55. Internationale Filmfestspiele Berlin – Berlinale 2005

Berlinale-Retrospektive 2005: „Production Design & Film“

Ob verschwenderisch und opulent ausgestattete Sets oder zurückhaltend und schlicht gestaltete Räume – Production Design bestimmt den Look und die Atmosphäre eines Films und gibt dem visuell Typischen seine Gestalt.

Die Retrospektive der 55. Internationalen Filmfestspiele Berlin (10.-20.02.2005) widmet sich unter dem Titel „Schauplätze – Drehorte – Spielräume. Production Design & Film“ der Wirkung und dem Metier des Production Designs.

„Production Designer sind weit mehr als nur Kulissenbauer“, kommentiert Berlinale-Direktor Dieter Kosslick die Retrospektive 2005. „Sie sind genuine Künstler, die das Gesamtbild eines Films wesentlich beeinflussen. Die Wirkung ihrer Arbeit ist auf den ersten Blick oft unterschwellig, doch für die Vermittlung der dramatischen Handlung sehr wichtig.“ Production Designer liefern den visuellen Schlüssel für die Stimmung und Geschichte eines Films. Die Ausstattung kann individuelle Gefühle ebenso wie gesellschaftliche Verhältnisse zum Ausdruck bringen oder das Rätselhafte und Bedrohliche einer Handlung akzentuieren.

Die Retrospektive der Berlinale 2005 ist gegliedert in fünf thematische Bereiche, die verschiedene Aspekte der Wirkungsweise von Production Design zeigen. Die Filmreihe umfasst 45 internationale Filme aus den vergangenen 65 Jahren. Dabei wird den stilbildenden Filmen Stanley Kubricks ein besonderer Platz eingeräumt.

Die Rubrik „Interiors“ widmet sich Innenwelten und privaten Räumen. Diese hat zum Beispiel Rolf Zehetbauer für Rainer Werner Fassbinders Film „Die Sehnsucht der Veronika Voss“ (BRD, 1981/82) eindringlich in Szene gesetzt. Und Richard Sylbert gelingt es, mit der Gestaltung des Interieurs in Mike Nichols‘ Film „Who’s Afraid of Virginia Woolf?“ („Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“, USA, 1966) innere Konflikte des Akademikerpaars Taylor/Burton sichtbar zu machen.

Unter der Überschrift „Transit“ werden Filme gezeigt, in denen der filmische Raum zur Metapher wird: Der Production Designer P.A. Lundgren gestaltete in Ingmar Bergmans Film „Tystnaden“ („Das Schweigen“, Schweden, 1962/63) durchlässige Räume, die das thematisierte „Schweigen“ hörbar machen, Entfremdung visualisieren. In „2001: A Space Odyssey“ („2001: Odyssee im Weltraum“, Großbritannien/USA, 1965-68) findet Stanley Kubricks Blick auf die Entwicklung der Menschheit im Production Design von Ernest Archer, Harry Lange und Anthony Masters seine Entsprechung.

Der Abschnitt „Macht“ zeigt unter anderem „Gattaca“ (USA, 1997) von Andrew Niccol. In diesem Film ist es Jan Roelfs auf subtile Weise gelungen, das Bedrohliche totalitärer Strukturen in Architektur und Design zu spiegeln. Für Billy Wilders Meisterwerk „The Apartment“ („Das Appartement“, USA, 1960) hat Alexandre Trauner mit seinen Bauten eine Welt der Hierarchien und Abhängigkeiten räumlich übersetzt.

Der Zwischen-Raum von Realität und Illusion wird im Bereich „Bühne“ sichtbar. Für „E la nave va“ („Fellinis Schiff der Träume“, Italien/Frankreich, 1983) etwa kreierte Dante Ferretti ein artifizielles Meer aus riesigen Plastikplanen, weil Federico Fellini in seinem Film kein „echtes Meer“ haben wollte. In den Bauten K. Efimows wird Grigorij Alexandrows Komödie „Wesna“ („Der Frühling“, UdSSR, 1947) zum Double des Lebens und das Leben zum Double des Films.

