Dem Handicap des Konsums auf der Spur

Gerrit Seyler dreht „Handycap“

Magentafarbene Fußbälle streifen durch die Kieler Innenstadt. Dem vom WM-Werbe-Dauertrommeln abgehärteten Konsumenten entlockt der Anblick höchstens ein müdes, bedauerndes Lächeln. Und vielleicht einen zu sich selbst gesprochenen Schwur, nie so tief zu sinken, selbst in einem Promotion-Kostüm schwitzend die Butter aufs Brot zu verdienen. Gibt es ein treffenderes Symbol für die Entwürdigung des Menschen in unserem auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Wirtschaftssystem? Etwas Ähnliches muss sich der 27-jährige Student der Philosophie und Medienwissenschaften Gerrit Seyler gedacht haben, als er vor gut zwei Jahren begann, seine eigenen Erfahrungen im Promotion-Kostüm in einem Kurzfilm-Drehbuch aufzuarbeiten.

Anfang Juni endeten nun die knapp siebentägigen Dreharbeiten zum von der MSH geförderten Kurzfilm „Handycap“ (AT). Regie-Debutant Seyler konnte den erfahrenen Kamera-Allrounder Claus Oppermann für seinen Film gewinnen und seinen technischen Stab mit den durch mittlerweile zahlreiche studentische Film-Projekte erfahrenen Organisationstalenten Nadine Lindenau (Regieassistenz) und Alexandra Eck (Aufnahmeleitung) verstärken.

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Gerrit Seyler (Mitte) und Claus Oppermann (rechts) beim Dreh

Oppermann setzte für die Dreharbeiten die Sony ZR1 E HDV-Kamera mit festem Zeiss-Objektiv ein. Das Format ist ein Novum für freie Produktionen in Schleswig-Holstein und Oppermann entsprechend gespannt auf das Ergebnis. Der Look ist zwar nicht weit entfernt von dem einer DV-Kamera, doch verspricht sich Oppermann durch die höhere Auflösung ein besseres Ergebnis bei der Ausspielung auf Digi Beta. Das 16:9-Format ist zum einen der Vorliebe Seylers für das Breitwandformat geschuldet, zum anderen erfährt die subjektive Perspektive des Protagonisten eine cinematografische Doppelung. Der Held des Films ist nämlich der Promotion-Mann im Handy-Kostüm, gespielt von Steffen Lorenz. Seine Sicht der Dinge spielt im Film auf visueller und erzählerischer Ebene die entscheidende Rolle. In Form einer Verwechslungsgeschichte mit zahlreichen abstrusen Begebenheiten aus dem Promotion-Alltag will Seyler die Konditionen menschlicher Würde unter der Prämisse der konsumierenden Gesellschaft untersuchen. Um den eingeengten Blick des Protagonisten adäquat visualisieren zu können, entwickelte das Team eigens ein Tragegestell, mit dem Oppermann die Kamera starr am Körper halten konnte. Ein dazu passender Soundtrack soll dann auf der Leinwand helfen, die Klaustrophobie auf den Zuschauer zu übertragen.

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Steffen Lorenz im original klaustrophobischen Kostüm

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Klaustrophobische Erfahrungen konnte Steffen Lorenz während des Drehs im Handy-Kostüm reichlich sammeln. Eingeschränkt in Sicht und Motorik „weiß man nicht, was neben einem passiert. Man ist gezwungen, auf die Reaktion der Menschen zu achten, um zu wissen, was passiert“, berichtet Lorenz. „Das verstärkt das Gefühl der Wehrlosigkeit, die Figur ist zur Passivität verurteilt“. Lorenz sah sich einer besonderen Herausforderung gegenüber, konnte er doch kaum mit Mimik und Gestik arbeiten. „Ob das funktioniert, wird sich im Schnitt zeigen, aber die Figur eignet sich gerade deshalb als Projektionsfläche“, so seine Einschätzung.

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… und so sieht das von innen aus: Stills aus dem Film

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Nach seinen Erlebnissen im Kostüm gefragt (übrigens handelt es sich um das originale Handy-Kostüm, das auch Seyler einst durch die Einkaufspassagen trug), erzählt Lorenz ohne lange zu überlegen von einer zufälligen Begegnung am vorletzten Drehtag. Als ein kleiner Junge den vermeintlichen Promotion-Mann in der starren Kostüm-Schachtel erblickte, stieß er spontan aus: „Das ist ja demütigend.“ „Ach, wenn wir das hätten“ bedauert Seyler, gleichzeitig erfreut, dass sein Protagonist die gewünschte Reaktion auslöst.

Die Post-Produktion für den 15-minütigen Film soll bis zum Herbst abgeschlossen sein. (dakro)

„Handycap“ (AT), Regie und Buch: Gerrit Seyler; Kamera: Claus Oppermann; Produktion: Gerald Grote, Maren Stähr; Schnitt: Thomas Henke; Regieassistenz: Nadine Lindenau; Aufnahmeleitung: Alexandra Eck; Darsteller: Steffen Lorenz

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