JazzBaltica 2005:
Katapulte jung und wild
Andi Haberls Jazzkatapult und [em]: Die Youngsters machten in der Kleinen Scheune Furore
„Jazzkatapult“ nennt Andi Haberl sein Quartett (Andi Haberl, dr., Johannes Enders, sax., Lars Danielsson, b., Antonio Faraò, p.). Da denkt man an kleine Jungs, die mit Zwillen Kirschen vom Baum schießen. Und dieses Bild trifft die farbenfrohen Rhythmuswechsel, die Haberls Drums initiieren, auch ganz gut. Jung und wild geht er in die Nervosität unbedingten Uptempos oder nutzt das helle Surren der Highhats als grelle Verschärfung des Drum-Motors. Crossover der Stile liegt da ebenso nahe wie bei Till Brönner, mit welchem Young Lion der Trompete Haberl bereits auf Tour war.
Als „Großen Bruder“ hat er in der Salzauer Kleinen Scheune Lars Danielsson an seiner Seite, der sich dem wirbelnden Youngstergebräu gegenüber jedoch vornehm zurückhaltend zeigt. Für Entspannung sorgen eher Johannes Enders‘ butterweich geblasenes Saxofon in „Zen Picture“ oder „Little Piece“, Stücktitel die für sich sprechen. Enders und vor allem auch Pianomann Antonio Faraò sind es auch, die über Haberls ständig sich flüchtig bewegende kleine Takteinheiten den großen Bogen spannen. Wo Haberl katapultiert, sind sie sozusagen die Fänger der Gewehrkugeln aus der Schießbude.
Zwischen eher wilden und leisen Tönen bewegt sich auch das Trio [em] (Michael Wollny, p., Eva Kruse, b., Eric Schaefer, dr.; feat. Heinz Sauer, sax.). Die Berliner U30-Combo velegt sich aufs Lautmalerische, wobei ihrem asiatisch beeinflussten Jazz dennoch kein Programm zugrundeliegt. Vielmehr ist es eine abstraktive Lautmalerei, ein Jazz der Andeutungen, zuweilen auch des ganz bewusst irrlichternden Umherirrens. Wo bei den Altvätern der JazzBaltica die Linien fest liegen, werden sie hier aus flatterhaftem Garn neu gesponnen. Ausgang ungewiss – aber das macht ihre Musik so spannend.
Die Intros wirken stets avantgardistisch experimentell. Wollny greift dem Klavier dazu schon mal in die Saiten, um inwändig abgefahrene Gamelan-Klänge daraus hervorzulocken. Doch das ist nur die Exposition, aus der sich bald ein zupackender Groove entwickelt, ja selbst Swing lässt sich erahnen, wenn auch mit dem gehörigen Abstand wilder Jugend in Fragmente und Zitatfetzen zerlegt. Als „unstet“ im positiven Sinne könnte man das bezeichnen, immer auf der Suche und das Gefundene sofort wieder zum Ausgangspunkt einer neuen Suche machend. Der Weg ist in diesem jungen Jazz das Ziel, das Katapult ist immer im Anschlag. Nicht zuletzt bei der Lyrik aus Eva Kruses Bass. Sanglichkeit und Rhythmusmotorik, die auch schon mal die Drums in den Schatten stellt, verbinden sich bei ihr aufs Trefflichste.
Und zeigen einmal mehr, dass die Kleine Scheune bei der JazzBaltica nur wegen ihrer architektonischen Verwinkeltheit „klein“ ist. Ansonsten spielen hier die jungen Wilden, die auf dem besten Wege zu den Großen sind. Ihre Katapulte zielen jedenfalls schon mal auf die Thröne … (gls)