55. Internationale Filmfestspiele Berlin – Berlinale 2005

Natürliche Schönheit von Innen

„Dumplings“ (Fruit Chan, China 2004)

In einer Variation des Truffautschen Credo „Kino ist, wenn schöne Frauen ungewöhnliche Dinge tun“, lässt „Dumplings“ Regisseur Fruit Chan Frauen außerordentlich ungewöhnliche Dinge tun, um schön zu werden, wieder zu werden oder zu bleiben. Auf sehr unterhaltsame oder auf erschreckend eklige Weise, je nachdem wie man zur asiatischen Küche und zu asiatischen Filmen der jüngeren Vergangenheit steht, regt Chan die Diskussion um nicht nur weiblichen Schönheitswahn, die Macht der Konsumenten und ethisch-moralische Rechte von Ungeborenen an. Bisschen viel? Nicht, wenn man ein passendes Rezept hat, das alle Zutaten gekonnt miteinander verbindet und mehr als die Summe seiner Zutaten auf den Tisch bringt.

Quing, ehemaliges Fernseh-Starlet, wird von ihrem Ehemann, einem wohlhabenden Geschäftsmann, kaum noch beachtet. Sie lässt ihre Beziehungen spielen und landet bei der mysteriösen „Tante Mei“, gespielt von Berlinale-Jurorin, Playboy-Modell und Fotografen-Liebling Bai Ling. Tante Meis Wan Tans, Teigtaschen mit Füllung – meist in einer klaren Brühe gereicht – verschaffen jugendliche Schönheit, sie selbst ist ihre beste Werbung.

Regisseur Fruit Chan und Berlinale-Liebling Bai Ling (Foto: Berlinale)

Meis geheimes Rezept ist die Füllung: Sie verarbeitet menschliche Embryonen, wo sonst Krabbenfleisch oder Gemüse angeraten sind. Den Verzehr der Wan Tans zelebriert Chan in Großaufnahmen (Kameramann Christopher Doyle holt gewohnt-gekonnt ein Optimum aus den kleinen Settings) und überhöht durch einen eklig-schönen Soundtrack mit Schmatz- und Schlürfgeräuschen. Die ersten Zuschauer verlassen den Saal, und werden sich den nächsten Besuch beim Asiaten wohl verkneifen.

Doch das ist ein kleines Stück Kinomagie und macht Appetit auf mehr. So geht es auch der Quing, nachdem sie den ersten Ekel überwunden hat. Die Dosen werden gesteigert, immer frischere Embryonen müssen her, damit die Haut auch tatsächlich nachhaltig straffer wird. Da trifft es sich gut, dass eine Minderjährige um Abtreibung bei Tante Mei nachsucht. Während die hausgemachte Operation über die Leinwand flimmert, verlassen die nächsten Zuschauer den Saal. Aber die Mühe lohnt, Quings Ehemann kehrt der Geliebten zumindest kurzzeitig den Rücken und wendet sich wieder seiner scheinbar verjüngten Ehefrau zu. Aber wer das Prinzip der positiven Verstärkung kennt, ahnt, dass die Geschichte hier nicht zuende sein kann: Quing kommt zu Ohren, dass ihr Mann seine Geliebte geschwängert hat, die das Kind eigentlich gar nicht austragen will …

Den Film sollte sich nur anschauen, wer eine große Portion Humor und einen starken Magen sein eigen nennt. Dann allerdings regt er tatsächlich zur Diskussion an und macht Spaß. Und Appetit – auf Wan Tans. (dakro)

 

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