47. Nordische Filmtage Lübeck
Vom wohlwollenden Blick auf das Nebensächliche
„Die Quereinsteigerinnen“
Erfreut erkennt der Kieler zu Beginn des Films seine Heimatstadt. Das ist ja seine Innenstadt! Vor dem Schifffahrtsmuseum und vorm Schloss geht’s los. Fängt ja vielversprechend an, denkt er noch ganz gerührt. Ja, das war dann aber auch schon alles mit Schleswig-Holstein in diesem Film. Zwar wird später vom Schauplatz des Geschehens, einer Voralpen(?) oder Mittelgebirgslandschaft (?) behauptet, er liege in der Nähe von Hamburg. Aber der erfahrene Norddeutsche lässt sich nicht so leicht ein X für ein U vormachen. Es beschleicht ihn eher der Verdacht, dass hier in guter alter Manier für die wenigen, knappen Einstellungen von Kiel ein paar Tausender von der Kulturellen Filmförderung mitgenommen werden sollten. Würde ja uns nix ausmachen, wenn der Film gut wäre. Aber dem ist leider nicht so. „Die Quereinsteigerinnen“ von Rainer Knepperges und Christian Mrasarek ist nur ein Komödie der harmlosesten Art, deren freundliche Nettigkeit, dass kaum etwas in ihr passiert, überall noch hoch gelobt wird, wenn wir den Pressetexten im Internet trauen dürfen. Die Damen und Herren müssen wohl alle in einem anderen Film gewesen sein. Nun ja, ich fand es bisweilen auch ganz lustig, wenn ich den Einschlafgeschichten der beiden Protagonistinnen (Nina Proll und Claudia Basrawi) in ihrem engen Ferienhaus-Doppelbett lauschen durfte, ihren harmlosen Jungmädchenwitzen und Albernheiten, die man eher 12jährigen als jungen Frauen Mitte 20 zuschreiben würde. Das war irgendwie noch erträglich, wurde zwar zunehmend langweilig, aber wirkte immerhin so schön unangestrengt dahingeplappert und -improvisiert. Entspannend sinnlos. Ich lag auf meiner Couch und schaute das Pressevideo. So bequem liegend war das auszuhalten, irgendwie angenehm einschläfernd. Aber im Kino? Ich weiß nicht, da hätte ich mich wohl doch geärgert.
Nach so viel Vorankündigung sollte man ja wohl langsam zur Sache kommen, obwohl das der Film mit jeder Filmminute weniger tut. Nun denn: Zwei junge Frauen, entführen gekonnt unbeholfen mit Aha-Effekt den „Boss“ von der Telekom (Rainer Knepperges), wohl den Nachfolger von Ronald Sommer. Eh er das so richtig mitbekommen hat, landen sie mit ihm in einem entlegenen Ferienhaus, werfen sein Handy und seine Wagenschlüssel weg, bedrohen ihn, als er fliehen will, mit einer Bratpfanne, schläfern ihn mit Tabletten ein und schreiben dann, sehr unprofessionell, zusammen mit einem Freund (Mario Mentrup), der inzwischen auch eingetrudelt ist, einen Erpresserbrief an die Telekom, in dem sie für die Freilassung von Herrn Harald Winter (das soll wohl urkomisch wirken: von Sommer zu Winter, ganz toll!) die Wiederaufstellung der alten gelben Telefonzellen in ganz Deutschland binnen einer Woche fordern. Von der Entführung bekommt ganz Deutschland bis auf den Sicherheitsbeauftragten der Telefongesellschaft, Herrn D. Korn, herrlich chargiert von Altfilmer Klaus Lemke, und seinen unsichtbar bleibenden Mitarbeiter für lange Zeit nichts mit. Der Entführte kann die Sache zu Beginn kaum ernst nehmen, ist verärgert, beleidigt, fügt sich später aber immer williger in das traute Idyll ein, das seine amateurhaften Kidnapper für ihn ganz unbedarft veranstalten. Ein richtiges Ende hat der Film: Das rührende Quartett flieht zum Schluss durch den Wald irgendwo oder auch nirgendwo hin – bedroht von der Telekom? Ja, und womit werden nun die meisten der 81,3 Filmminuten gefüllt? Na, mit netten Alltagsgesprächen, spätpubertären Neckigkeiten, kleinen „Modeschauen“, Tänzen auf Krücken, Musik aus den 70er Jahren usw.
Ganz entspannend anzusehen, doch im Grunde sehr belanglos. Von Handlung kaum eine Spur, von Dramaturgie auch nicht. Aber vom wohlwollenden Blick auf das Nebensächliche. Insgesamt dürftig, das aber gekonnt. (Helmut Schulzeck)
„Die Quereinsteigerinnen“, 81,3 Min., D 2005, DV/35mm, Regie und Produktion: Rainer Knepperges und Christian Mrasarek, Buch: Rainer Knepperges, Kamera: Matthias Rajmann, gefördert von der Kulturellen Filmförderung S.-H. e.V. und der Filmförderungsanstalt
Der Film ist auf den 47. Nordischen Filmtagen Lübeck im Programmschwerpunkt „Filmforum Schleswig-Holstein“ zu sehen.