Czech on Tour – Junges tschechisches Kino auf Deutschland-Tournee

In Zusammenarbeit mit dem Czech Film Center Prag und mit Unterstützung des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds präsentieren von Ende Mai bis Ende November die Kinemathek Hamburg und der Bundesverband kommunale Filmarbeit ein Paket neuer tschechischer Spielfilme in Kommunalen Kinos und Filmkunsthäusern.

Eröffnet wurde die Deutschland-Tournee am 23. Mai im Hamburger Kommunalen Kino „Metropolis” mit Jan Hrebejks „Up and Down – Horem pádem“. Der Regisseur und sein Drehbuchautor Petr Jarchovsky waren extra nach Hamburg gekommen und diskutierten nach der Filmvorführung lange mit den Zuschauern, die vom Film sehr beeindruckt waren.

Das Junge Kino Tschechiens steht für eine neue Vitalität und einen neuen Stil: Es ist experimentierfreudig und kritisch – lebendig und realitätsnah – und dabei wunderbar unterhaltend. Die Filme waren nicht nur im eigenen Land erfolgreiche Box-Office-Hits, sondern haben auch auf internationalem Terrain für Furore gesorgt. „Czech on Tour“ knüpft an diese jüngsten Erfolge an und zeigt neben aktuellen Produktionen bekannter Regisseure auch experimentelle Erstlingswerke und Entdeckungen dieses aufregenden, jungen europäischen Kinos.

Die sechs Filme verbindet die Anlehnung an die große Tradition des Erzählkinos in unserem Nachbarland, für die Regisseure wie Forman oder Chytilova stehen. Solides filmisches Handwerk, ein gutes Drehbuch, brillante Darsteller, das Herzblut eines ganzen Produktionsteams und große Emotionen sind Markenzeichen dieses Kinos. Alle sechs Handschriften (darunter eine weibliche, die von Michaela Pavlatova) richten ihren Fokus auf die Folgen der „Samtenen Revolution“ von 1989 – auf soziale Verwerfungen und ihre Rückwirkungen auf das Individuum. Denn neben neuen Chancen haben auch Härten, Bedrohungen und rasante Werte-Umbrüche den ehemals trügerischen Frieden hinter dem Eisernen Vorhang abgelöst.

In der Vorbereitung halfen die Cinémathèque Leipzig sowie die Tschechischen Zentren in Dresden und Berlin, SkodaAuto Deutschland GmbH unterstützt die Tour. Zwei aktuelle und viel diskutierte Filme, die in Deutschland im Verleih sind, ergänzen das Programm.

Zur Tournee erscheinen eine zweisprachige Broschüre sowie ein Plakat. Alle Original-Festivalkopien aus Prag haben englische Untertitel, die beiden Ergänzungen aus dem deutschen Verleih werden mit deutschen Untertiteln gezeigt.

Kontakt: Bundesverband kommunale Filmarbeit, Frankfurt/M., Tel.: 069-622897, E-Mail: info@kommunale-kinos.de; Web: www.kommunale-kinos.de.

Die Filme der Tournee

Bitter Coffee – Silný Kafe

Börkur Gunnarsson, 2004, 85min, OmeU

Zehn Jahre lang haben sich die Freundinnen Maya und Renata nicht gesehen, als sie sich zufällig auf der Straße begegnen. Aus Anlass des Wiedersehens verabreden sie eine Reise in ihren Heimatort. Ihre Lebensgefährten sind nicht eben begeistert von dieser Idee, lassen sich aber überreden. Ein anfangs romantischer, später zuweilen dramatischer bis hysterischer Sommerausflug per Auto und Kanu beginnt, in dessen Verlauf die Protagonisten mehr über sich selbst lernen, als ihnen lieb ist. Der isländische Regisseur, geboren 1970, den es selbst der Liebe wegen nach Tschechien verschlug, hat einen skurrilen, auch nachdenklichen Film über seine eigene Generation gedreht.

Champions – Mistři

Marek Najbrt, 2004, 83min, OmeU

Provinz: Eine lausig besuchte Kneipe ist Treffpunkt für ein paar Typen, bei denen es auch nicht besser läuft. Vor einem alten Schwarzweißfernseher: die WM im Eishockey, dem tschechischen Nationalsport. Pavel kann im betrunkenen Zustand den Gewinner des nächsten Spiels voraussagen. Josef wiederum stammt angeblich von „Zigeunern“ ab – und wird deshalb permanent verspottet. Egal – wer einem schönen Spielzug der kanadischen Hockey-Stars applaudiert, ist sowieso „kein echter Tscheche“ … Machos in der Provinz – Sprüche, Vorurteile, diffuser Nationalismus, Hass und Selbsthass. Najbrt zeichnet lakonisch, bitter, auch witzig ein Milieu, das kaum Luft herein lässt.

