Die Mitwirkung an der Ausweisung verweigern

„Land in Sicht“ (Ulrich Selle, D 2007)

Das Leben wird einem so genannten „Asylanten“ nicht unbedingt leicht gemacht in Deutschland. Obwohl es auch immer wieder stützende und helfende Menschen und Organisationen gibt (wie z.B. den Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V., der den hier besprochenen Film initiiert hat), sind da auf der anderen Seite auch die staatlichen Stellen (hier die Ausländerbehörde des Kreises Nordfriesland in Husum). Letztere sollen dafür sorgen, dass die gesetzlichen Bestimmungen befolgt werden, und stellen sich dabei nicht selten dem Flüchtling entgegen. Ulrich Selles Film „Land in Sicht“ versucht an drei Beispielen die Situation von Asylsuchenden im Spannungsfeld zwischen Helfern und Behörden zu beleuchten.

Die ausländischen Protagonisten in Selles 47-minütiger Dokumentation, drei Männer aus Aserbaidschan, der Türkei und dem Nahen Osten, haben ihre Niederlagen in Deutschland schon „kassiert“. Alle drei haben erfolglos ihre Asylverfahren durchlaufen, d.h. sie sind als Asylbewerber vor Gericht abgelehnt worden und haben jetzt nur noch den Status von behördlich „Geduldeten“, da sie bisher aus verschiedenen Gründen noch nicht in ihre Heimatländer abgeschoben werden konnten.

Es kommt jetzt zu der bei genauer Betrachtung doch etwas schizophrenen Situation, dass die Asylsuchenden in einer beruflichen Qualifizierungsmaßnahme vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V. für den hiesigen Arbeitsmarkt im gastronomischen Bereich fit gemacht werden sollen, auf der anderen Seite, wenn es nach der nordfriesländischen Ausländerbehörde geht, möglichst überhaupt keiner erwerbsmäßigen oder sonstigen Tätigkeit mehr nach gehen sollen bzw. meistens dieses ihnen von jenem zuständigen Amt untersagt wird. Der „beliebteste“ Grund für die Verweigerung der Arbeitserlaubnis mag zynisch klingen, wird aber dennoch vom Leiter der Ausländerbehörde in Husum, Harry Schröder, ganz nüchtern und sachbetont vorgetragen: Die Ausländer verweigern sich der „Mitwirkung“, was im Grunde genommen nichts anders heißt, als dass der asylsuchende Geduldete an seiner möglichst schnellen Ausweisung mitarbeiten soll.

So kann man die im Film in aller Ausführlichkeit vorgestellten, beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen ironisch auch als eine aktive Hilfestellung zur Verweigerung an jener doch so behördlich erwünschten Mitwirkung an der eigenen Ausweisung begreifen. Selle zeigt, wie die drei Protagonisten unter Gleichbetroffenen eine achtmonatige Fortbildung durchlaufen, die ihre Chancen verbessern soll, einen Job, besonders in der Sylter Gastronomie, zu finden. Koch- und Sprachkurse münden schließlich nach erfolgreich bestanden Prüfung in Praktika, die die Beschäftigungschancen erhöhen sollen. Anschaulich, gar nicht trocken, bisweilen so gar humorvoll geben sich die Beobachtungen in den Kursen. Wenn man sich manchmal auch gewünscht hätte, noch ein wenig mehr über die Schicksale der Betroffenen zu erfahren und dafür ein bisschen weniger in die Küche zu schauen zu dürfen. Die Ausflüge in die Welt der Praktika lassen hoffen für die Betroffenen, auch wenn sich nicht alle Wünsche erfüllen.

Am sympathischsten kommt sicherlich der sich äußerst solidarisch gebende und mitfühlende Asylheimleiter Udo Ebsen rüber, der immer wieder versucht, seinen Schützlingen Mut zu machen. Sein krasses Gegenstück gibt Hans Degen als Sachbearbeiter der Ausländerbehörde. Äußerlich durchaus alternativ, mit nettem T-Shirt und Ring im Ohr, scheint sein obligatorisch drangehängtes Mitgefühl die pure Heuchelei. Zu Mourat Haydara aus dem Nahen Osten, der seine Heimat vor zwölf Jahren verlassen hat und schon sechs Jahre in Deutschland lebt, meint er apodiktisch: „Sie kriegen hier kein Bein an Land … sie werden hier nie etwas erreichen. Sie sind ausreisepflichtig. Sie müssen ausreisen. Und wir werden auch alles dransetzen, um die Ausreise durchzusetzen. Müssen wir. Das ist nun mal mein Job, auch wenn ich ihn manchmal nicht so gern tu’.“

Ulrich Selle versucht, bei seiner Darstellung der Verhältnisse möglichst objektiv und relativ „gemäßigt“ vorzugehen. Natürlich ergreift sein Film Partei für die Flüchtlinge. Er soll eine Werbung für das Projekt „Land in Sicht“ sein, mit dem der Flüchtlingsrat in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen im Lande Asylsuchenden und geduldeten Flüchtlingen zu helfen versucht. Doch die gezeigten Tatsachen und vor allem die Äußerungen der Mitarbeiter der Ausländerbehörde in Husum sprechen eine andere Sprache. Für bloß „Geduldete“ ist von Amts wegen an der nordfriesischen Küste nicht unbedingt Land in Sicht. (Helmut Schulzeck)

„Land in Sicht“, D 2007, 47 Min., Kamera und Regie: Ulrich Selle, Ton und Schnitt: Lorenz Müller, Musik: Balkan Soul, Produktion: selle filmproduktion.

Der Film ist am Mittwoch, dem 28 .November 2007, 20:30 Uhr in Kiel im Kommunalen Kino in der Pumpe zu sehen. An die Vorstellung schließt sich ein Gespräch mit dem Regisseur Ulrich Selle und Claudia Langholz vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V. an.

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