13. Filmfest Hamburg (22.-29.9.2005)

Programm-Highlights beim Filmfest Hamburg

Am 22. September startet Filmfest Hamburg mit rund 100 internationalen Spielfilmen aus über 30 Ländern. Namhafte internationale Regisseure wie Amos Gitaï, Mike Barker, Doris Dörrie und Oliver Hirschbiegel sind mit ihren neuesten Filmen vertreten. Eine Auswahl aus dem Festivalprogramm:

Hauptprogramm

„Free Zone“ (Amos Gitaï, Israel/ Frankreich/Belgien/Spanien)

„Star Wars“-Star Natalie Portman auf der Suche nach ihren Wurzeln. Die in Jerusalem geborene US-Schauspielerin spielt die Amerikanerin Rebecca, die in Jerusalem nach einem Streit mit ihrer Schwiegermutter (Carmen Maura) die Israelin Hanna (Hanna Laslo) kennenlernt. Gemeinsam mit der Palästinenserin Laila (Hiam Abbass) begeben sich die Frauen auf eine Odyssee durch die „Free Zone“, das Grenzgebiet zwischen Israel und Jordanien, das sie mit unterschiedlichsten Lebenswelten, Vorurteilen und Klischees konfrontiert. Der preisgekrönte israelische Regisseur Amos Gitaï inszeniert ein fast satirisches Roadmovie zwischen Leben und Tod, Hoffnung und Verzweiflung, Israel und Palästina: Wird es den Frauen gelingen, den Teufelskreis von Hass, Rache und neuem Hass zu durchbrechen?

„Mad Hot Ballroom“ (Marilyn Agrelo, USA)

„Unwiderstehlich!“, „Umwerfend!“, „Oscar-Reif!“ – Die US-Presse überschüttete Marilyn Agrelos Dokumentarfilm über Elfjährige aus New York, die die Welt des klassischen Turniertanzes entdecken, mit Lobeshymnen. An der Schwelle zur Pubertät, hin- und hergerissen zwischen kindlichem Spaß und teenymäßiger Coolness werden die häufig aus Problemfamilien stammenden Kinder zu leidenschaftlichen Rivalen, die sich mit Elan und Charme der neuen Aufgabe stellen. Mitreißende Musik, wunderbare Kinder und einfühlsame Lehrer, die glaubhaft beweisen: Anyone can make it if they learn how to shake it!

„A good woman“ (Mike Barker, Spanien/England/USA)

Lauschige Abende, elegante Yachten und romantische Sonnenuntergänge an der italienischen Küste: „A Play about a Good Woman“ – ist der Untertitel von Oscar Wildes Gesellschaftskomödie „Lady Windermeres Fächer“, die der Brite Mike Barker leichthändig in die 30er Jahre verlegte. Shooting-Star Scarlett Johansson („Lost in Translation“) spielt die junge Lady Windermere, die ihren Gatten (Mark Umbers) verdächtigt, eine Affäre mit Mrs. Erlynne (Helen Hunt) zu haben. Mrs. Erlynne wiederum hat einen Hang zu verheirateten Männern mit Geld und ein Geheimnis, das auch Lady Windermere angeht … Nach dem Thriller „Best Laid Plans“ (1999) und dem Drama „To Kill a King“ (2003) überrascht Barker mit einer charmanten Sommerkomödie.

„We are all fine“ (Bijan Mirbaqeri, Iran)

In seinem Debütwerk entwirft Bijan Mirbaqeri ein komplexes Beziehungsgeflecht einer Großfamilie aus Teheran. Es geht um die Familie von Jasmhid, der schon länger im Ausland lebt. Als ein Freund der Familie vor seiner Abreise anbietet, für Jamshid etwas mitzunehmen, entscheidet man sich für einen Videobrief und mietet eine Kamera. Jeder nimmt für den Abwesenden eine Botschaft auf und berichtet aus seinem Leben. Dabei brechen alte Konflikte auf, Geheimnisse werden offenbart, Ängste und Sehnsüchte sichtbar. Mirbaqeri lässt den Zuschauer zur Kamera werden, vor der die Familienmitglieder nach und nach ihre Masken fallen lassen: Familien, Lügen und Video.

