Breite Unterstützung für Protest gegen „Privatisierung“ des Deutschen Filmpreises

Gegen den Wunsch der Kulturstaatsministerin Christina Weiss, den Deutschen Filmpreis zukünftig durch die Deutsche Filmakademie e.V. vergeben zu lassen (wir berichteten) hat sich breiter Protest aus der Filmbranche geregt. Zwei Offene Briefe („Offener Brief an Frau Weiss“ und „Kultur ist kein Luxus“) unterzeichneten bislang über 400 Mitglieder der Filmbranche. Die komplette Liste der Unterschriften findet sich unter www.revolver-film.de. Der Wortlaut der Briefe wurde ganz oder teilweise in Tageszeitungen und Filmpublikationen veröffentlicht (Berliner Zeitung, filmdienst), alle relevanten Zeitungen haben über die Initiativen berichtet (FAZ, Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Rundschau, Die Welt, Tagesspiegel, Berliner Zeitung, NZZ, Blickpunkt Film, Neues Deutschland etc.).

Reaktionen

Die Staatsministerin Christina Weiss hat es jedoch unterlassen, auf die Briefe konkret zu reagieren. In einer Pressemitteilung teilte sie lediglich mit, dass sie die Gründung der Akademie begrüße, auf eine breite Unterstützung hoffe und im Übrigen der Meinung sei, dass der Deutsche Film „nicht unter Artenschutz“ stehe. Allerdings hat sie den Zeitpunkt der Übergabe an die Akademie um ein Jahr, also auf 2005, verschoben. Dazu Rainer Gansera, Filmkritiker (Süddeutsche Zeitung) und Mitglied der letztjährigen Filmpreisjury: „Uns wurde klipp und klar gesagt, wir würden im nächsten Jahr nicht mehr gebraucht. Insofern eine überraschende Entscheidung.“ Bernd Neumann (CDU) sieht die Verschiebung aber nicht im Zusammenhang mit den Briefen: „Es waren ganz klar praktische Erwägungen, die uns (im Kulturausschuss) auf eine Verschiebung drängen ließen. Es war nicht zu erwarten, dass die Akademie bis zum nächsten Termin technisch in der Lage ist, den Filmpreis auszurichten.“ Frau Weiss hat aber wohl auch deshalb verschoben um abzuwarten, ob sich wirklich – wie versprochen – die Mehrheit der deutschen Filmschaffenden in dieser Akademie sammeln wird.

Die Akademie

Die Akademie wurde am 5.8.2003 im Hotel Adlon (Berlin) von 90 Gründungsmitgliedern gegründet, darunter Tom Tykwer, Jürgen Vogel, Michael Ballhaus, Helmut Dietl. Dabei wurde auch eine Satzung für die Filmpreisverleihung verabschiedet. Das Ehrenpräsidium haben Senta Berger und Günter Rohrbach übernommen. Zum Geschäftsführer wurde Stefan Arndt gewählt, Detlef Buck ist Kassenwart. Einzelne Unterzeichner des Protest, wie Hans-Christian Schmid oder Helma Sanders-Brahms, haben die Gründungsurkunde mit unterzeichnet, „weil … das Niveau der Diskussion und die Motive der Initiatoren letztlich überzeugt haben“, so Hans-Christian Schmid. Intern habe die in den Briefen geäußerte Kritik „durchaus Wirkung gehabt“, so Schmid weiter. So hätten sich „einige neuralgische Punkte“ in der Filmpreissatzung – wie das Procedere in der Kategorie „Bester Film“ – verbessern lassen. Offiziell aber hat die Akademie nicht auf die geäußerte Kritik reagiert. Und bei Licht betrachtet sind die Korrekturen eher kosmetischer Natur. An der grundsätzlichen Vergabekonzeption hat sich nichts geändert. Die Satzung der Akademie ist online unter www.deutsche-filmakademie.de

Mehr Mainstream?

Dass mit der Akademie mehr Mainstream in den Filmpreis einziehen wird, bestreitet dabei keiner der Gründer ernsthaft. Caroline Link, die die Akademie unterstützt, bedauert zwar, dass „künftig starke Außenseiterfilme wie Christian Petzolds ‚Die innere Sicherheit‘ wahrscheinlich nie wieder einen Filmpreis in Gold gewinnen werden“. Aber andere sind weniger zimperlich. Georgia Tornow, Generalsekretärin der Produzentenlobby „Film 20“ sagte, es dürfe nicht sein, dass „Filme ausgezeichnet werden, von denen der Fernsehzuschauer noch nie gehört“ habe. Schon deshalb dürfen künftig nur noch Filme nominiert werden, die mit mehr als 10 Kopien starten, „alles darunter ist ja sowieso ein Witz“ (Ulrich Felsberg). Helmut Dietl äußerte auf der Gründungsveranstaltung, er erwarte, „dass die Preise ‚Bester Film‘ und ‚Beste Regie‘ in Zukunft auf einen Film“ fielen. Stefan Arndt, dazu befragt, ob er wirklich an die hehren Ziele der Akademie glauben könne, angesichts der bisherigen Informationspolitik, gestand Kommunikationsfehler ein („Ich spreche als Privatperson, nicht in meiner Funktion als Geschäftsführer“), betonte aber den „kreativen Spirit“ der Gründer und die „gute Atmosphäre“, die er „unter Filmkünstlern so noch nie erlebt“ habe. Von dieser guten Stimmung war offenbar auch Volker Schlöndorff berauscht, der anlässlich des Todes von Leni Riefenstahl sagte: „Schade, dass sie jetzt nicht mehr Ehrenmitglied der Deutschen Filmakademie werden kann“ (nachzulesen im „Tagesspiegel“). Diese Äußerungen, aber natürlich auch die Ausgestaltung der Satzung im Detail, bestätigen die Befürchtungen einer „Gipsbüstenakademie“ (Peter Lilienthal), in der sich die Prominenten des Deutschen Films gegenseitig bekränzen, um „endlich wieder stolz auf den Deutschen Film“ zu sein (Bernd Eichinger).

