52. Internationale Kurzfilmtage Oberhausen: Die Wettbewerbsfilme sind ausgewählt
5.768 Arbeiten (im Vorjahr 5.300) insgesamt wurden für die vier Wettbewerbe der 52. Internationalen Kurzfilmtage eingereicht, 136 Beiträge aus 48 Ländern wurden ausgewählt.
Die Liste aller Filme, die in den vier Wettbewerben der 52. Kurzfilmtage gezeigt werden, finden sich auf auf: www.kurzfilmtage.de/ikf/index.php?id=2254.
Internationaler Wettbewerb: Das Spiel mit Erzähltraditionen
64 (im Vorjahr 66) Beiträge aus 38 Ländern (im Vorjahr 36) werden gezeigt, die aus 4.387 Einreichungen (im Vorjahr 3.851) aus rund 90 Ländern ausgewählt wurden. Mit Arbeiten aus Indonesien, Malaysia, den Philippinen, Singapur und Thailand ist Südostasien auch in diesem Jahr im Wettbewerb gut vertreten. Die USA zeigen mit acht Filmen im Wettbewerb die stärkste Präsenz, gefolgt von Großbritannien und Frankreich mit 5 beziehungsweise 4 Filmen. Deutschland schickt in diesem Jahr zwei Arbeiten ins Rennen, Volker Schreiners virtuose Found Footage-Komposition „Radar“ und Sean Snyders genaue Irak-Beobachtung „Casio, Seiko, Sheraton, Toyota, Mars”.
Länderzuordnungen werden jedoch gerade im Kurzfilmbereich „zusehends schwieriger”, stellt Hilke Doering, Mitglied der Auswahlkommission und der Leitung des Internationalen Wettbewerbs, fest. Einige herausragende Arbeiten wurden von Filmemachern aus Ländern wie Ägypten, dem Iran oder dem Libanon abgeliefert. Sie leben in Europa und finanzieren dort auch ihre Arbeiten, ihre Themen finden sie jedoch in den Heimatländern – sei es der iranische Filmemacher Tirdad Zoghadr, der seinen Film „Tropical Modernism”, in dem er die Geschichte der Linken im Iran erzählt, in der Schweiz produziert hat, oder die aus dem Libanon stammende Filmemacherin Danielle Arbid, die sich in der französischen Produktion „Nous/Nihna” mit dem Verlust ihres Vaters und damit auch mit der Familiengeschichte im Krisenherd Libanon auseinandersetzt.
Der Blick der Filmemacher im diesjährigen Wettbewerb richtet sich stärker als bisher nach außen, auf ihre Herkunft, auf die politischen oder ökonomischen Kontexte, in denen sie leben, auf ihr Lebensumfeld. Geschichten werden erzählt, doch ganz ausgeprägt zeigt die diesjährige Auswahl, dass die Filmemacher ihre eigenen Formen des Erzählens suchen. Sie verknüpfen Dokumentarisches mit formalen Experimenten, Spielfilm und Dokumentation, klassisches Erzählkino und experimentellen Soundtrack.
Mit Zelimir Zilnik, Peter Tscherkassky, Mara Mattuschka und Jem Cohen melden sich einige alte Oberhausener im Wettbewerb zurück, es finden sich aber auch viel versprechende Arbeiten von Filmemachern, die in den letzten Jahren in Oberhausen aufgefallen sind, darunter Jos de Gruyter und Harald Thys, Hafiz, James Lee, William Owusu oder Alina Rudnitskaya.
Deutscher Wettbewerb: ein gutes Jahr
23 (im Vorjahr 21) Beiträge wurden aus 1.381 (im Vorjahr 1.248) Einreichungen für den Deutschen Wettbewerb ausgewählt – und die Wahl war nicht leicht für die Auswahlkommission. „Dies ist ein guter Jahrgang im deutschen Kurzfilm”, sagt Carsten Spicher, Leiter des Deutschen Wettbewerbs. Matthias Müller und Christoph Girardets neue Arbeit „Kristall” hat in Oberhausen Festivalpremiere, mit Volker Schreiner und Jochen Kuhn sind zwei weitere international bekannte deutsche Filmemacher dabei. Die Auswahl zeigt jedoch auch viele Filmemacher, die sich kontinuierlich als Kurzfilmer weiterentwickeln: Andreas Bolm, Daniel Nocke, Lola Randl oder Carolin Schmitz hatten in den letzten Jahren alle schon Arbeiten in Oberhausen und zeigen nun ihre neuesten Produktionen. Jan Krüger hingegen, Venedig-Preisträger 2001 für seinen Kurzfilm „Freunde”, kehrt nach seinem ersten erfolgreichen Langfilm „Unterwegs” mit „Tango Apasionado” zur kurzen Form zurück.
