Mediatage Nord 2007

MA HSH-Medienwerft: Ganz allein im „Second Life“? – Jugendschutz im Web 2.0

Das Internet ist mittlerweile fester Bestandteil der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen. Dabei ist es nicht nur der Schlüssel zu einer kaum noch überschaubaren Fülle an sinnvollen Informationen, sondern öffnet auch immer häufiger die Tür zu digitalen Welten, die für Kinder und Jugendliche besser verschlossen blieben: Suizid, Kriegsverherrlichung, Rechtsextremismus, Gewaltdarstellungen, Pornografie, Anleitungen zu Anorexie und „Komasaufen“ – es gibt nichts, was es im Internet nicht gibt. Unter der Überschrift „Ganz allein im ‘Second Life’? – Jugendschutz im Web 2.0“ diskutierten Wissenschaftler, Jugendschützer und Wirtschaftsvertreter mit rund 100 Teilnehmern auf der MA HSH-Medienwerft im Rahmen der Mediatage Nord 2007 über die Risiken des Internets und wie der Jugendmedienschutz diesen begegnen kann.

„Web 2.0 eröffnet Parallelwelten mit allen Problemen wie sie auch in unserer realen Welt vorkommen“, erklärte Verena Weigand, Leiterin der Stabstelle der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) in München. Welche problematischen Inhalte das Internet bereithält und wie einfach Kinder und Jugendliche Zugang zu diesen Parallelwelten finden, erläuterte Prof. Dr. Stefan Aufenanger von der Universität Mainz in seinem Impulsreferat.

Möglichkeiten, den Jugendmedienschutz im „Web-Zeitalter“ zu stärken, sahen die Podiumsteilnehmer im Ausbau der technischen Kontrollsysteme, wie Filterprogrammen, ihre Verknüpfung mit bereits vorhandenen Meldefunktionen für die Internet-Nutzer, in der Stärkung der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen sowie der Aufklärung von Eltern und Lehrern über die technischen Möglichkeiten des Internets. Ein langer Weg, an dessen Anfang die Gesellschaft steht, und bei dem „niemand aus der Verantwortung entlassen werden sollte“, wie Dr. Per Christiansen, Director Legal & Regulatory Affairs von der AOL Medien GmbH aus Hamburg, es ausdrückte. Zugleich wünschte er sich als Vertreter eines Internet-Providers „kein Fingerpointing“ auf die vermeintlich schuldigen Anbieter von Internet-Inhalten.

Einen Fingerzeig gab jedoch Verena Weigand den Vertretern der Wirtschaft: „Unternehmen, die im Internet viel Geld verdienen, sollten ihre Verantwortung stärker wahrnehmen und noch mehr Ressourcen für den Jugendmedienschutz aufwenden“, so Weigand. Mit welchem Ausmaß an bedenklichen Inhalten sich die Anbieter von Internet-Foren und Download-Portalen auseinandersetzen müssen, zeigte Philippe Gröschel, Jugendschutzbeauftragter von schülerVZ und studiVZ aus Berlin, auf: Allein im Internet-Portal schülerVZ, bei dem zwei Millionen Nutzer registriert seien, würden täglich 600.000 Bilder hochgeladen. 60 Mitarbeiter seien damit beschäftigt, 3.000 Inhalte täglich auf ihre Bedenklichkeit zu überprüfen, auf die schülerVZ über die Meldefunktion des Portals von den Usern aufmerksam gemacht werde. Tatsächlich bedenkliche Inhalte würden dann sofort gelöscht, so Gröschel. Darüber hinaus müsse man sich allerdings „auf die Medienkompetenz der Nutzer verlassen“. Denn die aktive Suche nach jugendgefährdenden Bildern oder Inhalten erfordere weitaus mehr Personal, da technische Systeme, die das Angebot automatisch durchsuchen, noch nicht existierten.

Dass die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen, aber auch von Erwachsenen bei weitem noch nicht ausreiche, um Gewalt, Pornografie oder Kriegsverherrlichung wirksam entgegenzutreten, erklärte Prof. Dr. Stefan Aufenanger. Jugendliche beherrschten zwar die Handhabung der technischen Geräte, stünden aber vielen Inhalten unkritisch gegenüber. „Eltern und Lehrer sollten sich für die Medienwelten der Kinder interessieren“, empfahl Aufenanger. So könnten sie erfahren, was ihren Kindern im Netz begegnet, könnten sich mit diesen Inhalten auseinandersetzen und ihre Kinder für die Inhalte sensibilisieren. Gewissermaßen als Sofortmaßnahme empfahl Aufenanger auch die Sperrung problematischer Internetseiten.

Die Moderatorin des Abends, Lena Aden, NDR-Moderatorin aus Kiel, fasste die Podiumsdiskussion dahingehend zusammen, dass der Jugendmedienschutz im Internet alle technischen Möglichkeiten nutzen, vor allem aber in den Köpfen der Nutzer ansetzen müsse. Einigkeit bestand bei den Podiumsteilnehmern auch darüber, dass die Diskussion über problematische Inhalte im Internet auf eine breite gesellschaftliche Basis gestellt werden müsse, um diejenigen, die sie Kindern und Jugendlichen zugänglich machen, stärker in die Verantwortung zu nehmen.

(nach einer Pressemitteilung der Mediatage Nord)

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