„Zozo“ (Josef Fares, Schweden)

Der 12-jährige Zozo muss als Waise seine Geburtstadt Beirut verlassen und landet bei seinen Großeltern im unbekannten Schweden. Mit anrührender Melancholie, allerdings auch mit dem für ihn typischen trockenen Humor, verarbeitet „Jalla! Jalla!“-Regisseur Josef Fares (gewann 2003 mit „Kops“ bei Filmfest Hamburg den Publikumspreis) seine eigene Biografie. Wie Zozo ist er im Libanon geboren, in Schweden aufgewachsen und kennt den seelischen Muskelkater, den der Spagat zwischen zwei Kulturen verursacht. Ablehnung, Feindseligkeit, Orientierungslosigkeit: Mit diesem Film setzt Josef Fares allen Kindern, die durch die Kriege der Erwachsenen ihre Wurzeln verlieren, ein kleines Denkmal.

Vitrina

„Odete“ (João Pedro Rodrigues, Portugal)

Wahnvorstellung, Wahrheit oder Obsession? Die Supermarktsangestellte Odete erklärt, von ihrem tödlich verunglückten Nachbarn Pedro schwanger zu sein. Eine Behauptung, die den Schmerz von Pedros schwulem Liebhaber Rui vertieft und ihn in große Verwirrung stürzt. Geschickt spielt Regisseur Rodriguez, der die Realität des Films als „Vertigo Pop“ bezeichnet, mit Erzählebenen und Bewusstseinszuständen und ignoriert konventionelle Gestaltungsprinzipien. Über seinen Film sagt er: „Zwei Tagträumer, verloren in einer Geschichte von Liebe, Besessenheit und Tod, verfolgt vom Geist ihrer Begierden.“ Junges Kino aus Portugal.

eurovisuell

„Adam’s Apples“ (Anders Thomas Jensen, Dänemark)

Schwarze Komödie oder Wahnsinn mit tiefer Bedeutung? Der Neo-Nazi Adam wird zu gemeinnütziger Arbeit in ein Pfarrhaus geschickt. Auf die Frage des Pastors, welche Arbeit ihm liegt, schlägt dieser ironisch grinsend das Backen eines Apfelkuchens vor. Doch Vögel, Würmer und Blitze attackieren den Apfelbaum vor der Kirche. Ivan glaubt, dass der Teufel sie auf die Probe stellt, doch Adam tippt auf Gott. Für seinen surreal bebilderten Kampf zwischen Gut und Böse versammelt Regisseur und Autor Anders Thomas Jensen mit Ulrich Thomsen, Nikolaj Lie Kaas, Mads Mikkelsen und Paprika Steen die Crème de la crème des aktuellen dänischen Kinos. Nach „Flickering Lights“ (2000) und „The Green Butchers“ (2003) ist Jensen zum dritten Mal Gast bei Filmfest Hamburg.

Voilà!

„Mémoires affectives“ (Francis Leclerc, Kanada)

„Wir sind die Summe unserer Erinnerungen“, sagt der kanadische Regisseur Francis Leclerc und schickt mit seinem Helden Alexandre Tourneur einen Menschen auf die Suche. Nachdem er bereits klinisch für tot erklärt war, erwacht Alexandre aus einem langen Koma. Er leidet unter totalem Gedächtnisverlust, erkennt niemanden, erinnert sich an nichts. Je mehr er von Familienangehörigen und Freunden über sich erfährt, desto heftiger quälen Alexandre verstörende Bilder. Träume? Erinnerungen? Wahnvorstellungen? Seine Sehnsucht, sich zu erinnern, konfrontiert ihn schließlich mit einer Wahrheit, die er vergessen wollte. Ein nervenzerfetzendes Psychopuzzle in „Memento“-Tradition.

