JazzBaltica 2006

Nicht Pop, nicht Jazz – „einfach Musik“

Mit „I Wonder Why“ und einem Nick Lowe-Cover im Soundtrack zum Film „Bodyguard“ bestieg er 1991 den Pop-Olymp. Doch nach 30 Millionen verkauften Platten hängte Curtis Stigers seine Pop-Karriere an den Nagel und besann sich auf seine Jazz-Wurzeln. Anlässlich der JazzBaltica SongNight, in der Stigers und sein Trio (Matthew Fries, p; Phil Palombi, b; Keith Hall, dr) neben dem Cæcilie Norby Quartet auftraten, sprachen wir mit Curtis Stigers über den Weg vom Pop zum Jazz – und zurück.

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Curtis Stigers (Foto: SHMF)

Interview: Jörg Meyer

Mr. Stigers, Mitte der 90er Jahre beendeten Sie Ihre erfolgreiche Pop-Karriere und wandten sich – nicht minder erfolgreich – dem Jazz zu. Was war der Grund für diesen Wechsel?

Um ehrlich zu sein, die Pop-Welt schaute nicht mehr so intensiv auf mich wie ich auf sie. Aber ich war auch die ständige Jagd nach Hits leid. Man macht ein Album, ist monatelang damit beschäftigt, und dann entscheidet sich innerhalb von zwei Wochen nach dem Erscheinen der Erfolg allein daran, ob ein Hit dabei ist. Beim Jazz ist das anders, da geht es um Lebendiges, viel mehr um Live-Performances, nicht bloß um die Zahl verkaufter Platten. Meine Musik wird im Jazz danach beurteilt, ob sie gut ist, nicht danach, ob sie Britney Spears oder die Back Street Boys in den Charts schlägt. Ich war ein ziemlich guter Pop-Sänger, aber Jazz ist das, was ich am besten kann.

In Ihren Jazz-Songs gibt es dennoch viele „Nicht-Jazz“-Elemente. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie die ja  manchmal auch recht engen Grenzen des Jazz erweitern.

Ja, denn dass ich Jazz mache heißt ja nicht, dass ich nicht an Pop, Rock, Soul, Country und so weiter interessiert bin. Im Gegenteil, viele meiner Jazz-Songs gehen auf Rock- und Pop-Songs zurück. Als Jugendlicher wollte ich gleichzeitig Robert Plant und B. B. King sein (lacht). Ich habe Jazz-Songs aus Melodien von den Beatles, Bob Dylan oder Elvis Costello gemacht. Ich versuche das, was ich von guten Singer-Songwritern gelernt habe, in meinen Jazz einfließen zu lassen. Da bin ich vielleicht anders als mancher Jazz-Sänger-Kollege.

Ist solches Crossover Ihre Spezialität oder ist es im Jazz nicht immer schon innovativ gewesen, andere Stile einzubinden?

Ich bin bestimmt nicht der erste, Cassandra Wilson hat ähnliches versucht. Oder denken Sie an Ella Fitzgerald, Billy Holiday, Joe Williams – die haben alle Pop-Musik ihrer Zeit zu Jazz verarbeitet. Insofern ist meine Musik nicht die große Innovation. Andererseits: Die allermeisten heutigen Jazz-Sänger interpretieren Jazz-Standards. Aber großes Songwriting endete eben nicht mit George Gershwin und Cole Porter. In der Tat bin ich dafür bekannt, einen für einen Jazz-Sänger ungewöhnlichen Geschmack zu haben, aber dabei bin ich nicht unbedingt ein Trendsetter.

Sie nennen ihre Songs entsprechend „New Standards“. Bedeutet das, dass Sie die alten Standards neu interpretieren oder setzen Sie auch neue Standards?

(Lacht.) Dieser Begriff stammt nicht von mir, sondern eher aus der Promo-Abteilung der Plattenfirma. Ich nenne das einfach Musik. Selbst Jazz ist als Schublade dafür ein wenig zu eng. Ich mache Musik, die mich bewegt. Ich weiß auch nicht, was ein Standard eigentlich ist, Musik ist heute so diversifiziert. Nur wollen die Radiostationen und die Presse das immer wieder in irgendeine Schublade pressen, um es entsprechend vermarkten zu können. Das Publikum ist schlau genug, einfach die Musik zu hören, die es mag, gleichgültig in welchem Plattenregal oder welcher Playlist die steht. Viele aus meinem heutigen Publikum stammen noch aus meinen Pop-Tagen und man hätte meinen können, die wären nicht mehr dabei, wenn ich jetzt Jazz mache. Aber sie gehen diesen Weg mit, denn meine Art Musik zu machen hat sich vom Pop zum Jazz nicht geändert.

Sie singen nicht nur, Sie spielen auch Saxofon. Was ist dabei ähnlich, was ist anders als beim Singen?

Ja, fast die Hälfte eines Sets spiele ich Saxofon und ich würde sagen, ich spiele Sax wie ich singe und umgekehrt, die Phrasierungen sind ähnlich. Aber ich bin eindeutig ein Rhythm’n’Blues-Saxofonist und bin darüber nie hinaus gekommen. Anders denn als Sänger würde ich mich an einen Hard-Bop-Tune nicht heran wagen. Und wenn zum Beispiel Michael Brecker bei einer Jam-Session mit mir auftauchen würde, würde ich mein Sax ganz schnell im Koffer verschwinden lassen und scatten (lacht). Ich bin und bleibe ein Sänger, der nebenbei auch Saxofon spielt.

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