Themen anpacken, die jeder deutsche Europäer gerne sehen möchte

Interview mit dem Autor, Regisseur und Kameramann Bernd Fiedler über sein Konzept „Die Drehbank“

Bernd, in wenigen Worten: Was ist das, was du unter der Überschrift „Die Drehbank“ zu Papier gebracht hast?

Das ist ein zeitgemäßes Konzept zum Drehen von 90 Minuten langen Spiel- bzw. Fernsehfilmen, also so genannten „abendfüllenden“, szenischen Produktionen, mit einem Etat, der allerdings deutlich unter 200.000 Euro liegt.

Ein Produktions- und Drehkonzept?

Das ist für mich dasselbe. Ich betrachte das immer als Ganzes. Was auch heißt, schon bei der Auswahl des Sujets, des Themas, schon beim Drehbuch-Schreiben muss man das Ganze überblicken. Das ist das, was die Drehbank auszeichnet, etwas was früher selbstverständlich war, was ich gerne wieder zurückhaben möchte: diesen Gesamtorganismus der Programmproduktion. Wobei ich für mich sage, Kino in dem Sinne interessiert mich nicht, ich rede vom 90-minütigen Fernsehfilm.

Was kritisiert dein Konzept und was setzt es dem vorhandenen Zustand der heutigen Produktionsweise entgegen?

Es kritisiert das Uneinheitliche und das Zerrissene des bisherigen Systems, was dazu führt, dass man unnötig Geld ausgibt für Dinge, die mit der eigentlichen Sache gar nichts zu tun haben. Es propagiert ein System, das sich auf das Wesentliche konzentriert, das eine Aussage findet.

Wenn man anfängt zu erzählen, muss man zwei Dinge wissen, nämlich was man erzählen will und dass man es erzählen will. Und das setzt wieder eine kulturelle und politische Geschlossenheit unseres Landes voraus; das habe ich gleich miteinbezogen. Ich gehe hier sehr weit im gesamtorganischen Denken. Das gehört alles dazu. Wir sehen das an den US-Amerikanern. Die machen Filme, wo wir Bauklötze staunen, teilweise so saudumme Sachen, die aber so gut rüberkommen; das kann man nur, wenn man so eine kulturelle Geschlossenheit hat wie die Amerikaner. Das haben wir nicht. Das liegt in unserer Geschichte begründet. Aber jetzt nach der Wiedervereinigung, so in den letzten 16 Jahren, ist doch einiges passiert. Wir steuern jetzt auf eine kulturelle Selbstfindung zu, und die Chance möchte ich ergreifen, auch im Zusammenhang mit der technischen Entwicklung. Das kommt uns zu Gute, dass die technische Entwicklung uns leichte, handliche Geräte zu Verfügung stellt, die eine hohe, professionelle Bild- und Tonqualität erzeugen und die uns die Möglichkeit geben, preiswert zu produzieren. Der Geldfaktor z.B., der früher ja oft vorgeschoben wurde, spielt jetzt längst nicht mehr so eine große Rolle.

Das heißt aber, wir müssen uns bei der Drehbank an bestimmte Themen halten, die nicht ins Geld gehen. Verfolgungsjagden auf der Autobahn mit vielen special effects und Pyrotechnik sind natürlich nicht drin. Das ist auch nicht gefordert bei den Themen, die wir hier haben.

Welche Vorteile bietet dein Modell neben seiner Praktikabilität besonders für kleinere Bundesländer wie z.B. Schleswig-Holstein (auch wegen seines Low-Budget-Charakters) außerdem?

Ein großer Vorteil ist, dass alle, auch Publikum, das Gefühl haben werden, dass die Mittel sinnvoll eingesetzt wurden für das, was man auch sehen will. Während wir jetzt eine Produktion haben, die uns andauernd mit Produkten überhäuft, mit denen wir eigentlich gar nichts zu tun haben, wie z.B. amerikanische Militärgerichtsbarkeit, möchte ich, dass man mit der „Drehbank“ Themen anpackt, die jeder deutsche Europäer gerne sehen möchte. Und dass sich dem Zuschauer das Gefühl überträgt, dass hier kein Geld verschwendet wurde, sondern dass die Mittel vernünftig zur Realisation des Stoffes eingesetzt wurden.

Filme über welche Themen?

Arbeitslosigkeit z.B., Emanzipation in jeder Hinsicht, also nicht nur der Frauen, sondern des Menschen als kulturelles Wesen, als Individuum überhaupt. Es geht sicher immer um Emanzipation. Ich möchte nur Liebesgeschichten erzählen; aber dass ist keine schmale Spur, wie man vielleicht denken könnte. Mit Liebesgeschichten kannst du alles erzählen, was einen breiten Themenkatalog bedient.

Das Modell „Drehbank“ ist aber nicht nur dafür geeignet.

Nein. Das ist meine persönliche Vorliebe. Ich nehme als Gerüst immer eine Liebesgeschichte, mit deren Hilfe ich dann solche Themen wie Emanzipation behandele, z.B. Selbstfindung einer Person über die Liebe oder z.B. gegen die Vereinzelung. Wir sollten mehr Filme machen, die den Gemeinschaftsgedanken betonen. Ich weiß, wir sind da gebrandmarkt durchs „Dritte Reich“, durchs Kaiserreich usw., wo der Gemeinschaftsgedanke ziemlich fies ausgebeutet, falsch verstanden und missbraucht wurde. Aber wir brauchen jetzt den Gemeinschaftsgedanken wieder, z.B. in Sachen Arbeitslosigkeit, Altenbetreuung, überhaupt im täglichen Leben, das der Mensch meistern muss; dass der Mensch nicht das Gefühl hat, er ist allein gelassen, sondern er gehört einer Gemeinschaft an.

Wir lebten seit 1945 in Deutschland in einer völlig zerrissenen kulturellen Situation. Von Politik konnte man eigentlich gar nicht reden. Wir haben immer nur das gemacht, was die anderen von uns verlangt haben. Gut – und das ändert sich jetzt nach der Wiedervereinigung. Nachdem wir souverän geworden sind, zentral in Europa liegen und auch etwas können (wir sind ja ein sehr kreatives Volk), müssen wir für uns wieder ein Selbstbewusstsein entwickeln, das sich unter anderem auch in unseren Filmen niederschlagen sollte. Also die Filme sollen helfen, ein neues Selbstbewusstsein zu entwickeln, und sie sollen es zugleich auch darstellen. Beides geht in einander über.

Interview: Helmut Schulzeck

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