Leserbrief zu Mediatage Nord 2005 / Digitale Rechte
In der Berichterstattung zu den Mediatagen Nord 2005 in infomedia-sh.aktuell 12/05 wird vor allem folgendes als Bilanz gezogen: “Nur wenn geistiges Eigentum hinreichend geschützt ist und dem Urheber die Möglichkeit bietet, es finanziell zu verwerten, ist der Anreiz zur Innovation gegeben.”
Das Gegenteil ist allerdings wahr. Digitale Rechte, die sich erster Linie darauf konzentrieren das Kopieren technologisch zu unterbinden, erhöhen die Kosten für die Verbraucher aber auch für Hardwarehersteller. (Unter anderem sieht sich inzwischen unter Linux das “gstreamer”-Projekt dazu gezwungen, DRM zu implementieren. Vgl. dazu: http://blogs.gnome.org/view/uraeus/2005/12/07/0.)
Für die Groß-Inhaber von Rechten bedeutet DRM natürlich, dass die Kontrolle verbessert werden kann und das Prinzip “1 Copy = 1 Sale” weiter durchgesetzt werden kann. Vertrauen wird hierbei durch technologische Kontrolle und einen Geldfluss erzeugt. Natürlich drückt die Implementation auch die Gewinnmargen der Konzerne bei der Produktion und dem Vertrieb von digitalen Daten. Zudem sorgt es beim Endverbraucher immer mehr für Frustration und Unverständnis, da ein DRM kaum in der Lage ist, komplexe Handlungsmuster nachzubilden. D.h. in der Theorie mag es ja einfach erscheinen, dass eine Datei nur auf drei oder fünf weitere Datenträger kopiert werden kann. Allerdings kann es immer wieder sein, dass sich ganz andere Nutzungsansprüche ergeben. DRM bedeutet in der Praxis eine Enteignung des Käufers. Dieser erhält für einen relativ hohen Preis ein Produkt, das ihm nicht mehr ganz gehört, sondern das er nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen nutzen kann.
Bei der ganzen DRM-Diskussion profitieren wenige. Nicht die Verbraucher, auch nicht die Hersteller von Abspielgeräten, die für Entwicklung und Technik mehr ausgeben müssen – und über den Umweg der Hersteller wiederum die Verbraucher, die für die Hardware mehr zahlen. Insgesamt entstehen dem Wirtschaftskreislauf so mit zunehmender Verbreitung von DRM Schäden in Milliardenhöhe, abhängig von dem Erfolg von DRM. Sollten wir irgendwann keine Musik mehr ohne DRM beziehen können, wird zudem das Gleichgewicht der Kräfte so weit zugunsten der Rechteinhaber verschoben, dass darüber noch viel weiter gehende Eingriffe möglich sind.
Diese Entwicklung ist auch nicht zum Vorteil für eine regionale Wirtschaft. DRM fördert die Konzentration von Rechten und Gewinnen, da eben nur wenige Unternehmen in der Lage sind, die Lizenzen für solche Technologien zu erwerben. Die Abhängigkeit von Techologieanbietern wird größer. Dabei dienen diese Technologien aber nicht der besseren Verbreitung von Inhalten, der Kostensenkung oder einer besseren Qualität, sondern lediglich der Verhinderung einer besseren Verbreitung für ein rückwärtsgerichtetes Verständnis von Eigentum, Ideen und Handel.
Schlussendlich ist DRM im Interesse von Firmen wie Bertelsmann, Siemens, Sony, Microsoft oder Apple. Die regionale Wirtschaft wird dadurch eher der Möglichkeit beraubt mit eigenen Technologien, die lizenfrei angeboten werden könnten, ebenfalls am Wettbewerb teilzuhaben. Ursache des Dilemmas ist aber auch, dass die Rechteinhaber sich gegenüber neuen Modellen der Rechtevergabe und der Lizenzgestaltung (z.B. Creative Commons) zu zurückhaltend verhalten.
Dass ausgerechnet ein Vertreter der IHK so stark gegen die Interessen der regionalen Wirtschaft agiert, ist dabei mehr als nur seltsam.
(Thilo Pfennig, zuerst veröffentlicht unter www.alternativ.net/asp/archiv/37)