46. Nordische Filmtage Lübeck

Populärkultur für jung und alt

„Sergeant Pepper“ (D 2004, Sandra Nettelbeck)

Den Stoff für „Sergeant Pepper“ hat sich Regisseurin Sandra Nettelbeck während der Post Production zu ihrem Erfolgsfilm „Bella Martha“ einfallen lassen. Für sie war es ein „Comic Relief“ nach und während der Anstrengungen der vorangegangenen Produktion. Gut drei Jahre später kam sie nun mit ihrer Nichte auf dem Arm und in Begleitung der beiden hervorragenden Kinder-Hauptdarsteller Neal Lennart Thomas und Carolyn Prein sowie Darsteller Oliver Broumis zur Welturaufführung der deutsch-englisch-italienischen Koproduktion nach Lübeck.

„Ja, denn, ihr Drehbuch ist so schön undeutsch“ antwortetet Broumis auf die Frage, ob es den „erwachsenen“ Schauspielern tatsächlich soviel Spaß gemacht habe, wie es auf der Leinwand den Anschein hat. Das kommt sicher nicht von ungefähr, Sandra Nettelbeck hat ihre Filmausbildung an der San Francisco State University erfahren. Nach redaktioneller Arbeit für Spiegel TV und das Kinomagazin Premiere folgten zwei Fernsehproduktionen und dann der erfolgreiche Einstieg ins Kino mit „Bella Martha“.

Die kindgerecht überschaubare Geschichte dreht sich um den sechsjährigen Felix, der seinen Eltern Sorgen bereitet, weil er sich lieber mit Stofftieren als mit Spielkameraden unterhält und sich nur im Tigerkostüm wohlfühlt. Als Felix einen herrenlosen Hund findet, nimmt die Dramatik ihren Lauf. Denn Sergeant Pepper, so der Name des Hundes, erzählt Felix, dass ihm Herrchen seine Millionen vermacht hat und er nun auf der Flucht vor der raffgierigen und enterbten Tochter (Klasse als skrupellose Erbschleicherin: Barbara Auer) und ihrem im Kern doch guten Bruder (Oliver Broumis) sei. Bis zum Happy End im Erbschloss müssen Felix und seine Schwester Felicia eine Reihe Abenteuer bestehen, doch natürlich überlisten sie alle Erwachsenen, retten Sergeant Pepper und lösen auch noch die elterlichen Wohnungssorgen.

Zitate aus der internationalen Populärkultur ziehen sich auf allen filmischen Ebenen durch die ganze Geschichte. Die High-Tech-Küche im elterlichen Heim und die väterlichen Bastelarbeiten in der Garage erinnern stark an Nick Parks „Wallace & Gromit“-Szenarios und so wundert es nicht, wenn Felix‘ Vater wie eine Verschmelzung von Wallace und Bob The Builder daherkommt. Felix selbst trägt nur Tigerkostüm und ist damit „Calvin und Hobbs“ in Personalunion, eine nette Idee für die Figur. Bei manchen Einstellungen habe wohl der Comic aufgeschlagen neben der Kamera gelegen, so ein Zuschauer ohne Vorwurf. Nettelbeck bestätigt die Nähe der Figur zum Comic, ist selbst Waterston-Fan, der Film auch eine Hommage an ihn, mit entsprechender Widmung. Sie würde sich freuen, wenn der zurückgezogen lebende Autor und Zeichner vom Film erfahren würde.

Die Zitate und Reminiszenzen aus der Populärkultur zu finden trägt deutlich zum Vergnügen für den erwachsenen Zuschauer bei: von „Mutters“ Stimme aus Alien über Charly Chaplins „Gabel auf Brötchen“-Konstruktion bis hin zu Barbara Auers Reinkarnation als Rosa Krebb, der giftigen Spionin aus „Liebesgrüße aus Moskau“, macht es Spaß, die versteckten Ostereier zu finden und die Cameos von prominenten Schauspielern zu spotten. Die Kinder im Publikum zieht der Film bis zum Ende mit, denn er hat Tempo und kindgerechte Action. Sie bedanken sich bei der Regisseurin und ihren Darstellern mit lautem Applaus.

Kleine Logiklöcher fallen nicht wirklich ins Gewicht, denn Sandra Nettelbeck hat eine stimmige, bunte Welt geschaffen, in der zwar alles möglich ist, aber zum Schluss das Gute siegt. Allerdings steckt Felix am Ende immer noch im Tigerkostüm und hört als einziger Sergeant Pepper sprechen. „Er hat halt eine lebhafte Fantasie, warum sollen wir sie ihm austreiben?“ fragt sich Felix‘ Vater und damit die Regisseurin uns: vielleicht müssen wir Erwachsenen nur unsere Fantasie neu entdecken? (dakro)

 

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