Highlights im Grasweg-Kino

Das Ex-Trauma-Kino in Kiel hat einen neuen Namen, es heißt jetzt Grasweg-Kino. Das Programm und Infos zum Kino finden sich im netz unter www.grasweg.net/kino.htm.

Im Oktober und November zeigt das Grasweg-Kino folgende Filme als Highlights im Programm:

  • „Dogville“, den neuen Film des dänischen Regisseurs Lars von Trier: 23.10. – 19.11., täglich um 20.00 Uhr (Infos über den Film unter www.dogville.dk).
  • „Sie haben Knut“, den Erstlingsfilm von Stefan Krohmer aus Baden-Würtemberg. Auf der Berlinale (Deutsche Reihe) fand der Film große Beachtung. Das Kritiker-Echo ist gemischt. Die TAZ notierte „Sehr lustig!“: 20. – 26.11., täglich um 20.00 Uhr, 27.11. – 10.12., täglich um 22.15 Uhr.

„Sie haben Knut“
(Stefan Krohmer, D 2003, 107 Min., 35 mm)

Inhalt

Eine Geschichte über Liebe und andere vergessene Ideale der frühen 80er Jahre, der Zeit der selbstgestrickten Pullover, politischen Parolen und offenen Beziehungen … Ingo und Nadja haben sich an einem verschneiten Winterwochenende 1983 in den Bergen Tirols in die einsame Almhütte von Nadjas Eltern zurückgezogen. Sie wollen ihre Beziehung diskutieren, retten, was zu retten ist. Aber bevor Ingo so richtig seine Seele öffnen kann, fällt eine lärmende Volleyballgruppe unangekündigt in die Hütte ein. Es sind Freunde von Nadjas politisch aktivem Bruder Knut – ganz unpolitisch auf Skiferien. Nur Knut selbst fehlt. Irgendwann kommt die Nachricht: „Sie haben Knut!“ Knut ist verhaftet worden. Die Stimmung schwankt zwischen Skigymnastik, Après Ski- Seligkeit und politischen Befreiungsstrategien. Und auch zwischen Nadja und Ingo gerät einiges in Bewegung …

Produktionsnotizen

Von Februar bis Ostern 2002 wurde „Sie haben Knut“ mit einem 45köpfigen Team in der Tiroler Wildschönau gedreht. Der 300 Jahre alter Bauernhof Steiner in Auffach lieferte das Hauptmotiv für diesen Ensemble-Film des Nachwuchsregisseurs Stefan Krohmer. Das Gemeindeamt, das Tourismusbüro Wildschönau und die Wildschönauer Bergbahnen/Schatzbergbahn waren bei der Spielfilmherstellung über die Dauer der 31-tägigen Dreharbeiten ebenso hilfsbereit, wie eine Vielzahl der Bewohner der Wildschönau.

„Sie haben Knut“ ist seit den 50er Jahren wieder der erste Kinospielfilm, der vor der Kulisse der Wildschönau spielt – und dort gedreht wurde. Der mehrfache Grimme-Preisträger und Filmakademie Ludwigsburg-Absolvent Stefan Krohmer („Nach Saison“) inszenierte mit „Sie haben Knut“ seinen ersten Kinospielfilm. Der in Salzburg gebürtige Benedict Neuenfels („Bunte Hunde“, „Der Skorpion“, „Felsen“) führte die Kamera. Das 14-köpfige Schauspieler-Ensemble wurde mit Theaterschauspielern (u.a. Valerie Koch, Hans-Jochen Wagner) und TV/Kinodarstellern (u.a. Alexandra Neldel, Rainer Strecker, Devid Striesow, Anneke Kim Sarnau) besetzt. Und auch der Autor des Drehbuchs, Daniel Nocke, besetzt eine Rolle.

Szenenbildner Thilo Mengler und Kostümbildnerin Silke Sommer statteten den Spielfilm im Look der frühen 80er Jahre aus. Der Berliner Produzent Peter Rommel („Nachtgestalten“, „Halbe Treppe“, „Drei Herren“) und seine Stuttgarter Spielfilmfirma Home Run Pictures stellte „Sie haben Knut“ gemeinsam mit dem Wiener Produzenten Helmut Grasser der Allegro Film her. ZDF – Das Kleine Fernsehspiel und arte koproduzierten diese deutsch-österreichische Gemeinschaftsproduktion.