Filmszene Hamburg

„Ein ganz gewöhnlicher Jude“ (Oliver Hirschbiegel, Deutschland)

Wie fühlt man sich als deutscher Jude? Erfolgsregisseur Oliver Hirschbiegel („Der Untergang“) inszeniert nach dem Buch des Schweizer Autors Charles Lewinsky ein Ein- Personen-Stück mit großer aktueller Thematik. Im Zentrum steht der Journalist Emanuel Goldfarb, ein in Deutschland geborener Jude. Eingeladen, vor Schülern über seine jüdische Identität zu sprechen, kommen Goldfarb Zweifel am Sinn der Veranstaltung: Ist zum Thema „Juden in Deutschland“ nicht schon genug gesagt worden? Doch sein Absagebrief wächst sich zu Goldfarbs eigener Überraschung zur Abrechnung mit dem deutsch-jüdischen Verhältnis und mit seiner persönlichen Vergangenheit aus. Ein konzentrierter Ben Becker in der Titelrolle und einer schnörkellosen Inszenierung: Ein intensiver Kino-Monolog.

„Eruv – The Wire“ (Kai Wiesinger, Deutschland)

Schauspieler Kai Wiesinger („14 Tage lebenslänglich“) zeigt einen gelungenen Wechsel hinter die Kamera: sein Regiedebüt, Gewinner des PLANET Dokumentarfilmpreises 2004, porträtiert das Leben einer orthodox-jüdischen Gemeinde im US-Städtchen Teaneck, New Jersey. Dort steht der „Eruv“, ein dünner Draht, unter hoher symbolischer Spannung. In Höhe von Telefonleitungen umschließt er ganze Wohngebiete und erklärt sie zum Privatraum. Ein Trick, der orthodoxen Juden am Sabbat erlaubt, innerhalb des Eruv Tätigkeiten nachzugehen, die ihnen an öffentlichen Plätzen sonst untersagt sind. Ein spannender, mitunter bizarrer Ausflug in eine fremdartige Welt mitten im modernen Amerika.

„Fremde Haut“ (Angelina Maccarone, Deutschland)

Eine Liebesgeschichte vor dem Hintergrund von Vertreibung, Asyl- und Identitätssuche erzählt das Kinodebüt von Angelina Maccarone. Im Mittelpunkt steht die iranische Übersetzerin Fariba (Jasmin Tabatabei), der in ihrer Heimat die Todesstrafe droht, weil sie eine verheiratete Frau liebt. Zwar gelingt Fariba die Flucht nach Deutschland, doch dort wird ihr Asylantrag abgelehnt. Den Tod vor Augen entscheidet sie sich zu einer Verzweiflungstat: Nach dem Selbstmord eines anderen Flüchtlings übernimmt sie dessen Pass und Identität und landet in einem Flüchtlingsheim in der schwäbischen Provinz. Verkleidet als Mann. Regisseurin Maccarone: „Fariba muss sich unterwerfen, nicht nur einem externen Exil, sondern auch einem internen.“ Ein ungeschönter Blick auf deutsche Lebenswirklichkeit durch die Augen einer Fremden.

KinderFilmfest

„A Boy Called Twist“ (Tim Greene, Südafrika)

Tim Greenes werktreue Adaption von „Oliver Twist“, Charles Dickens‘ Roman über Kinderarbeit im England des 19. Jahrhunderts, führt ins farbenprächtige Südafrika und erzählt vom Straßenjungen Twist. An der Westküste geboren, wächst er in einem Waisenhaus auf und muss auf Farmen und bei einem Bestatter arbeiten. Schließlich nimmt Twist sein Schicksal selbst in die Hand und schlägt sich nach Kapstadt durch. Hier fällt er dem Rastafari Fagin in die Hände, der Kinder zu Taschendieben ausbildet und abkassiert. Doch dann befreundet sich Twist mit dem alten Ebrahim, ohne zu wissen, dass er in ihm seinen Großvater gefunden hat. Das berührende Porträt eines Kindes, dem das Leben mit brutaler Gleichgültigkeit begegnet und das doch bedingungslose Liebe findet.

Das 13. Filmfest Hamburg findet vom 22. bis 29. September 2005 in den Kinos UFA-Palast Grindel, Abaton, CinemaxX Dammtor, Metropolis und 3001 statt.

(nach einer Pressemitteilung von Filmfest Hamburg)

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