54. Internationale Filmfestspiele Berlin
Poetisch schön bis verstörend
Samaria (Kim Ki-Duk, Korea 2004)
Die Unfähigkeit, ihren Gefühlen in Worten Ausdruck zu verleihen, lässt die Helden in Kim Ki-Duks Filmen oft zu extremer Gewalt gegen sich oder andere greifen. Der koreanische Regisseur findet dafür poetisch-schöne Bilder, die verstörend wirken und noch lange nach dem Kinobesuch im Gedächtnis bleiben. Nie jedoch inszeniert er Grausamkeiten als Schauwert, stets sind die gewalttätigen Ausbrüche seiner Figuren in ihrer Verzweiflung, ihrer Angst vor Einsamkeit begründet.
Yeo-Jin lebt mit ihrem Vater, einem verwitweten Polizisten, in einer kleinen Wohnung. Mit ihrer Schulfreundin Jae-Young plant sie, nach Europa zu fliegen. Während sich Jae-Young prostituiert, um das notwendige Geld zu beschaffen, kümmert sich Yeo-Jin um Freier und hält die Einnahmen zusammen. Als Fahnder der Sittenpolizei auftauchen, stürzt sich Jae-Young aus dem Fenster und stirbt kurz darauf im Krankenhaus. Yeo-Jin beginnt daraufhin alle ehemaligen Freier ihrer Freundin aufzusuchen, mit ihnen zu schlafen und das Geld zu deren Verwunderung zurückzuzahlen. Als ihr Vater sie zufällig mit einem Kunden beobachtet, kann er sie nicht mit der Wahrheit konfrontieren. Stattdessen schüchtert er die Männer ein oder schlägt sie zusammen. Als er einen der Freier erschlägt, weiß er, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis er verhaftet wird. Er fährt mit seiner Tochter aufs Land um das Grab der Mutter zu besuchen.
Aufopferungsvolle Freundinnen: Seo Min-jung und Kwak Ji-min in „Samaria“
„Samaria“ scheint nicht Prostitution oder Mord einer moralischen Untersuchung unterziehen zu wollen. Lebensgier und Lebensangst treibt seine Helden zu Verzweiflungstaten. Es sind oft Beweise uneingeschränkter Liebe und Hingabe, die den Geliebten aber meist verborgen bleiben. Kim Ki-Duk macht im doppelten Sinne extrem-romatisches Kino, ohne zu psychologisieren oder zu moralisieren. Darin liegt die Faszination seiner Filme. (Daniel Krönke)