Interview mit Regisseur Stefan Krohmer und Drehbuchautor Daniel Nocke

Seit wann arbeiten der Drehbuchautor Daniel Nocke und der Regisseur Stefan Krohmer gemeinsam an der Entwicklung von Ideen und Stoffen?

Stefan: Wir haben beide 1994 an der Filmakademie Baden-Württemberg zu studieren begonnen und waren dort in die gleichen Kurse eingeteilt. Wirklich kennen gelernt haben wir uns aber auf dem Fußballfeld. Wir haben bald unsere jeweiligen Vereinserfahrungen ausgetauscht und diese in den ersten gemeinsamen Kurzfilm DER TRAINER einfließen lassen. Von da an haben wir regelmäßig zusammen gearbeitet. Wie kam Euch die Idee zu einer solchen Geschichte aus den 80er Jahren? Wie beim TRAINER-Kurzfilm, haben wir uns an Situationen und Figuren erinnert, denen wir in unserem Leben begegnet sind, und stießen beim Thema „Skihütten-Urlaub“ auf biographische Gemeinsamkeiten. Der Zeitraum 82/83 schien uns für unsere Geschichte geeignet, weil er nicht nur wegen des Regierungswechsels und des letzten Aufbäumens der Friedensbewegung einen kleinen Einschnitt markiert. Auch der Europa-Pokal-Erfolg des HSV bildete den Höhe- und Endpunkt einer Ära. Ein Aspekt, der vor allem für Daniel wichtig war. Jedenfalls schien uns dieser Zeitraum sehr passend für eine Figur, die von bestimmten Ideen Abschied nehmen und erst einmal privat einen Neuanfang versuchen will. Die Skihütte war dabei ein guter Ort, um unseren Hauptcharakter noch einmal unerwartet mit Figuren zu konfrontieren, die teilweise noch sehr von den Strömungen des vorangegangenen Jahrzehntes geprägt sind, und solchen, denen das bereits vollkommen egal ist.

Seid ihr selbst in einem politisch motivierten Umfeld aufgewachsen, wie habt ihr diese Zeit erlebt?

Daniel: Ich war damals vierzehn und der Meinung, gegen Raketen-Stationierungen auf die Straße gehen und kritische Songs zur Gitarre singen zu sollen. Das hatte sicherlich mit dem Umfeld zu tun, in dem ich aufgewachsen bin. Aber es war schon deutlich, dass es dort und unter meinen Mitschülern bereits populärere Themen gab, und es wurde in den folgenden Jahren immer deutlicher.

Stefan: Ich war 1983 zwölf Jahre alt und offen gesagt nur durch meine Mutter und ihre Freunde an der Friedensbewegung beteiligt. In der Zeit sind wir an Ostern immer mit dem Fahrrad auf die Schwäbische Alb nach Engstingen gefahren, wo angeblich Pershing-Sprengköpfe gelagert waren. Da die Demos, auf die ich gezerrt wurde, eher den Charakter eines Wochenendausflugs hatten, ergab sich zumindest immer auch die Chance für einen gepflegten Kick. Mein Umfeld war politisch – ich aber eher fußballerisch interessiert. Auf den Ostermärschen ließ sich das ganz gut in Einklang bringen und wahrscheinlich ist das richtige Bewusstsein auf diese Weise auch in mich reingesickert.

In welcher Rolle seht Ihr Euch selbst im Film?

Daniel: Obwohl ich vom Alter her eher Niklas entspreche, war ich (wenn überhaupt) eher der Lars-Typ (Ich habe einen Hütten-Urlaub mit der Volleyball-Gruppe meiner Mutter allerdings auch schon 1979 absolviert.) Auch wenn wir nicht genau auf die Kinder-Figuren passen, wollten wir ihre Perspektive natürlich im Film haben, und ich mag auch die Vorstellung, dass Lars zwanzig Jahre später diesen Urlaub verfilmt. Ich kann heute Züge vieler Figuren an mir entdecken, möchte mich aber besonders zu Wolfgang bekennen, der es als Identifikations-Figur vielleicht nicht bei allen Zuschauern leicht haben wird.

Stefan: Wenn es da irgendeine Entsprechung gibt, war ich eher der Niklas Typ. Was jetzt aber nicht heißen soll, dass ich Daniel ständig unterdrücke. Aber ich habe in der Zeit andere Kinder unterdrückt – das stimmt.

Was bedeuten die 80er Jahre in musikalischer und sonstiger Hinsicht für Euch?

