56. Internationale Filmfestspiele Berlin – Berlinale 2006
Perspektive Deutsches Kino: Blick zurück nach vorn
Die ersten Filme aus dem Programm der Perspektive Deutsches Kino als Überraschungspaket des jungen deutschen Films: Ein Stummfilm als Regiedebüt von Franka Potente, Roadmovies und Melodramen mitten aus dem Leben und ein Dokumentarfilm aus weiter Ferne so nah.
Fünf Jahre Perspektive Deutsches Kino. Die Sektion mit dem Blick auf die Macher von morgen feiert ein kleines Jubiläum und wird mit insgesamt neun Weltpremieren zeigen, dass es um die Zukunft des jüngsten deutschen Films gut bestellt ist.
Dazu trägt auch der vorübergehende Wechsel der Schauspielerin Franka Potente ins Regiefach bei. Ihre erste Inszenierung “Der die Tollkirsche ausgräbt” enthält gleich mehrere Überraschungen. Sie ist weder lang noch kurz, sie ist schwarz und weiß, sie ist stumm und erzählt dabei trotzdem nicht nur, wie die Bilder laufen lernten, sondern auch sprechen. Die Schauspielerin schrieb und inszenierte eine Hommage an ihr liebstes Medium und gleichzeitig eine heitere Reflexion desselben. Es spielen stumm Emilia Sparagna, Christoph Bach, Justus von Dohnanyi und Teresa Harder.
Ganz im hier und heute spielen die Geschichten der jungen Regisseure Florian Gaag und Bülent Akinci. Während Florian Gaag in seinem modernen Melodram “Wholetrain” den genauen und spannenden Blick mitten ins Leben und Leiden, in die Lust und den Frust einer Gruppe von Graffiti-Writern wagt, begibt sich der dffb-Absolvent Bülent Akinci mit seinem Titelhelden in seinem tragikomischen Roadmovie “Der Lebensversicherer” auf eine Reise durch die deutsche Wirklichkeit. Eine Reise, die wohl genau deshalb immer irrealer wird und ihn auf Umwegen zu sich selbst führt. Mit Jens Harzer und Anna Maria Mühe. Hergestellt wurden die beiden Spielfilmdebüts von den Produzenten, die die Publikumslieblinge des Berlinale Wettbewerbs 2005 verantworteten. “Wholetrain” ist eine Produktion von Goldkind Film (“Sophie Scholl”) und “Der Lebensversicherer” von Razor Films (“Paradise Now”).
Der erste Dokumentarfilm des Programms ist eine faszinierende Reise in die jüngste deutsche Vergangenheit und handelt davon, wie diese die Gegenwart bestimmt. “Katharina Bullin – Und ich dachte ich wär’ die Größte” von Marcus Welsch erzählt eine unbekannte Geschichte aus dem reichhaltigen Fundus der Doping-Skandale im DDR-Leistungssport. Katharina Bullin war Volleyballerin und hat durch den Sport und die flankierenden medikamentösen Maßnahmen nicht nur ihre Weiblichkeit, sondern auch ihre körperliche Stabilität eingebüßt. Der Film ist nicht nur ein berührendes Porträt einer Frau, die ihren Willen und ihre Kraft nicht verloren hat, sondern auch das Porträt einer brutalen Gesellschaft. Diese sehen wir in archivierten Bildern des schönen Scheins. Bilder von früher, die man heute buchstäblich durchschaut.
(nach einer Pressemitteilung der Berlinale)