FFG-Novellierung

Am 25.9. fand im Bundestag die erste Lesung der Filmfördergesetz-Novellierung statt. Am 15.10. fand dazu ein öffentliches Experten-Hearing statt, zu dem diverse Verbände geladen waren, am 10.11. soll die zweite und dritte Lesung über die Bühne gehen. Das Gesetz tritt voraussichtlich am 1.1.2004 in Kraft. In dem filmpolitischen Gespräch der Grünen haben sich dabei die Linien möglicher Konflikte abgezeichnet.

Anwesend waren u.a.: Claudia Roth (Grüne), Stefan Arndt (X-Filme, Filmakademie), Gorgia Tornow (Film20), Dieter Kosslick (Berlinale), Florian Körner (Schramm Film, Verband unabhängiger Produzenten), Michael Schmid-Ospach (Filmstiftung NRW), Steffen Schmidt (BVR), Astrid Kühl (Kurzfilmverband), Hr. Carsten (Drehbuchverband), Hr. Klinksporn, (Verband der Filmverleiher), Hr. Hürmer (Export Union), Dirk Dotzert (Film Lounge), Andres Veiel (Regisseur).

Auf breiten Widerstand stieß die Ungleichbehandlung von Kino- und Videowirtschaft auf der einen und der Fernsehwirtschaft auf der anderen Seite. Während man nämlich die Filmtheater- und Videobranche mit einer Steigerung der Zwangsabgabe belastet, dürfen die Sender „freiwillig“ geben bzw. in Form von Sendezeit „bezahlen“, fordern dafür aber mehr Mitbestimmung. Weiterhin wurde die Zusammensetzung des Verwaltungsrates der FFA sowie die FFA-Hierarchie insgesamt kritisiert. Auch die Idee eines Filmrates würde überwiegend abgelehnt. Von Seiten der Filmemacher wurde insbesondere die Anhebung der Zuschauerschwelle als Grundlage für die Referenzfilmförderung kritisch bewertet. Des weiteren wurde der Katalog förderungswirksamer Festivals und Preise in der Diskussion als unrealistisch verworfen. Der Verband unabhängiger Produzenten hat die Liste des Österreichischen Filminstituts als vorbildliche Alternative ins Gespräch gebracht. Der Filmrat, gedacht als eine Art institutionalisierte Fortsetzung des „Bündnis für Film“, scheint inzwischen schon vom Tisch zu sein, in vielen anderen Fragen aber gebe es noch „Spielraum“ (Claudia Roth).

Wir haben im Wesentlichen die Stellungnahme der unabhängigen Produzenten unterstützt, die unter anderem eine Senkung der Zuschauerschwelle auf 50.000 vorschlagen, für eine Flexibilisierung in der Handhabung des Eigenmittelanteils eintreten und die genannte Festivalliste des Österreichischen Filminstituts als Referenzkriterium empfehlen. Darüber hinaus haben wir angeregt, Erfolg in Zukunft differenzierter zu bewerten. Selbst dann, wenn allein kommerzieller Erfolg belohnt werden soll, müssen Zuschauerzahlen in Relation zu den aufgewendeten Mitteln gesehen werden. Ein Film, der 6 Millionen Euro teuer war und 150.000 Zuschauer erreicht hat, ist eben deutlich weniger erfolgreich, als ein Film, der 1 Million gekostet hat und auf die selbe Zuschauerzahl kommt. Und auch PR-Aufwendungen und Kopienzahl müssen in die Rechnung einbezogen werden.

Allerdings bleibt zu fragen, ob die automatische Förderung von Kassenerfolgen ohne jede kulturelle Verknüpfung nicht eigentlich eine Pervertierung der Förderidee ist. In jedem Fall bestraft man so das künstlerische Risiko, während man die Produzenten von Formelfilmen wie „Mädchen Mädchen“, „Knallharte Jungs“, „Erkan & Stefan 2“ etc. ermutigt, auch weiterhin auf konventionelle Ware ohne jeden kulturellen Mehrwert zu setzen.

Ausblick

Wenn wir hoffen wollen, dass der deutsche Film über das biedere Einerlei hinaus kommt, das ihn heute bestimmt, müssen wir uns stärker als bislang für die Bedingungen interessieren, unter denen er entsteht. Einmischung ist gefragt, und zwar nicht nur in Bezug auf die Politik der Bundesregierung, sondern auch gegenüber den Förderungen, den Fernsehsendern, Verleihern und Kinobetreibern sowie den Feuilletons der Zeitungen. Wir müssen uns angreifbar machen mit Meinungen und Positionen, die aus unserem Leben kommen, um so erfahrungsgesättigt gegen ein lebloses und risikoscheues Funktionärswesen anzutreten. Was die letzten Wochen auch gezeigt haben, ist die Notwendigkeit einer organisierten Interessenvertretung des künstlerischen Films. Die Politik braucht „übersichtliche“ Interessen und wird deshalb einem Verband allemal mehr Beachtung schenken als den Argumenten einzelner. Während die Produzentenlobby „Film 20“ erfolgreich antichambriert und die selben Leute im goldenen Gewand der Akademie als „Der Deutsche Film“ auftreten, wird der Film als künstlerisches Ausdrucksmedium weiter marginalisiert, weil er keine Stimme hat. Das müssen wir ändern. (Christoph Hochhäusler, Ulrich Köhler)

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