Daniel: Ich habe Anfang der 80er Jahre Udo Lindenberg gehört. Mein Verhältnis zu Udo hat im Laufe der Jahre die übliche Entwicklung genommen: Erst leistet man bedingungslose Gefolgschaft, schämt sich später dafür und entdeckt irgendwann aus der Distanz seine Verdienste wieder. Das entspricht etwa der Stimmung, die Knut am Ende des Films gegenüber den damaligen Zeiterscheinungen zum Ausdruck bringt, als er Ingo auffordert, sich nicht vollständig davon abzuwenden.

Stefan: Mein Verhältnis zur Musik der Jahre 80-83 ist ein viel zu sentimentales, als dass ich hier darüber sprechen könnte. Ich würde dann anfangen die Platten aufzulisten, die ich rückblickend für besonders wichtig und stilprägend halte. Eben all die Platten, in die ich damals als 13jähriger mein Geld investiert habe und die ich heute noch wie blöd höre. Allerdings, so viel will ich doch verraten, von Udo Lindenberg war keine dabei.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Kameramann Benedict Neuenfels?

Stefan: Wir kannten Benedict bereits durch seine Dozenten-Tätigkeit an der Filmakademie Ludwisgburg, und ich hatte ihn dann über die Arbeit bei Dito Tsintsadzes LOST KILLERS näher kennengelernt. Schon bei der Entwicklung des Stoffes zu SIE HABEN KNUT hatten wir oft an Benedict gedacht, wenn es darum ging, uns nochmal vorzumachen, wie diese Typen reden und gestikulieren. Weil Benedict halt einer der wenigen ist, der die Diskussionskultur der 80er heute noch aufrecht erhält, hatten wir auch ernsthaft darüber nachgedacht, ihn für eine der Rollen zu besetzten. Dass er am Ende dann doch wieder nur hinter der Kamera stand, hat mit meiner Feigheit zu tun und damit, dass wir noch gute Alternativen hatten. Jedenfalls hat er durch die beschriebenen Qualitäten den Film noch von ganz anderen Seiten beleben können.

Ein Wort zu den Bereichen Kostüm und Ausstattung, um den spezifischen Look der 80er Jahre zu erzählen?

Stefan: Wir sind erstmal davon ausgegangen, dass sich das Lebensgefühl dieser Zeit am ehesten beschreiben lässt, indem man die Typen genau trifft – in ihrer Art zu Denken und ihrer Form der Kommunikation. Kostüm und Szenenbild sollten diesem Anspruch folgen, ohne dabei die 80er und ihre Merkmale zu sehr zu zelebrieren. Da Peter (der Produzent) in seiner unerschütterlichen Art selbstverständlich davon ausging, dass man die Skiklamotten und Requisiten aus der Zeit alle geschenkt bekommt, war der Posten in der Kalkulation denkbar gering ausgefallen. Alle Beteiligten waren dazu angehalten, die Sachen aus ihrem Bekanntenkreis zusammenzutragen. Selbst die Regieassistentin war so freundlich, ihre tschechische Verwandschaft auszubeuten. Der Kostümbildnerin Silke Sommer ist es dann gelungen, aus diesem Berg von Altkleidern die vierzehn Schauspieler einzukleiden, ohne dabei unsere vorher entwickelten Konzepte zu durchkreuzen. Da wir in SIE HABEN KNUT kein ausgesprochen modebewusstes Milieu erzählen, ging es auch nicht so sehr darum, in irgendwelchen Life-Style Magazinen zu blättern, um herauszufinden, was damals angesagt war. Mit Ausnahme von Rolf, Sylvia und Niklas, bei denen wir auch äußerlich das Jahr 1983 genauer treffen wollten, sollte die Gruppe eher zeitloser und dadurch authentisch wirken. Natürlich hatten wir neben unseren Erinnerungen auch viele Urlaubsfotos aus der Zeit, an denen wir uns orientieren konnten – auch was die Länge der Bärte anging. Mit dem alten Bauernhof hatten wir auch einen Ort gewählt, der heute noch so aussieht wie damals. Der Szenenbildner Thilo Mengler hat im Wesentlichen mit dem vorgefundenen Material gearbeitet. Er hat die Räume für die Vorstellungen der Kamera neu arrangiert, den Kachelofen wieder in Gang gesetzt und mit wenigen zusätzlichen Möbel-Elementen und Requisiten Zeitkolorit geschaffen.

Cookie Consent mit Real Cookie Banner