DOK.FEST München: Die Preisträger
Auf dem DOK.FEST 2005 wurden folgende Preise verliehen: im Internationalen Wettbewerb der Dokumentarfilmpreis des Bayerischen Rundfunks und der Festival-Preis „Der besondere Dokumentarfilm“, der Festival-Preis Horizonte, der FFF-Förderpreis Dokumentarfilm und der AVID Nachwuchsförderpreis.
Die internationale Jury: Christian Baudissin, Deutschland; Marek Hovorka, Tschechische Republik; Stefan Majakowski, Niederlande; Sirkka Moeller, England; Sara Yamashita Rüster, Schweden.
Den Dokumentarfilmpreis des Bayerischen Rundfunks (dotiert mit 10.000 Euro) erhält der Film „Yan Mo – Before the Flood“ von Yan Yu und Li Yifan, China.
Die Jury begründet ihre Entscheidung wie folgt:
Yan Yu und Li Yifan zeigen uns in „Yan Mo“ die Abwicklung einer Stadt „vor der Flut“. Die 2300 Jahre alte Stadt Fenjie am Jangtse Fluss muss den Fluten des Drei-Schluchten-Staudammes weichen. Die Filmemacher beobachten während langer Monate die Nöte und Sorgen verschiedener Bewohner, die sich auf ihre bevorstehende Umsiedlung einrichten müssen. Eine Umsiedlung, die für sie bedeutet, selbst ihre Behausungen, ihr soziales Gefüge und ihre Existenzgrundlagen zu demontieren. In der Tradition des klassischen, beobachtenden Dokumentarfilms lassen die Filmemacher sich und den Protagonisten viel Zeit zuzuhören, auszureden und abzuwarten. Der Zuschauer wird eingeladen, sich auf einen langsameren Rhythmus einzulassen. Dieser entspricht der Realität und der Denkweise der Menschen in dieser uralten Stadt. Die Unbefangenheit und Unmittelbarkeit der Portraitierten gegenüber der Kamera zeigen, wie gut es den Filmemachern gelungen ist, ihnen nahe zu kommen. Dabei ist eines unbedingt hervorzuheben: die ausgezeichnete, ruhige, unaufdringliche und immer Situationen instinktiv vorausahnende Handkamera von Yan Yu. Die Herangehensweise der Regisseure erlaubt es uns, die Menschen dieses fernen Landes zu erfahren, ihre Denkweise zu verstehen – und Mitgefühl zu empfinden, ohne uns emotional manipuliert vorzukommen.
Den Festivalpreis für den Besonderen Dokumentarfilm (dotiert mit 2.500 Euro) erhält der Film „Stand van de Maan – Shape of the Moon“ von Leonard Retel Helmrich.
Dazu die Begründung der Jury:
„Stand van de Maan – Shape of the Moon“ lässt uns teilhaben an den Geschicken einer Familie in Jakarta, die als Parabel für die religiösen und sozialen Spannungen in Indonesien gesehen werden kann. Durch drei Generationen und deren Rollen innerhalb der Gesellschaft erhalten wir einen Einblick, der weit über die üblichen Versatzstücke der Auslandsberichterstattung hinausgeht. Der Regisseur, der zugleich meistens die Kamera führt, beobachtet das alltägliche Leben, und setzt kleine, häufig erfrischende und humorvolle Details dagegen, die das Geschehen als Metaphern verstärken. Die Kameraarbeit ist hervorragend und schafft es, die Barrieren zwischen Regisseur und Protagonisten scheinbar völlig aufzuheben. In den Konflikten innerhalb der Familie ergreift der Filmemacher niemals Partei, sondern beobachtet von innen und lässt den Porträtierten ihre Eigenheiten. Sowohl Kamera als auch Schnitt lassen die Menschen und ihre Gespräche, so, wie sie sind, anstatt sie „filmgerecht“ aufzubereiten.
Internationales Programm, Reihe Horizonte
Jury Horizonte: Klaus Blanc, Deutschland; Prof. Frank Heidemann, Deutschland; Frank Werner, Deutschland.
Den Festival-Preis Horizonte (dotiert mit 3.000 Euro) erhält der Film „Az Pase Borghe – The other Side of Burka“ von Mehrdad Oskouei, Iran.
Die Jury begründet ihre Entscheidung wie folgt:
„Az Pase Borghe – The other Side of Burka“ behandelt das Verhältnis der Geschlechter zueinander auf der Süd-Iranischen Insel Qeshm. Der Suizid einer Frau bildet den Ausgangspunkt einer dichten Beschreibung zahlreicher Lebensbereiche vom Inneren des Hauses bis zum offenen Meer, dem Arbeitsplatz der Fischer und Schmuggler. Frauen sprechen mit eindrucksvoller Offenheit über ihre Probleme, sie suchen aus eigener Kraft tragfähige Lösungen innerhalb der Möglichkeiten ihrer eigenen Tradition und zeichnen so ohne vordergründige Anklage ein differenziertes Bild ihrer Gesellschaft. Der Film unterstreicht mit einer poetischen Bildsprache, innovativem Schnitt und einem geschlossenen Spannungsbogen die Aussagen der Protagonisten. Er zeigt das Fremde, ohne es zu verfremden und präsentiert mit dem Bild einer Lokalkultur zugleich die Spannbreite des Islams.
Eine Lobende Erwähnung der Jury für den Preis Horizonte erhält der Film „Al Toufan – A Flood in Baath Country“ von Omar Amiralay, Syrien.