City of the Sun (or Working Class Heroes) – Sluneční stát

Martin Šulík, 2005, 95min, OmeU

Karel, Vinco, Tomáš und Milan, alte Freunde und Kollegen, verlieren ihre Jobs. Trotzig beschließen sie, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen, kaufen einen alten Laster und machen sich als Transportfirma selbstständig. Doch die Umstände – und auch der eigene Schweinehund – stehen dem Wunsch, sich und die Seinen auf ehrliche Weise zu ernähren, permanent entgegen. Am Biertisch werden trotzdem immer wieder mutige Pläne geschmiedet, nach jedem Rückschlag rappelt sich das Quartett wieder auf – quasi als dicke Männerfreundschaft gegen den eisigen Wind sozialer Härte. Mit wunderbar leisem Humor – Ken-Loach verwandt – entwickelt Šulík („Der Garten“) seine Geschichte ganz aus den lebensnah gezeichneten Charakteren.

From Subway with Love – Román pro ženy

Filip Renč, 2005, 95min, OmeU

Laura arbeitet für eine Frauenzeitschrift, ihre Mutter Jana ist Witwe und Übersetzerin. Beide suchen – jeweils allein – den „Mann fürs Leben“. Jana meidet tschechische Männer (sie hat einige kennengelernt, ganz besonders einen …) und hält lieber nach dem perfekten Ausländer Ausschau. Laura dagegen  fokussiert ganz auf Oliver, einen Werbemanager, sexy, dynamisch, witzig, geheimnisvoll, kreativ. Plötzlich aber haben beide – Mutter und Tochter – das gleiche Problem … Im Stile einer Seifenoper im besten Sinne strickt Renc (nach einem tschechischen Bestseller) diese amouröse Abenteuerkomödie.

Up and Down – Horem pádem

Jan Hřebejk, 2004, 108min, OmeU

Prag 2004: Zwei Menschenschleuser finden ein zurückgelassenes, indisches Baby in ihrem Auto. Sie verkaufen den Jungen an die kinderlose Miluska, die mit Frantisek zusammenlebt, einem rassistischen Fußballrowdy. Zur gleichen Zeit, ein paar Straßen weiter: Die 40-jährige Hana engagiert sich für Flüchtlinge. An der Uni bricht ihr Mann während eines Vortrags zusammen. Und die 18-jährige Tochter der beiden findet heraus, dass ihr Vater von seiner ersten Frau nie geschieden wurde … Tragikomische Reflexionen über Menschenliebe und Rassismus, Angst vor dem Fremden, das Gefühl latenter Bedrohung in einem Land, dessen Isolation hinter dem Eisernen Vorhang durch das beunruhigende Chaos eines globalen Dorfes ersetzt wurde.

Faithless Games – Nevěrné hry

Michaela Pavlátová, 2003, 92min, OmeU

Eva und Peter sind Musiker und verheiratet. Aus Liebe zu ihrem Mann trennt sich die Pianistin von ihrer Lieblingsstadt Prag, den Freunden und Kollegen. Gemeinsam ziehen sie in ein altes Bauernhaus an der slowakisch-ungarischen Grenze. Bald folgt jedoch die erste Beziehungskrise. Wenn Peter komponiert, nimmt er Eva gar nicht wahr. Diese stürzt sich dann in eine Affäre, in Prag. Langsam beginnt Peter zu ahnen, dass seine Ehe auf dem Spiel steht … Pavlátová hat ihren sehr erwachsenen, klassischen Beziehungsfilm wie ein Kammerspiel inszeniert. Die Regisseurin war bislang als wichtige Animations-Filmemacherin ein Begriff, „Faithless Games“ ist ihr erster Langspielfilm.

Die Jahreszeit des Glücks – Štěstí

Bohdan Sláma, 2005, 100min, OmU (Verleih: Neue Visionen, Berlin)

Voller Herzblut, tragikomisch, auch sehr romantisch ist die Geschichte von Monika und Toník. Beide wohnen in einer Industriestadt, am Rande eines Stahlwerks, und durch Toníks Dach laufen Regenbäche ins Wohnzimmer. Monikas Nachbarin Dascha hat zwei Kinder, einen verheirateten Lover und einen gefährlich chaotischen Alltag. Kurz entschlossen springt Monika als Ersatzmutter ein. Toník hilft ihr – auch weil er seit langem heimlich verliebt ist. Das Dach wird repariert, die Ziegen bekommen einen neuen Stall, die Kinder eine Geburtstagsfeier …

Český Sen – Der tschechische Traum

Vít Klusák und Filip Remunda, 2004, 87min, OmU (Verleih: RealFiction, Köln)

„Český Sen“ – Der Hypermarkt für ein besseres Leben! Zu dieser Mega-Kampagne, entworfen von einer renommierten Werbeagentur, gehören TV- und Radio-Spots, 400 Leuchtreklametafeln, 200.000 Werbeflyer mit Markenartikeln – alles, was dazu gehört, Konsumenten zu „fangen“. Für zwei Wochen sind die Straßen von Prag gepflastert mit Werbung für das geplante neue Shopping-Paradies … Ein provokativer Blick auf die Auswirkungen des global market in einer post-kommunistischen Gesellschaft. Das Experiment erregte hitzige Debatten in den Medien und wurde sogar im Parlament diskutiert. Ein filmisches Husarenstück mit Gültigkeit weit über Tschechien hinaus.

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