Mediatage Nord 2006
Handys erst ab 18? – Pornografie und Gewalt auf Mobiltelefonen
Videoclips mit Gewaltdarstellungen oder Pornografie werden unter manchen Kindern und Jugendlichen heute getauscht wie einst Sammelbilder mit Fußballstars. Sie nutzen dafür einfach ihre Handys. Sollten unsere Kindern daher erst ein Handy besitzen dürfen, wenn sie volljährig sind, lautete die provokative Frage, die die Unabhängige Landesanstalt für Rundfunk und neue Medien (ULR) im Rahmen einer Podiumsdiskussion auf den Mediatagen Nord 2006 stellte.
Die Antwort aller Beteiligten lautet „nein“. Denn das Handy ist mittlerweile fester Bestandteil der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen, wie Prof. Dr. Petra Grimm von der Hochschule der Medien in Stuttgart erklärt. „Das Handy wird von ihnen als Teil ihres Körpers empfunden. Für sie ist es wie ein Tagebuch, das anderen nicht zugänglich sein sollte“, berichtet die Wissenschaftlerin aus einer Studie, die sie gerade im Auftrag der ULR durchführt. Rund 92 Prozent aller Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 19 Jahre besitzen ein Handy. 43 Prozent von ihnen haben bereits ein Gewaltvideo oder einen Porno gesehen – auf dem Handy eines Mitschülers. Als Motiv, solche Videos auf dem Handy zu haben und Mitschülern zu zeigen, vermuten die befragten 12- bis 19-Jährigen „Angeben“, „Mitreden können“ und „Cool sein“. Einen Schritt weiter gehen manche Jugendliche, die andere verprügeln, dies mit dem Kamerahandy aufnehmen, und die Aufnahmen dann an andere verschicken oder ins Internet stellen, das so genannte „Happy slapping“.
Mit Verboten ist solchem Handeln nicht beizukommen, denkt Christa Limmer, Leiterin der „Aktion Kinder- und Jugendschutz“ Landesarbeitsstelle Schleswig-Holstein e.V. aus Kiel. „Es müssen klare Grenzen gezogen und Gespräche gesucht werden“, so Limmer. Martin Pinkerneil, Leiter des Projekts „www.handysektor.de“ aus Köln wundert es nicht, dass Kinder und Jugendliche ausprobieren, was mit den neuen Medien alles möglich ist. „Digital Natives“ nennt er sie, die mit diesen modernen Technologien aufgewachsen sind. Er empfiehlt, Handys bereits seitens der Hersteller oder Diensteanbieter kinder- und jugendgerecht zu konfigurieren. Eine Forderung, die auch Dr. Lothar Jene, der stellvertretende Vorsitzende der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) unterstützt: „Wir müssen nur ein Glied in der Kette überzeugen, die Verbreitung von Gewalt und Pornografie bei Kindern und Jugendlichen über Internet und Handys zu unterbrechen.“ Die Möglichkeit, die Verbreitung seitens der Handyvertreiber, wie der Firma mobilcom in Büdelsdorf, zu unterbinden, hält die Jugendschutzbeauftragte des Unternehmens, Petra Schütt, für gering.
Die nachhaltigste und effektivste Prävention gegen die Verbreitung von Gewalt- und Pornovideos auf den Handys der Kinder und Jugendlichen ist nach Auffassung des Ständigen Vertreters des Direktors und Justiziars der Unabhängigen Landesanstalt für Rundfunk und neue Medien (ULR), Dr. Wolfgang Bauchrowitz, die Vermittlung von Medienkompetenz: „Wir müssen unsere Kinder dazu befähigen, Medieninhalte gezielt auszuwählen und sich bewusst gegen gefährdende Inhalte zu entscheiden. Dazu gehört auch, dass wir unsere Kinder dazu erziehen, Nein zur Gewalt zu sagen, denn wer dies tut, den können auch gewalthaltige Inhalte nicht reizen oder gar provozieren“, so Bauchrowitz. Eine Ansicht, der alle Teilnehmer der Podiumsdiskussion zustimmten.
(nach einer Pressemitteilung der Mediatage Nord)