Die Rubrik „Labyrinth“ versammelt Filme, die ein Wechselspiel von Erzählstruktur und Raumkonstellation präsentieren. Endlose Flure und verwirrende Raumabfolgen werden zum Irrgarten. So zum Beispiel in Stanley Kubricks Film „The Shining“ (Großbritannien/USA, 1978-80), für den Roy Walker das Production Design entworfen hat. Die labyrinthische Form findet sich aber auch in Bernardo Bertoluccis „Strategia del ragno“ („Die Strategie der Spinne“, Italien, 1969/70), einer Reflexion über Verrat und Schuld, für die die Production Designerin Maria Paola Maino einen betörenden Drehort ausfindig machte.

Die von Ralph Eue kuratierte Retrospektive der 55. Internationalen Filmfestspiele Berlin wird vom Filmmuseum Berlin – Deutsche Kinemathek verantwortet. Leiter der Retrospektive ist Hans Helmut Prinzler. Die Filmvorführungen finden im CinemaxX am Potsdamer Platz statt. Zur Retrospektive erscheint im Berliner Bertz + Fischer Verlag die Publikation „Schauplätze – Drehorte – Spielräume. Production Design & Film“. Im Filmmuseum Berlin gibt es begleitende Vorträge und Diskussionen. Außerdem wird dort vom 10. Februar bis zum 19. Juni 2005 die Ausstellung „Bewegte Räume“ gezeigt.

Das Deutsche Filmmuseum Frankfurt am Main präsentiert vom 19. Januar bis zum 11. April 2005 im Martin-Gropius-Bau die Ausstellung „Stanley Kubrick“. Zusätzliche Synergien ergeben sich mit dem Berlinale Talent Campus, der sich ebenfalls dem Thema Production Design widmet.

Sonderveranstaltung zur Retrospektive der Berlinale: „Panzerkreuzer Potemkin“ – Premiere der neu rekonstruierten Fassung

Der Film „Panzerkreuzer Potemkin“ (UdSSR 1925, Regie: Sergej Eisenstein) revolutionierte aufgrund seiner bahnbrechenden Montagetechnik die Filmkunst. Zum 20. Jahrestag der russischen Revolution von 1905 in nur drei Monaten gedreht, katapultierte der Film den 27-jährigen Sergej Eisenstein in die Riege der weltbesten Regisseure. Zum Welterfolg des Films hatte die für die deutsche Premierenfassung von 1926 komponierte Musik von Edmund Meisel entscheidend beigetragen. Die Überlieferungsgeschichte des Films ist eine Geschichte der Verstümmelungen; der Film selbst einer der spektakulärsten Zensurfälle der 1920er Jahre. Eine vollständige Kopie der russischen Premierenfassung des Films ist nicht erhalten.

80 Jahre nach der russischen Uraufführung und 100 Jahre nach den Ereignissen, von denen der Film handelt, wird der Film „Panzerkreuzer Potemkin“ in einer neu rekonstruierten Fassung vorgestellt. Die Aufführung des Films findet als Sonderveranstaltung der Retrospektive anlässlich der 55. Internationalen Filmfestspiele Berlin statt. Die neue Rekonstruktion der russischen Premierenfassung schließt erstmals die Wiedereinfügung von russischen Zwischentiteln in ihrer originalen grafischen Gestalt sowie eines dem Film vorangestellten Mottos von Leo Trotzki ein. Korrigiert wurden u.a. auch die durch die Bearbeitungen und Zensur verursachten Umstellungen und Schnitte der berühmten Treppensequenz.

Für die rekonstruierte Fassung des Films wurde Edmund Meisels Musik von Helmut Imig mit dramaturgischer Beratung von Lothar Prox neu bearbeitet. Bei den Stummfilmaufführungen mit Orchesterbegleitung am 12. und 13. Februar 2005 spielt das Deutsche Filmorchester Babelsberg unter dem Dirigat von Helmut Imig.

Das Initiativprojekt der Kulturstiftung des Bundes wird unter Gesamtleitung der Stiftung Deutsche Kinemathek realisiert (Projektkoordination: Anna Bohn). Die Rekonstruktion des Films erfolgt unter Leitung von Enno Patalas und mit Unterstützung des Bundesarchiv-Filmarchivs, Berlin und des British Film Institute, London.

(nach Pressemitteilungen der Berlinale)

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