European DocuZone: Schleswig-Holstein startet ins Digitale Kinonetzwerk

Das digitale Kino kommt! Vor fast genau 110 Jahren flimmerten in Paris und Berlin die ersten Filmbilder über die Leinwände. Seitdem hat sich zumindest am Prinzip der Vorführtechnik nichts geändert. Doch allmählich steht auch im Kino die digitale Revolution ins Haus – die schweren Projektoren und mit ihnen die kilometerlangen Filmkopien bekommen Gesellschaft von hochauflösenden Beamern und ein paar Gigabyte auf leichtgewichtigen Datenträgern. Damit schließt sich die digitale Kette von den Dreharbeiten (wo die Digitaltechnik längst selbstverständlich ist) bis zur Vorstellung im Kinosaal.

Während nun die große Filmindustrie – Produktionsfirmen, Verleiher und Kinoketten – noch über offenen Fragen bezüglich des Formats brütet, etabliert sich abseits des Mainstreams in Europa bereits ein Netzwerk: das Projekt European DocuZone, gefördert vom MEDIA Programm der EU und in Schleswig-Holstein von der ULR. Es bietet ein Programm, das Dokumentationen, Experimentelles, Kurzfilmprogramme von Filmhochschulen und Live-Events beinhaltet und von März bis Mai und September bis November an jedem Mittwoch zeitgleich seine Zuschauer erreicht: in Frankreich, den Niederlanden, Österreich, Portugal, Schottland, Spanien, der Slowakei – und bei uns! Nach fast zweijähriger Vorlaufzeit steigen am Wochenende vom 25. bis 27. Februar das Kino 51 Stufen, Flensburg, und die Kokis Lübeck und Kiel mit einem gemeinsamen Festival in das Projekt ein.

Gezeigt werden – digital – folgende Filme:

Nicholas Winton – Die Kraft des Guten
Matey Minác. Slowakei 2004. 69 Min. OmU
„Was würde ein Regisseur heute alles dafür geben, zusammen mit dem tatsächlichen Oskar Schindler oder Raoul Wallenberg einen Film zu drehen? Nicholas Winter ist der letzte Retter von so vielen Menschen, der heute noch lebt, und wir, die Filmemacher, sind dazu verpflichtet, die einzigartige Geschichte aus seinem Blickwinkel zu erzählen.“ (Matey Minác) Der Börsenmakler Winton schaffte, hellsichtiger als so viele seiner Zeitgenossen, 1939 aus der okkupierten Tschechoslowakei 669 jüdische Kinder in mehreren Sonderzügen buchstäblich in letzter Minute vor Kriegsausbruch nach England. Mit seltenem Archivmaterial erzählt Minác die Biografie eines Mannes, der zutiefst überzeugt war, dass man sich dem Bösen auf persönlicher Ebene widersetzen kann. Ausgezeichnet u. a. mit dem Emmy-Award als bester Dokumentarfilm.
Fr, 25.2., 18.30 Uhr

The White Diamond – Requiem für einen Planeten
Werner Herzog. D 2004. 87 Min. Engl. mit dt. UT
Herzogs Protagonisten sind oft Menschen, die sich gegen alle Widerstände einen Traum erfüllen. Der Traum vom Schweben ganz nah über dem unerforschten Dach des Dschungels beseelte den Tierfilmer Dieter Plage und den Luftschiff-Konstrukteur Graham Dorrington. Aber beim ersten Probeflug kam Plage ums Leben. Trotz dieses Traumas entwickelt Dorrington eine neue Version seines Luftschiffes. Im Juli 2004 folgt ihm Herzog mit einer kleinen Filmcrew, um die erste Reise des Zeppelins über den Baumkronen am Fuß des majestätischen Kaieteur-Wasserfalls im Herzen von Guyana fest zu halten. Herzog kombiniert nie gesehene Bilder vom Dach des Urwalds mit langen Sequenzen, in denen er die Menschen aus Europa und Guyana vorstellt, die diese Bilder ermöglicht haben.
Fr, 25.2., 20 Uhr

Peace One Day
Jeremy Gilley. GB 2004. 80 Min. Engl. mit dt. UT
Jeremy Gilley hat eine Vision: Einen Tag im Jahr soll auf der ganzen Welt Frieden herrschen. Und er dokumentiert, wie er sich dafür in einer 6-jährigen weltumfassenden Kampagne einsetzt. Er organisiert Pressekonferenzen, zu denen kein einziger Journalist erscheint, reist in Unruheherde und Krisengebiete und wirbt zäh bei der UNO um Unterstützung. Die Aufnahmen der Gespräche mit u.a. Kofi Annan, Shimon Peres oder dem Dalai Lama und vor allem mit deren zahllosen Zuarbeitern geben einen faszinierenden Einblick in die Wirkungsmechanismen von Politik. Als er am 11. September 2001 mit seiner Kamera im Hauptquartier der UN in New York steht, wo Kofi Annan den Friedenstag ausrufen will, fliegen die Flugzeuge in das World Trade Center – ein herber Rückschlag für die Kampagne, die Gilley unbeirrt und mit Erfolg weiterführt. Am 21. September findet seitdem der offizielle, von der UN ausgerufene Friedenstag statt.
Sa, 26.2., 19 Uhr