Die Jury begründet ihre Entscheidung wie folgt:
Ein Film wie ein chirurgischer Eingriff, jeder Schnitt kalkuliert, präzise durchkomponierte Sequenzen, lautlos treten seine Figuren auf und ab, alles hat seinen genauen Platz auf dem Seziertisch. Unter dem Messer: ein Land, Syrien, 40 lange Jahre fest im ideologischen Griff der Baath Partei, ein Land das nur Untertanen kennen will, und Liebe fordert. Die ewig gleichen Parolen und Symbole, die allgegenwärtigen Portraits des großen Staatslenkers, alle sind Teile einer öden Elegie Orwellscher Prägung. Omar Amiralay räumt in „Al Toufan – A Flood in Baath Country“ gleich reihenweise geheiligte Prinzipien des Dokumentarischen vom Tisch. Hier arbeitet einer, der seinen Brecht gelesen hat, der nicht verstecken will, was er weiß. Amiralay sucht nicht das Arabeske, Menschen vor der Kamera sind für ihn Träger einer Rolle, und deshalb spielen sie diese konsequenter Weise auch selbst, und das mit Bravour. Vordergründig, authentisch ist hier nichts. Aber die Menschen sind auch nicht die eigentlichen Hauptpersonen seines Films, vielmehr ist es die Sprache selbst, die durch die Menschen hindurch spricht … einfordernd und lyrisch, rhythmisch und werbend. Ein Film wie eine Versuchsanordnung, der fordert, der Abscheu und Lachen im gleichen Moment zu provozieren versteht. Man kann über diesen Film streiten, man muss über ihn streiten, die Jury hat es ausgiebig getan, auch darüber was der aktuelle Dokumentarfilm soll und darf … also ein notwendiger Film, was könnte man Besseres sagen?
FFF-Förderpreis Dokumentarfilm für Bettina Timm, Petra Wallner und Josef Mayerhofer
Im Rahmen des diesjährigen Internationalen Dokumentarfilmfestivals München vergibt der FFF Bayern seinen mit 5.000 Euro dotierten FFF-Förderpreis Dokumentarfilm ex aequo an die Filme „Herr Zhu“ von Bettina Timm sowie „Porträt einer Rothaarigen“ von Petra Wallner und Josef Mayerhofer.
Die Jurybegründung:
Kunst am Gemüse und Philosophie in Öl: Herr Zhu betreibt in Wien ein kleines chinesisches Restaurant, in dem er die Liebe zum Kochen und zum Leben auf höchst schmackhafte Weise verbindet. Regisseurin Bettina Timm studiert seit 1999 an der Hochschule für Fernsehen und Film München und gründete gemeinsam mit Alexander Riedel die Produktionsfirma Pelle Film. Für ihren Film „Die Ohrenmeisterin“ wurde sie 2001 mit dem Starter-Filmpreis der Stadt München ausgezeichnet. „Herr Zhu“ überzeugte die Jury durch seinen konsequenten Stil und die Hingabe an das Thema: So liebevoll wie Herr Zhu seine Speisen zubereitet hat Bettina Timm ihren Film gemacht. Es geht um den Sinn des Lebens, den Wert der Arbeit und das Glück der Harmonie. „Herr Zhu“ überzeugt durch seine klare Form und macht Appetit – auch auf die zukünftige Karriere von Bettina Timm.
Der zweite FFF-Förderpreis, dotiert mit 2.500 Euro, geht an Petra Wallner und Josef Mayerhofer. Ihr Film „Porträt einer Rothaarigen“ ist der „Pop-Legende von Vilsbiburg“ gewidmet: Lotte Lenz, der „Frau ohne Alter“. „Porträt einer Rothaarigen“ zeigt die kitschig-skurrile Welt der erstaunlichen Protagonistin, der es gelingt, einen Hauch von Hollywood nach Niederbayern zu bringen. Beide Filmemacher studieren seit 2000 Dokumentarfilm und Fernsehpublizistik mit Schwerpunkt Kamera an der HFF München. Die Auszeichnung für „Porträt einer Rothaarigen“ begründet die Jury so:
Petra Wallner und Josef Mayerhofer erzählen vom bunten Leben und zugleich von der Vergänglichkeit. Ihnen gelingt die Balance zwischen Humor und Mitfühlen, zwischen Selbstinszenierung und dokumentarischer Beobachtung. Dabei wagen sie es, die Fragmente einer Biographie in der Schwebe zu halten. „Porträt einer Rothaarigen“ ist darüber hinaus ein visueller Genuss: Selten war röteres Rot auf einer Leinwand zu sehen.
Die Jury des diesjährigen FFF-Förderpreises bildeten die Cutterin Gaby Kull-Neujahr, Produzent Fidelis Mager (megaherz) und Regisseur Jörg Adolph. Die drei Filmschaffenden entschieden ebenfalls über den Sachpreis der Firma Avid, ein Schnittsystem Avid Xpress Pro HD, den der HFF München-Student Stefan Ludwig für seinen Festivalbeitrag „Beißen, Beißen, Beißen“ erhielt.
Die Jurybegründung:
Mit dreizehn Jahren sich seinen Platz im Leben zu erkämpfen ist Schwerstarbeit. Regisseur Stefan Ludwig, auch für das Buch und den Schnitt seines Films verantwortlich, entdeckte mit Hansi einen Protagonisten, der mit kindlichem Charme und Energie seinen Lebensraum, vorzugsweise das Fußballfeld, ständig neu erobert. Hansi ist ein Sympathieträger, der den Zuschauer begeistert. Das ihm das gelingt ist eine Leistung des Regisseurs – seine Fähigkeit als Cutter zeigt sich in der furiosen Montage des Fußballspiels – geschnitten an einem traditionellen 16mm Steenbeck Schneidetisch. Das Talent Stefan Ludwig bekommt durch das Avid Schnittsystem jetzt die Möglichkeit, sich auch digital zu beweisen.
(nach einer Pressemitteilung des DOK.FEST München)