10. Filmfest Schleswig-Holstein – Augenweide

Das Glück eines Schleifischers

„Mal König, mal Bettelmann“ (Kay Gerdes und Jess Hansen, D 2006)

Wenn man die Bilderbuchbilder der verträumten Winterschlei sieht, die Kay Gerdes bezaubernd zu Beginn des 60-minütigen Dokumentarfilm über das Fischerleben in der Schleswiger Gemeinde Holm eingefangen hat, ist man berührt. Der klaren Schönheit wegen. Leichter Frostdunst über einer im Morgenlicht strahlenden Schlei. Und dann lernt man den Fischer Adelei Nanz kennen, einen der wenigen Holmer Fischer, die heute noch ihrem Handwerk auf dem fjordartigen Gewässer nachgehen.

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„Mal König, mal Bettelmann“, so fühlt sich der Fischer Nanz und bezeugt es in diesem „Heimatfilm“. Das sei immer schön: „Wenn wir auf dem Wasser sind, sind wir nicht erreichbar, wir fischen von morgens bis abends, und da kann keiner was sagen: Auf dem Wasser, da ist man ein kleiner König.“ Dieser Fischer fühlt sich frei und scheint deshalb trotz aller wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die sein Beruf so mit sich bringt, ein glücklicher Mensch zu sein. Seine Fischerei füllt ihn aus und stiftet Identität. Sein Selbstbewusstsein wurzelt nicht zu letzt in seiner Zugehörigkeit zur „Holmer Beliebung“, die mehr ist als nur die traditionsreiche Totengilde der Fischer. Sie steht für die heimatliche Lebensgemeinschaft dieses kleinen Fischerdorfes, das heute, eingemeindet am Rande der Schleswiger Altstadt, immer noch eine besondere „Insel“ darstellt. Holm, das ist neben der Fischerei im Grunde genommen nur ein kleiner Friedhof mit einer großen Kappelle, der von einer Straße umkreist wird. Dort weiß jeder, wo er hingehört und wohin er eines Tages gehen wird.

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Der Film folgt Nanz und seiner Umgebung durch das Jahr, vom Brassenfang im Winter über die gewinnbringende Heringsfischerei im Frühjahr bis hin zum Aalfang in der zweiten Jahreshälfte. Daneben zeigt der Film auch eines der letzten großen öffentlichen Relikte, das aus Holms vielhundertjähriger Geschichte in die Gegenwart hineinreicht: das traditionsreiche Fest der Holmer Beliebung, auf dem jedes Jahr der Toten gedacht wird und der neue Ältermann in sein Amt eingeführt wird.

Brassen seien Fische, die hervorragend schmecken, erläutert der Holmer Fischer. Man müsse nur wissen, wie sie wegen der vielen Gräten zu pulen seien. „Wichtig ist, wenn man diesen Fisch isst, dass man sehr viel Licht hat, eine gute Brille und nicht so viel reden.“ Und dann noch dazu ein Telefonbuch für den Notarzt. Nicht nur dieser humorvolle Ratschlag von Fischer Nanz offenbart, dass Kay Gerdes und Jess Hansen in ihm glücklich ihre Hauptfigur gefunden haben. Offen erzählt dieser von seinem Leben, seiner Arbeit und seiner Vergangenheit. Bei aller romantischen Beschaulichkeit der Bilder, die dem Betrachter nicht nur zu Beginn zu geschenkt werden: Der Film verklärt nichts. Nanz hat wie alle seine Kollegen ganz schön zu kämpfen, um seine Existenz zu sichern. Im Winter gibt es wenig zu fangen. Auch beklagt er, dass es in Schleswig-Holstein keine fischverarbeitende Industrie gebe und dass die Absatzmärkte, die auch nicht mehr so viel hergäben wie früher, für ihn nicht nah genug in Eckernförde und Kiel liegen würden. Sein Sohn ist wegen des zu geringen Ertrages auf der Schlei auf die Ostsee ausgewichen, schlägt sich dort mit Fangquoten herum, wohl wissend, dass der größte Feind des Fischers der Fischer selbst ist. (Helmut Schulzeck)

Mal König, mal Bettelmann, D 2006, 60 Min., Regie und Buch: Kay Gerdes und Jess Hansen, Kamera und Schnitt: Kay Gerdes, Ton: Jess Hansen, Sprecher: Rainer Jordan. Beim Filmfest Schleswig-Holstein Augenweide zu sehen am So, 21.5., 20 Uhr im Abschlussprogramm.

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