Wie im Internationalen Wettbewerb finden auch die deutschen Filmemacher ihre Themen oft nicht im eigenen Land – Lola Randl in „Verena Verona” begleitet zwei junge Mädchen nach Italien, Carolin Schmitz beobachtet wohlhabende Rentner in „Benidorm”, Azin Feizabadi kehrt für „Zwei Monate sein” erstmals nach seiner Auswanderung nach Teheran zurück.
Kinder- und Jugendfilmwettbewerb: ernste Töne
In diesem Jahr um ein Programm erweitert, zeigt der Kinder- und Jugendfilmwettbewerb 46 (im Vorjahr 37) Beiträge aus 26 (im Vorjahr 22) Ländern. Neu in diesem Jahr: Wettbewerbsfilme laufen auch am Wochenende. Neben den „klassischen” Kinderfilmländern wie Skandinavien, Großbritannien oder den Niederlanden ist Lateinamerika mit Filmen aus Argentinien, Chile und Brasilien ungewöhnlich gut vertreten. Mit je einem Beitrag aus Senegal und Tunesien ist auch der afrikanische Film präsenter als in den Vorjahren.
Während in den Programmen für die jüngeren Kinder spielerische Elemente und Animationen dominieren, finden sich in den Filmen für ältere durchaus ernste Töne. Dokumentationen wie Spielfilme befassen sich mit sozialpolitischen Themen, zum Beispiel Kinderarbeit in dem kirgisischen Dokumentarfilm „Ha npuzopke – gbe geborku” von Furkat Tursunov und Gayhar Sydykova oder illegale Migration in dem norwegischen Spielfilm „Bawke” von Hisham Zaman. Auffallend auch: die intakte Familie als Ideal und geschützter Hort kommt nur noch selten vor. In sehr vielen Arbeiten sind ein oder beide Elternteile abwesend oder krank, Kinder müssen Verantwortung für kranke Eltern übernehmen. Hier spiegelt sich eine Entwicklung des Kinderfilms allgemein, der sich zunehmend von bunten Idealwelten verabschiedet und die realen Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen verarbeitet.
Im Kinder- und Jugendfilmwettbewerb laufen ein Beitrag aus dem Deutschen Wettbewerb („Gut möglich, dass ich fliegen kann” von Hanna Doose) und mit „Zakaria” von Gianluca und Massimiliano de Serio aus Italien, „Kevät” von Susanna Helke und Virpi Suutari aus Finnland sowie „Rugby Boyz” von Khavn De La Cruz aus den Philippinen und der portugiesischen Produktion „A Rapariga da mao morta” von Alberto Seixas Santos gleich vier Arbeiten aus dem Internationalen Wettbewerb.
Der 8. MuVi-Preis: Unabhängig bleiben
Zehn Clips wurden aus 200 (im Vorjahr 220) eingereichten Videos ausgewählt, wobei Video angesichts der digitalen Revolution und dem Vormarsch der DVD gerade in diesem Bereich nur noch ein Sammelbegriff sein kann. Die ökonomische Beschränkung wird in den Clips zum Stilprinzip erhoben, diese besondere Qualität des Muvi-Preises wird in diesem Jahr ganz deutlich. Der Abschied vom Musikfernsehen ist endgültig vollzogen, kaum ein MuVi-Clipregisseur hat bei der Produktion noch MTV oder VIVA im Sinn. Vielmehr geht es um die Entwicklung einer eigenständigen Sprache, darum, möglichst unabhängig zu produzieren, kreative Partnerschaften mit Gleichgesinnten einzugehen.
Die Befreiung von den Zwängen des Verwertungszusammenhangs führt dazu, dass im Clip neue Techniken ausprobiert werden – die Videos sind auch in diesem Jahr wieder narrativ, arbeiten mit Genre-Elementen des klassischen Suspense- oder Horror-Thrillers oder nutzen Found Footage-Material. Mit „Chirurgie 2010” von Pyrolator für Fehlfarben oder „Panzer” von Nico Roicke für die Mediengruppe Telekommander sind zwar auch Auftragsarbeiten dabei, doch sind sie in der Minderheit. Typischer sind Clips wie „Sandbürger” von Thomas Wimmer, ein Hiphop-Clip, der bewusst mit seinem „billigen” Look spielt, oder „Maybe Not” von Oliver Pietsch, der die Möglichkeiten des Computers für originelle Animationen nutzt, die ohne Team und teure Dreharbeiten produziert werden können.
(nach einer Pressemitteilung der Kurzfilmtage Oberhausen)