I am from nowhere
Georg Misch. Au 2002. 80 Min. Slowakisch mit dt. UT
„I am from nowhere“, antwortete Andy Warhol auf die Frage nach seiner Herkunft. Nirgendwo, das ist das 150-Seelen-Dorf Miková in der Ostslowakei, aus dem seine Mutter 1921 in die USA emigrierte, und inzwischen bestimmt das Dorf mit der weltweit höchsten Präsenz auf den Kinoleinwänden, nachdem sich zahllose Kamerateams die Klinken in die Hand gaben. Die Bewohner haben sich an die Medienpräsenz gewöhnt und wissen sie mit naiver, manchmal erschütternd offenherziger Schlitzohrigkeit für sich zu nutzen. Anscheinend ist jeder irgendwie mit Warhol verwandt, und jeder glaubt, in Amerika warte eigentlich das Glück auf ihn. Misch: „Warhol ist für die Menschen eine fast schon messianische Figur, die sie aus der Abgeschiedenheit der Provinz erlöst und allen Hoffnung gibt.“
Sa, 26.2., 20.30 Uhr

My Louis Armstrong Years
Mohamed Kounda. F 2003. 85 Min. OmU
Glinda und ihr 17jähriger Sohn Chantz aus Mississippi verbringen ihr Leben „on the road“. Er, ein musikalisches Wunderkind, spielt seit dem 5. Lebensjahr die Trompete und tanzt in den Straßen, U-Bahnen und auf den Bühnen dieser Welt. Sie teilen die Liebe zur Musik, zu Louis Armstrong und den Willen zum Erfolg. Chantz ist für seine Mutter nicht nur die Projektion ihrer eigenen Träume, er ist auch die einzige Hoffnung für eine Frau, die noch etwas aus ihrem Leben machen will. Die Ambivalenz der Mutter-Sohn-Beziehung überträgt Kounda auf den Film, „der im Rhythmus einer Jazz-Improvisation zwischen Zärtlichkeit und Konflikt, Freude und Schmerz, Tempo und Stillstand pendelt. Drei Musikseelen haben sich hier gefunden zu einer filmisch-musikalischen Komposition über eine große Leidenschaft auf ihrem steinigen Weg zu Erfolg.“ (delicatessen Programmheft)
So, 27.2., 19 Uhr

Im März beginnt dann die erste Staffel des dreijährigen europaweiten Projektes. Bis zum Mai zeigen die beteiligten Kinos an jedem Mittwoch einen hochaktuellen europäischen Dokumentarfilm:

„The Swenkas“ (Jeppe Rønde. DK 2004. 72 Min. OmU) ist eine poetische Dokumentation voller Musikalität über einen Lebensstil im Südafrika der Post-Apartheids-Ära: Arbeiter und Bauern präsentieren sich als stolze Freizeit-Dressmen in Edelklamotten, ihre Art des Aufbruchs in die Zukunft im Bewusstsein ihrer afrikanischen Wurzeln und Werte.
Mi, 2.3. + Mo, 7.3., jeweils 18.30 Uhr

Mit „The White Diamond – Requiem für einen Planeten“ (Werner Herzog. D 2004. 87 Min. OmU), läuft noch einmal das Highlight aus dem Eröffnungsprogramm im Februar.
Mi, 9.3., Do, 10.3. + Di, 15.3., jeweils 18.30 Uhr

„Georgi And The Butterflies“ (Andrey Paounov. Bulgarien 2004. 52 Min. OmU) macht uns mit Dr. Georgi Lulchev bekannt: Psychiater, Neurologe, Spezialist für chinesische Heilkunst, Amateurkoch, Verwalter und Direktor eines Heimes für psychisch Kranke bei Sofia. Angesichts der bedrückenden Armut im Land realisiert er mit seinen Patienten mitunter bizarre Geschäftsideen, um ihnen Arbeit und Einkommen zu verschaffen. Eine filmische Begegnung voller Mitgefühl und Optimismus.
Mi, 16.3. + So, 20.3., jeweils 19 Uhr

„The 3 Rooms Of Melancholia“ (Pirjo Honkasalo. FIN/D/S 2004. 105 Min. OmU): Russland, Tschetschenien, Inguschetien – für die renommierte finnische Filmemacherin drei Räume der Melancholie, aus denen sie eindringlich über kindliche Opfer des jahrelangen Tschetschenienkrieges berichtet. Ausgezeichnet beim International Documentary Filmfestival Amsterdam mit dem Amnesty International-DOEN Award und beim Copenhagen International Documentary Film Festival.
Mi, 23.3. + Mo, 28.3., jeweils 18.30 Uhr

Heiterer und beschwingt geht es weiter mit „Der Flamenco Clan“ (Michael Meert. D/E 2004. 89 Min. OmU). Meert, dessen Musikfilme über Paco de Lucia oder Pablo Casals weltweit gerühmt sind, erzählt das vier Generationen umspannende Epos einer musikbegeisterten Gitano-Dynastie.
Mi, 30.3., 18.30 Uhr

Mehr unter www.delicatessen.org.

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