia in Kanada. Holt traut der Einschätzung der lokalen Polizeibeamten nicht, denn immerhin käme Isolde, die Schwester des Verstorbenen, und mit ihr Ehemann Fred in den Genuss einer Million Dollar Versicherungssumme. Die erste Begegnung mit der fatalen White-Trash-Schönheit schlägt Holt allerdings in einen Bann, aus dem er sich nicht mehr wird lösen können. Kormákur inszeniert diese erste Begegnung wie eine fast mystische Erscheinung, wenn er Holt die blutende, halb nackte Isolde durch das Badezimmerfenster beobachten lässt. Holt spult sein ganzes Repertoire an Verhörtaktiken ab, jedoch ohne Erfolg. Trotzdem ahnt er, dass Isolde, obwohl nicht unschuldig, selbst von Fred betrogen wird. Um Isolde und ihren Sohn vor Fred zu retten, lässt Holt sich auf ein gewagtes Spiel ein, das ihn Karriere und Leben kosten kann.

Forest Whitaker interpretiert den eigentlich verachtenswerten Versicherungsagenten Holt als cleveren, stoischen und gelegentlich zur Tapsigkeit neigenden „Private Eye“ mit großem Herz und ständig beschlagenen Brillengläsern. Vielleicht hat er auch einmal zu oft eine Witwe um die verdiente Lebensversicherung gebracht. „Sometimes the bank has to loose or the gamblers wouldn’t play anymore“ ist seine Entschuldigung, wenn er schließlich die Dinge zugunsten von Isolde zurechtrücken will. Er ahnt wohl, dass es kein Happy End geben wird, das ihn einschließt, aber Regisseur Kormákur gönnt ihm zumindest das Seelenheil in einem überraschenden und schräg-schönen Epilog.

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Forest Whitaker als „Private Eye“ mit großem Herz und ständig beschlagenen Brillengläsern (Foto: NFL)

Kormákur gewinnt dem Thriller-Genre durch seinen schwarzhumorigen Blick auf das Versicherungsgewerbe skurrile, aber authentische Charaktere und dem Setting in der Tristesse Nova Scotias frische Aspekte ab. Unterstützt wird er durch die hervorragende Arbeit seines Kameramanns Óttar Gudnason, der ohne die übliche Farbentsättigung die Düsternis in den Herzen der Protagonisten in adäquate Bilder umzusetzen vermag. Die gradlinige Story durchbricht Kormákur immer wieder durch kleine komödiantische Episoden, die das Vergnügen an „A Little Trip To Heaven” nur steigern. So zerbröselt Holt bei Besichtigung der verkohlten Leiche in der Gerichtsmedizin das Corpus Delicti unter den Händen. Und von der korpulenten Wirtin der örtlichen Bar lässt er sich zu Schlagerklängen widerstrebend verführen. Köstlich. (dakro)

„A Little Trip To Heaven”, Island 2005, 88 Min., 35 mm, Regie: Baltasar Kormákur, Buch: Baltasar Kormákur, Edward Martin Wein, Kamera: Óttar Gudnason, Darsteller: Forest Whitaker, Julia Styles, Jeremy Renner, Peter Coyote.

 

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